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Eskalation in der Ukraine: Wird der Konflikt mit Russland zum Krieg?

Täglich gibt es Kämpfe in der Ostukraine. Wie groß ist die Gefahr, dass Russland in das Land einmarschiert?

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Moskau hat erneut rund 20 000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen. Am vergangenen Freitag begannen dort Manöver. Die Nato befürchtet, dass es sich dabei um Vorbereitungen auf einen Einmarsch in das Nachbarland handelt.

Wie ist die russische Sicht auf diese Entwicklung?

Laut russischen Angaben wird an der Grenze zur Ukraine und bei einer weiteren Großübung am Kaspischen Meer nicht eine Intervention durchgespielt, sondern die Abwehr einer Aggression auf eigenem Staatsgebiet geübt. Beobachter sprechen von einer Demonstration der Stärke und einer angemessenen Antwort auf das Einlaufen eines Kreuzers der 6. US-Flotte ins Schwarze Meer. Am heutigen Freitag soll die Militärübung laut Plan zu Ende gehen.

Die Abendschau des russischen Staatsfernsehens vermittelt bisweilen den Eindruck, als versuche Verteidigungsminister Sergei Schojgu die Russen schonend auf eine Friedensmission Moskaus mit Mandat der UdSSR-Nachfolgegemeinschaft GUS in der Ostukraine vorzubereiten. Es wäre eine humanitär getarnte indirekte Intervention, wie sie auch die Führung in Kiew und die Nato fürchten. Zumal russische Blauhelme mit GUS-Mandat nach dem Ende der Sowjetunion 1991 schon in Georgien und Moldawien einmarschierten, um die Zentralregierung und die abtrünnigen Regionen zum Frieden zu zwingen: Südossetien, Abchasien und Transnistrien. De facto sind alle drei Separatisten-Regime inzwischen russisches Protektorat.

Doch bei einer GUS-Friedensmission müssten alle Mitglieder zustimmen. Die Ukraine dürfte dazu kaum bereit sein. Und ob direkte Intervention oder Friedensmission in der Ostukraine: Anders als auf dem Höhepunkt der Krim-Krise im März, als Russlands Präsidents Wladimir Putin selbst für militärische Gewalt beim Anschluss der bis dato ukrainischen Schwarzmeerhalbinsel die öffentliche Meinung in Russland weitgehend hinter sich wusste, sind Patrioten und Militaristen diesmal in der Minderzahl, wie Umfragen zeigen. Die Nation hat die opferreichen Kriege in Tschetschenien und zuvor den Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan noch frisch im Gedächtnis.

Kann sich Putin einen Einmarsch in der Ukraine überhaupt leisten?

Nach Ansicht von Otfried Nassauer, Leiter des Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit (BITS), wäre es für den russischen Präsidenten „aus politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Gründen idiotisch, in der Ukraine einzumarschieren“. Dennoch sei die Entwicklung in diesem Konflikt „unvorhersehbar, weil der Westen von Putin den Kotau verlangt, den er sich innenpolitische und vor dem Hintergrund der russischen Mentalität nicht leisten kann“. Offenbar sei niemand im Westen in der Lage, einen Kompromiss einzufädeln, der Putin ermögliche, ohne Gesichtsverlust aus dieser Situation herauszukommen.

Was den Truppenaufmarsch an der ukrainischen Grenze anbelangt, verhalte sich der Westen widersprüchlich: Einerseits verlange die Nato von Putin, dass er die Truppen von der Grenze abziehen müsse, andererseits fordere der Westen den russischen Präsidenten auf, die Waffenlieferungen und den Zulauf für die prorussischen Rebellen in der Ukraine zu unterbinden – das schließe einander aus. Nur mit einer gewissen Truppenpräsenz sei das Problem mit den Separatisten zu lösen, die Grenztruppen seien damit völlig überfordert.

Provoziert die ukrainische Offensive im Osten einen Einmarsch russischer Truppen?

Die politische Führung der Ukraine ist sich einig, dass der von Präsident Petro Poroschenko gewählte harte Kurs gegenüber den pro-russischen Separatisten der richtige Weg ist. In der Öffentlichkeit gibt es so gut wie keine Kritik an der so genannten Anti-Terror-Aktion. Mitte Juli hatte der Parlamentarier der Oppositionspartei Partei der Regionen, Nikolai Lewtschenko, in der Rada öffentlich die Frage gestellt, wieso die Regierung nicht zu einem dauerhaften Waffenstillstand bereit sei, damit Gespräche aufgenommen werden können. Für diese Anmerkung wurde der Mann buchstäblich aus dem Sitzungssaal geprügelt und durfte an den nächsten drei Sitzungstagen nicht teilnehmen. Seit der Annektion der Krim durch Russland ist es in weiten Teilen der ukrainischen Bevölkerung zu einer massiven Abwehrhaltung gegenüber dem russischen Präsidenten und seiner Führung gekommen. Kritiker und Zweifler halten sich bisher zurück.

Welche Erwartungen hat das Land an die Nato?

Die Hoffnungen, dass sich der Westen aktiv an die Seite der Ukraine stellt, haben sich für viele nicht erfüllt. Seit die pro-europäischen Protestkundgebungen im Spätherbst 2013 begannen und die EU und die USA praktisch wöchentlich Personal nach Kiew schickten, um die Demonstranten in ihrem Kampf gegen den autoritären, pro-russischen Präsidenten Viktor Janukowitsch zu unterstützen, setzen viele Menschen große Hoffnungen in den Westen. Allerdings zeigte sich bei der Besetzung der Krim, dass weder die EU noch die USA bereit sind, militärisch einzugreifen. Damals begannen die Sympathien für einen Nato-Beitritt des Landes rapide anzusteigen. Viele Politiker sagten, dass der Überfall Russlands auf die Krim nicht passiert wäre, wenn die Ukraine Nato-Mitglied oder Anwärter auf eine Mitgliedschaft wäre. In der West-Ukraine befürworten 78 Prozent der Menschen eine Mitgliedschaft. Im Osten, wo die Bevölkerung überwiegend russisch spricht und oftmals familiäre Bindungen zu Russland hat, sagten kurz nach der Annektion der Krim immerhin 52 Prozent, sie wünschen sich eine engere Beziehung zur Nato.

Die ukrainische Armee wäre nach wie vor bei einem militärischen Konflikt mit Russland weit unterlegen. Und der Anti-Terror-Einsatz in der Ost-Ukraine fordert bereits große Aufwendungen, ein Tag kostet 4,5 Millionen Euro – Geld, das die vom Staatsbankrott bedrohte Ukraine eigentlich nicht hat. Doch es fehlt auch an Know-how, an militärischem Personal und an Material.

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