Koalition beschließt Steuererleichterungen: Wird aus der Krisenhilfe ein Dauerzustand?
In der Coronakrise bekommen die Mittelständler, speziell die Gastronomen, was sie schon lange gefordert haben. Die Mindereinnahmen beim Staat steigen.
Eines ist nach dem Beschluss des Koalitionsausschusses sicher: Vor allem wegen der Erleichterungen bei der Mehrwertsteuer für die Gastronomie und bei der Verlustverrechnung für viele Betriebe ist die Planung im Nachtragshaushalt des Bundes, was das Einnahmenminus 2020 betrifft, nicht mehr zu halten. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte Ende März mit Steuermindereinnahmen in Höhe von 33,5 Milliarden Euro kalkuliert – nun dürften es allein wegen der Beschlüsse in der Nacht zu Donnerstag mehr werden.
Scholz selbst nannte zwar keine Zahlen. Aber SPD-Chef Walter-Borjans, als ehemaliger Landesfinanzminister durchaus kundig, bezifferte das Gesamtpaket auf etwa zehn Milliarden Euro. Davon seien knapp fünf Milliarden Euro Mindereinnahmen für die gesenkte Mehrwertsteuer und etwa vier Milliarden Euro für den vereinfachten Verlustrücktrag von kleinen und mittleren Unternehmen veranschlagt. Möglicherweise muss der Bund (und mit ihm Länder und Kommunen) aber auf Dauer diese Milliarden abschreiben – denn aus der Krisenentlastung könnte leicht ein Dauerzustand werden.
Lockerung erst im Juli?
Für die Hotel- und Gaststättenbranche wird in ihrer schwierigsten Zeit seit Jahrzehnten immerhin war, was ihre Verbände seit vielen Jahren gefordert haben. Zumindest auf die Speisen, die sie in ihren Lokalen anbieten, müssen Gastronomen von Juli an nur noch sieben Prozent Mehrwertsteuer abführen. Bisher gilt der ermäßigte Steuersatz nur für den Außer-Haus-Verkauf. Den dürfen Restaurants oder Cafés auch jetzt im Lockdown anbieten, ihre Gasträume aber sind geschlossen.
Wann sie öffnen dürfen, ist unklar. Die Steuererleichterung von Juli an könnte daher ein Indiz sein, ab wann die Regierung auch hier an eine Lockerung denkt. Befristet ist der verringerte Steuersatz bis 30. Juni 2021. Die Restaurants und Cafés können nun ein Jahr lang ihre Umsatzrückgänge etwas kompensieren. In welcher Höhe, das hängt davon ab, wie lange und wie umfassend die Restriktionen inkraft bleiben.
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Dass die Befristung kurz vor der nächsten Bundestagswahl ausläuft – Termin dürfte September 2021 sein – führt natürlich zu der Frage, ob dann nicht eine Verlängerung der Ausnahmeregelung oder gar deren Verewigung zum Thema wird. Zumal dann, wenn sich die Krise länger hinzieht als bislang gedacht und die Gastronomie in Deutschland noch härter trifft als ohnehin schon. Insbesondere ein Ausfall der Urlaubssaison in diesem Sommer spielt hier eine Rolle – mehrere Politiker haben bereits angedeutet, dass Normalität beim Verreisen vorerst nicht angesagt ist. Und dann helfen Umsatzsteuererleichterungen nicht – wer nichts oder wenig verkauft, der führt auch nichts an den Fiskus ab.
Keine Entlastung auf Getränke
Guido Zöllick, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), begrüßte zwar den Beschluss. Er verwies aber auch darauf, dass Getränke weiterhin höher besteuert würden – also mit 19 Prozent -, weshalb Bars oder reine Trinkkneipen gar nicht entlastet würden. Zudem sei klar, dass die sieben Prozent Mehrwertsteuer die zu nicht unerheblichen Umsatzausfälle aufgrund der einzuhaltenden Abstandsregelungen und Schutzmaßnahmen nur ein wenig kompensieren würden. „Insofern werden die bezifferten Steuerausfälle in Höhe von vier bis fünf Milliarden Euro nicht realisiert werden“, glaubt der Verbandschef.
Und er setzte einen Dank an einen der Beteiligten hinzu: Insbesondere Bayerns Ministerpräsident Markus Söder habe sich vehement für die sieben Prozent eingesetzt hat. Söder will die Steuersenkung unbefristet durchsetzen – kommt er damit im weiteren Verlauf der Krise durch oder kurz vor der Wahl im kommenden Jahr, dann sieht die Perspektive de Branche freundlicher aus. Kurzfristig aber fordert Zöllick weiter einen Rettungsfonds. „Ohne direkte Finanzhilfen werden es die meisten unserer Betriebe nicht schaffen“, sagte er am Donnerstag. „Monatelang keine Umsätze bei weiterhin hohen Kosten, insbesondere hohen Pachten, verkraftet auch das gesündeste Unternehmen nicht“.
Pauschale Verrechnung
Wie alle Klein- und Mittelunternehmen werden auch in de Gastronomie sehr viele Betriebe von der zweiten steuerlichen Maßnahme profitieren, die der Koalitionsausschuss auf den Weg gebracht hat: die Vereinfachung bei der Verlustverrechnung. Dass es zu diesem Entlastungsschritt kommen wird, hatten Scholz und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) schon anklingen lassen. Dass kleine und mittelständische Betriebe nun die aktuellen Steuerzahlungen, die auf ihren Ergebnissen aus dem Vorjahr basieren, in pauschaler Weise mit ihren möglichen Verlusten in diesem Jahr verrechnen können, verschafft allen, die wegen ihrer Umsatzeinbußen ins Minus rutschen, zusätzlich Luft.
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Aber auch hier droht fortwährender Druck der Wirtschaft. Der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) hofft bereits, dass die Krisenmaßnahme zur Dauereinrichtung wird. BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang betonte, dass eine „krisenbedingte Erhöhung der Höchstgrenze der verrechenbaren Verluste“ notwendig sei. Die Bundesregierung sollte laut Lang die steuerlichen Regelungen zur Verlustnutzung „generell deutlich erweitern, um alle krisenbedingten Verluste ohne Beschränkungen auszugleichen“. Dafür brauche die Wirtschaft eine gesetzliche Änderung der Verlustverrechnungsregeln.