Israelische Besatzung im Westjordanland: Wirbel um Gabriels Apartheid-Vergleich
Die einen werfen ihm "Antisemitismus" und "Rassismus" vor, die anderen loben seine Bereitschaft, "Dinge beim Namen zu nennen": SPD-Chef Sigmar Gabriel nennt die israelische Besatzung Hebrons ein "Apartheid-Regime" - und prompt brandet eine alte Debatte wieder auf.
SPD-Chef Sigmar Gabriel hat die israelische Politik in den Palästinensergebieten indirekt mit dem früheren Apartheidregime in Südafrika verglichen - und damit Proteste hervorgerufen. Nach einem Besuch der Stadt Hebron im Westjordanland, wo die Palästinenser Tür an Tür mit jüdischen Siedlern leben und daher unter massiver Kontrolle stehen, schrieb Gabriel auf seiner Facebook-Seite: "Ich war gerade in Hebron. Das ist für Palästinenser ein rechtsfreier Raum. Das ist ein Apartheid-Regime, für das es keinerlei Rechtfertigung gibt." Allerdings hatte Gabriel bei der Nahostreise und Gesprächen mit Regierungsvertretern auch seine Solidarität mit Israel mehrfach betont.
Auf der Facebook-Seite des Sozialdemokraten gingen binnen Stunden Hunderte Kommentare ein. Etliche warfen ihm "Antisemitismus" und "Rassismus" gegen Juden vor - allerdings gab es auch viele zustimmende Äußerungen, welche die israelische Siedlungspolitik gerade in Hebron kritisierten und Gabriel dafür lobten, "Dinge beim Namen zu nennen".
Aus den Reihen der Union folgte umgehender Protest. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe forderte Gabriel in der Zeitung "Die Welt" auf, sich "für seinen verbalen Totalausfall schnellstmöglich zu entschuldigen". Der CDU-Außenpolitiker Philipp Mißfelder sagte der "Bild"-Zeitung: "Es ist inakzeptabel, dass Herr Gabriel so etwas sagt. Es zeigt, dass er viel zu wenig weiß über den Nahost-Konflikt."
Gabriel selbst ruderte später leicht zurück, blieb in der Sache aber hart: "Mir ist klar, dass dies eine sehr drastische Formulierung ist. Aber genau so erleben die Palästinenser in Hebron ihre Situation." Wenn seine Aussage zu dem Missverständnis geführt habe, er wolle Israel und die Regierung mit dem alten Apartheidregime Südafrikas gleichsetzen, tue ihm das leid. "Das wollte und will ich ausdrücklich nicht, weil dieser Vergleich Israel gegenüber mehr als ungerecht und dem alten Südafrika gegenüber verharmlosend wäre."
Gabriel gab jedoch zu bedenken, dass die demütigende Form des Umgangs mit den Palästinensern in Hebron vieles übertreffe, was man sonst im Westjordanland erlebe. "Und es verursacht selbst bei jemandem wie mir, der Israel unterstützt, wirklich großen Zorn." Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und andere deutsche Politiker hatten in den vergangenen Monaten wiederholt die israelische Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten als Hindernis für den Nahost-Friedensprozess kritisiert.
In Hebron leben rund 200.000 Palästinenser und mehr als 500 radikalisierte jüdische Siedler. Um die Sicherheit dieser Gruppe zu gewährleisten, hält Israel die Kontrolle über einen Teil des Stadtgebietes. Im Zentrum leben Zehntausende Palästinenser unter ständiger Besatzung, ihre Bewegungsfreiheit ist stark eingeschränkt.
(dpa/AFP)