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Swen Schulz (SPD), Lisa Paus (Grüne), Hans-Georg von der Marwitz (CDU), Stefan Liebich (Linke) und Agnieszka Brugger (Grüne)
© promo (4), dpa

Bundestag zum Syrien-Einsatz: "Wir sagen Nein"

Der Bundestag wird heute dem Einsatz der Bundeswehr im Syrien-Konflikt wohl mit großer Mehrheit zustimmen. Doch in allen Parteien gibt es Abgeordnete, die der Mission ihre Stimme verweigern. Wer sind sie und was ist ihr Motiv?

Die Abstimmung im Bundestag über einen Einsatz der Bundeswehr im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" wird aller Voraussicht nach eine klare Angelegenheit, weil eine große Mehrheit dem Einsatz zustimmen wird. Trotzdem gibt es in allen Fraktionen Abgeordnete, die den Militäreinsatz nicht unterstützen.

Ihr Rückhalt in der eigenen Partei ist dabei sehr unterschiedlich: Während die Fraktion der Linken geschlossen mit "Nein" stimmen wird und auch bei den Grünen die Verweigerer in der Überzahl sind, sieht es bei den beiden Regierungsparteien ganz anders aus. In der Probeabstimmung gab es bei der SPD 13 Abweichler, bei der CDU sogar nur einen. Alle "Nein-Sager" vereint, dass sie hinter dem geplanten militärischen Einsatz in Syrien kein ausreichend einheitliches politisches Ziel sehen. Fünf kurze Protokolle von der "Nein-Front."

Hans-Georg von der Marwitz (CDU)

Der Bundestagsabgeordnete Hans Georg von der Marwitz wird am Freitag gegen den Syrien-Einsatz stimmen.
Der Bundestagsabgeordnete Hans Georg von der Marwitz wird am Freitag gegen den Syrien-Einsatz stimmen.
© dpa

"Ich kann dem Mandat zum Einsatz in Syrien nicht zustimmen, weil mir der Glaube fehlt, dass wir mit den zu beschließenden Maßnahmen die Aktivitäten des IS wirksam einschränken können. Ich muss davon ausgehen, dass es zu weiteren - zivilen - Opfern führt, wenn weiter bombardiert wird. Und ich fürchte, dass damit die Zahl der Flüchtlinge aus Syrien weiter ansteigen wird und sich außerdem mehr Syrer den Botschaften des IS anschließen.

Die Bundesregierung wäre gut beraten, statt Kriegstreiberei lieber massiven Druck auf die türkische und saudische Regierung auszuüben, eine der Stützpfeiler des IS.

schreibt NutzerIn schwabe61

Die Erfahrungen in Afghanistan zeigen, dass man ideologische Konflikte mit Waffengewalt nicht lösen kann. Und in Syrien müssen wir mit einem wesentlich potenteren Gegner rechnen, als das bei den Taliban in Afghanistan der Fall war. Deshalb wiegt es umso schwerer, dass die Völkergemeinschaft in Syrien keine konzertierten Interessen verfolgt. Ohne eine Gegenstrategie allerdings ist ein Militäreinsatz in Syrien aus meiner Sicht zu riskant."

Hans-Georg von der Marwitz sitzt als direkt gewählter Abgeordneter für den Wahlkreis Märkisch-Oderland-Barnim II im Bundestag. Er ist Mitglied im Ausschuss für Landwirtschaft und Ernährung.

Swen Schulz (SPD)

Der Bundestagsabgeordnete Swen Schulz (SPD) wird gegen den Syrien-Einsatz stimmen.
Der Bundestagsabgeordnete Swen Schulz (SPD) wird gegen den Syrien-Einsatz stimmen.
© dpa

"Diese Abstimmung über den Einsatz der Bundeswehr im Kampf gegen den IS ist für mich eine der schwersten Entscheidungen in meiner Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter. Ich sehe starke Argumente für den Einsatz, weil letztlich militärische Mittel notwendig sind und weil der tätigen Solidarität mit Frankreich und den Opfern des islamistischen Terrors weltweit sehr große Bedeutung zukommt.

Gleichwohl kann ich nach sorgfältiger Abwägung nicht zustimmen. Die hauptsächlichen Gründe dafür sind: Es liegt kein zweifelsfreies UN-Mandat vor. Das ist zum einen ein völkerrechtliches Problem. Zum anderen macht das aber auch deutlich, dass es keine gemeinsame Position der Weltgemeinschaft gibt. Die jedoch ist zwingende Voraussetzung für den nachhaltigen Erfolg einer Intervention. Es ist weder ein militärisches noch ein politisches Konzept erkennbar das Vorgehen, Zielstellung sowie Beendigungsoptionen beinhaltet.

Die Tatsache, dass noch vor kurzem von der Bundesregierung die Bombardements in Syrien als Belastung für den politisch-diplomatischen Prozess betrachtet und u.a. Frankreich dafür kritisiert wurde, dass sich die Koalitionsfraktionen nicht auf eine begleitende Entschließung haben einigen können und dass in den letzten Tagen Irritationen über den Umgang mit Assad und seinen Unterstützergruppen aufgetreten sind, zeigt das deutlich. Erfahrungen zeigen zudem, dass militärische Interventionen und im Besonderen Luftschläge ohne sorgfältige Einbettung in ein politisches Konzept tendenziell zu einer Eskalation der Gewalt und zur Radikalisierung von Bevölkerungsgruppen beitragen anstatt das Problem zu lösen. Es steht außer Frage, dass der IS auch militärisch bekämpft werden muss. Ich halte eine Beteiligung Deutschlands an einer militärischen Intervention, auch mit Bodentruppen, nicht für ausgeschlossen. Doch die Voraussetzungen müssen durch ein entsprechendes UN-Mandat und die politische Einigkeit der Weltgemeinschaft im Vorgehen und in der Zielstellung geschaffen werden.

Solidarität mit Frankreich und den Opfern des islamistischen Terrors kann nicht nur mit der Beteiligung an den Bombardements in Syrien gezeigt werden. Solidarität darf sich nicht in zwar menschlich und politisch verständlichen, letztlich aber kontraproduktiven quasi Schock-Reaktionen zeigen. Vielmehr sollte Deutschland fortfahren mit der effektiven humanitären Hilfe, weiterhin als Motor für politisch-diplomatische Fortschritte wirken, und gegebenenfalls bei Vorliegen der beschriebenen Voraussetzungen auch einen militärischen Beitrag leisten."

Swen Schulz ist in Hamburg geboren sitzt aber für die SPD-Spandau im Bundestag. Er ist Mitglied im Haushaltsauschuss.

Stefan Liebich (Linke)

Der Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich (Die Linke) wird gegen den Syrien-Einsatz stimmen.
Der Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich (Die Linke) wird gegen den Syrien-Einsatz stimmen.
© dpa

"Ich stimme mit Nein, weil bei einem Bundeswehreinsatz in Syrien auch Zivilisten sterben werden. Wenn man Bomben abwirft, lässt sich das gar nicht vermeiden. Ich halte es außerdem nicht für vertretbar, dass wir durch einen solchen Einsatz Soldaten der Bundeswehr in Gefahr bringen. Die Hoffnung, mit einem  Bombenkrieg  den IS bekämpfen zu können, teile ich nicht.

Der IS wird dadurch nicht schwächer, sondern stärker. Der Hass wird wachsen, wir produzieren auf diesem Wege nur neue Attentäter. Wir liefern dem IS frei Haus das Argument, dass der Westen einen Krieg gegen die islamische Welt führt. Das verstärkt den Zustrom von Kämpfern, auch aus Deutschland. Nicht zuletzt halte ich es für verkehrt, einen Bundeswehreinsatz ohne  gesicherte völkerrechtliche Grundlage zu beschließen.

Der Krieg findet auf dem Territorium von Syrien statt. Wenn man in die Souveränität eines Staats eingreift, braucht man einen Kapitel-VII-Beschluss des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. Der liegt aber nicht vor. Wenn wir uns  an dieser Stelle über das Völkerrecht hinwegsetzen, machen wir uns angreifbar. Dann hat auch unser Wort nicht mehr so viel Gewicht, wenn wir Russland bei der Annexion der Krim vorwerfen, gegen das Völkerrecht zu verstoßen."

Stefan Liebich vertritt den Berliner Wahlkreis Pankow im Bundestag. Der Linken-Politiker ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss.

Lisa Paus (Grüne)

Die Bundestagsabgeordnete Lisa Paus (Bündnis 90 / Die Grünen) wird gegen das Syrien-Mandat stimmen.
Die Bundestagsabgeordnete Lisa Paus (Bündnis 90 / Die Grünen) wird gegen das Syrien-Mandat stimmen.
© promo

"Ich lehne das Syrien-Mandat ab, weil es an der nötigen Legitimation durch die UN und damit auch an einer überzeugenden Friedensperspektive fehlt. Die Bundesregierung will reflexhafte Vergeltungsschläge verüben und riskiert dabei eine langjährige militärische Eskalation.

Wir sollten aus Afghanistan gelernt haben, dass es keinen Sinn macht, Krieg zu führen ohne die Aussicht auf eine stabile politische Ordnung. Die Bundesregierung konnte bisher nicht verständlich machen, welche Strategie sie in Syrien verfolgt. Es ist nicht einmal klar, mit wem sie zusammenarbeiten will und welchem Einsatzkommando die Bundeswehr unterstellt werden soll. Das vorliegende Mandat enthält nur vage Angaben zum Einsatzort und zu den Einsatzkräften. Angesichts der komplizierten Situation vor Ort ist der Einsatzauftrag völlig unangemessen.

Dabei sollte doch mittlerweile jeder verstanden haben wie sensibel und explosiv die Lage im Nahen Osten ist. Assad bleibt eine Reizfigur, die einem Friedensprozess im Weg steht. Gleichzeitig ringen die Großmächte USA und Russland weiter um Einfluss in der Region. Solange eine Verständigung zwischen den Welt- und Regionalmächten aussteht, befeuern weitere Bomben das Inferno für die Bevölkerung."

Lisa Paus sitzt für die Berliner Grünen im Bundestag. Sie ist Mitglied und Obfrau im Finanzausschuss.

Agnieszka Brugger (Grüne)

Agnieszka Brugger (Grüne)
Agnieszka Brugger (Grüne)
© promo

"Die Entscheidung über Auslandseinsätze der Bundeswehr ist immer eine Gewissensfrage, bei der viele Aspekte sorgsam gegeneinander abgewogen werden müssen. Viele der großen Militäreinsätzen der letzten Jahre haben gezeigt, dass militärisches Eingreifen im schlimmsten Fall auch unbeabsichtigt zu mehr Gewalt beitragen kann. Daher ist es unerlässlich, dass ein solcher Militäreinsatz wohlüberlegt in eine politische Gesamtstrategie eingebettet ist. Diese muss bei den politischen Ursachen eines Konfliktes ansetzen, beim Einsatz müssen erreichbare Ziele definiert werden und er benötigt eine tragfähige völkerrechtliche Grundlage. Die Solidarität mit Frankreich nach den grauenhaften Anschlägen in Paris ist ein wichtiges und gewichtiges Argument, sie darf aber nicht das alleinige sein.

In Syrien ist die Lage extrem kompliziert und unübersichtlich. Während die Menschen seit Jahren unter der Gewalt und Schreckensherrschaft des Assad-Regimes und der Terroristen von Daesh leiden, tragen einige Regionalmächte und Akteure mit widerstreitenden und widersprüchlichen Interessen dort ihre Machtspiele aus. Sie verschlimmern die Situation und befeuern die Gewalteskalation.

Ich habe mir die Entscheidung über das Syrien-Mandat nicht leicht gemacht, werde es aber ablehnen. Die Bundesregierung hat kein klares Konzept und keine stimmige Strategie für diesen Militäreinsatz, das Mandat ist an vielen Stellen gefährlich vage. Es fehlt eine eindeutige völkerrechtliche Legitimation und viele extrem wichtige Fragen bleiben einfach unbeantwortet. Es ist unklar, ob eine Zusammenarbeit mit dem Massenmörder Assad erfolgen wird, die aus meiner Sicht ein verheerender Fehler wäre. Es scheint nicht sichergestellt zu sein, wie der Missbrauch der Aufklärungsdaten durch Saudi-Arabien, Katar oder die Türkei verhindert werden soll. Völlig offen bleibt auch, wer eigentlich zu welchen Bedingungen in den befreiten Gebieten die Kontrolle übernimmt und ob die Menschen dann russische Bomben und Fassbombenangriffe durch Assad fürchten müssen. Auch welche konkreten Einsatzregeln für die Bundeswehr gelten, wollte die Bundesregierung dem Parlament gegenüber nicht darstellen.

Eigentlich sind sich an einem Punkt alle einig: Den Terrorismus kann man nur politisch besiegen. Während nun wieder in kurzer Zeit ein Militäreinsatz beschlossen wird, passiert leider immer noch viel zu wenig bei der Bekämpfung der politischen und wirtschaftlichen Ursachen des Terrorismus sowie bei der Unterstützung der politischen Prozesse und der Versöhnung in der Region. Die Bundesregierung ist an einigen Stellen zudem gefährlich inkonsequent und unglaubwürdig, etwa bei den Rüstungsexporten an Saudi-Arabien und Katar. Diese Staaten tolerieren, dass einflussreiche Personen den Terror von Daesh von ihrem Hoheitsgebiet aus unterstützen und finanzieren. Auch das große Schweigen der Bundesregierung gegenüber der Türkei ist verantwortungslos angesichts ihrer hochproblematischen Rolle in der Region.

An diesen Stellen kann und muss die Bundesregierung mehr tun oder ihren Kurs ändern. Ein Militäreinsatz jedoch, der so unklar ist und so viele Risiken birgt, läuft große Gefahr in der aktuellen Situation zu scheitern."

Agnieszka Brugger kommt aus Baden-Württemberg und ist Obfrau ihrer Fraktion im Verteidigungsausschuss.

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