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Johann Wadephul (CDU) ist stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion und für Außenpolitik zuständig.
© imago/Metodi Popow

Unionsfraktionsvize Johann Wadephul im Interview: "Wir müssen in der Aussprache mit Russland klarer werden"

Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Johann Wadephul, über Konsequenzen aus dem Giftanschlag in England, das umstrittene Projekt Nord Stream 2 - und ein Russland ohne Putin.

Die Bundesregierung hat sich der britischen Auffassung angeschlossen, dass Russland „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ für den Gift-Angriff auf einen russischen Ex-Spion verantwortlich ist. Welche Konsequenzen sollte Deutschland daraus ziehen?

Als Mitglied der Chemiewaffenkonvention muss Moskau sicherstellen, dass alle Nervenkampfstoffe vernichtet und auch nicht weitergegeben wurden. Diese Verantwortung scheint es verletzt zu haben. Russland muss deshalb den Vorfall umgehend von unabhängigen Chemiewaffenexperten der Vereinten Nationen aufklären lassen. Wenn Russland verantwortlich ist, müssen weitere Maßnahmen, gegebenenfalls Sanktionen, ergriffen werden.

Präsident Putin will sich am Sonntag im Amt bestätigen lassen, der Kreml hat dafür gesorgt, dass es daran keine Zweifel gibt. In Deutschland hat eine neue Regierung übernommen. Wie wird es in den deutsch-russischen Beziehungen weitergehen?

Ich erwarte nicht, dass sich Grundlegendes ändert. Wir haben Russland außenpolitisch in den vergangenen Jahren leider als eine Nation erlebt, die sich durch fortgesetzten Regelbruch auszeichnet. Das gilt für die Annexion der Krim, für die Intervention in der Ostukraine und den Krieg in Syrien. Russland ist zurzeit kein verlässlicher Partner in der internationalen Ordnung. Deutschland hat hier eine ganz klare Position. Wir werden im Ukraine-Konflikt weiter die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen anmahnen.

Kürzlich gab es Unklarheit, als ein deutscher Außenminister von der offiziellen Position abwich und sich für den schrittweisen Abbau der Sanktionen aussprach.

Für weitere Schritte haben wir eindeutige Voraussetzungen formuliert: In der Ostukraine brauchen wir einen Waffenstillstand und den Abzug schwerer Waffen, wir brauchen die Möglichkeit für eine neue Blauhelmtruppe, sich in der Ostukraine frei zu bewegen und auch die Grenze nach Russland zu kontrollieren. Bisher macht Russland bedauerlicherweise nicht die geringsten Anstrengungen, das umzusetzen. Deswegen gibt es keinen Anlass, über einen Abbau der Sanktionen zu reden.

In den Koalitionsverhandlungen prallten unterschiedliche Positionen zur geplanten Gaspipeline Nord Stream 2 aufeinander. Wie steht nun die neue Koalition dazu?

Wir befinden uns mitten in einem Diskussionsprozess. Meiner Meinung nach ist Nord Stream 2 nicht nur ein wirtschaftliches Projekt, sondern hat auch eine außenpolitische Dimension. Wenn es bei so einem Projekt Bedenken der baltischen Staaten, Polens und der Ukraine gibt, darf Deutschland nicht voreilig auf eine Einigung mit Russland setzen, sondern muss diese Bedenken sehr ernst nehmen.

Das ist nicht die Position der Koalition?

In den Fraktionen des Bundestages, auch innerhalb der Koalition, gibt es unterschiedliche Auffassungen zu Nord Stream 2. Wir haben noch keine konsolidierte Position. Es gibt Kollegen, die den wirtschaftlichen Aspekt betonen, andere stellen die außenpolitischen Probleme in den Mittelpunkt. Eine weitere vertiefte Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen, die möglicherweise den einzigen Zweck haben, die Ukraine von der Versorgungskette zu lösen, sollten wir nicht einfach billigen.

Vor Kurzem wurde bekannt, dass es einen Hackerangriff auf das Netz der Bundesregierung gegeben hat. Als wahrscheinlicher Urheber gilt eine Gruppe, die mit dem russischen Geheimdienst in Verbindung gebracht wird. Was bedeutet das für das deutsch-russische Verhältnis?

Bereits in der vergangenen Legislaturperiode ist der Bundestag schwer angegriffen und geschädigt worden. Es gab den begründeten Verdacht, dass das aus der russischen Sphäre kam. Wir können von Russland erwarten, dass es offenlegt, wie weit es Kenntnisse darüber hat, dass der Angriff aus dem eigenen Staatsbereich kam, und inwieweit Anstrengungen unternommen wurden, dies zu unterbinden. Insbesondere brauchen wir eine Klarstellung, dass dieses Vorgehen nicht von staatlicher Seite verantwortet wurde. Das wäre ein unmittelbarer Angriff gegen zentrale Institutionen eines souveränen Staates. Wir werden das politisch richtig einordnen müssen: Angriffe auf Institutionen der Bundesrepublik Deutschland würden in jedem Fall das außenpolitische Verhältnis schwer belasten.

Der Angriff auf den Bundestag liegt aber schon fast drei Jahre zurück. War die Reaktion darauf angemessen?

Ich glaube, dass wir spätestens jetzt in der Aussprache mit Russland klarer werden müssen. Wir dürfen es nicht durchgehen lassen, dass wir die Antwort erhalten, man wisse nicht, woher dieser Angriff komme.

Putin hat kürzlich in einer Rede an die Nation neue atomwaffenfähige Raketen vorgestellt. Wie ernst sollte der Westen diese martialischen Töne nehmen?

Das muss man in jedem Fall ernst nehmen, weil es mit der Tradition bricht, dass wir vertrauensbildende Maßnahmen ergreifen und uns gegenseitig ermuntern abzurüsten. Diese Äußerungen sind auch der politischen Situation und den Wahlen in Russland geschuldet. Seit einiger Zeit versucht Putin, mangelnde Erfolge in der Modernisierung der russischen Wirtschaft und der Gesellschaft durch Machtdemonstration zu übertünchen. Dazu gehört auch die Annexion der Krim. Wir müssen dem auf zweierlei Art begegnen: Einerseits müssen wir klarmachen, dass die Nato zusammensteht, und auf der anderen Seite brauchen wir einen intelligenten Blick nach Russland hinein: einen Blick auf die Zeit nach Putin und die jetzige politische Führung.

Was heißt das konkret?

Viele junge Menschen sind mit der jetzigen Situation in Russland unzufrieden. Es gibt viele Liberale und Intellektuelle, aber auch national denkende Russen, die nicht alles richtig finden, was Putin macht. Wir müssen uns darauf einstellen, dass es irgendwann ein Russland ohne Putin gibt. Auf dieses Russland müssen wir uns schon jetzt vorbereiten und nach neuen Möglichkeiten einer engeren Kooperation suchen. Die russische Gesellschaft ist viel breiter und tiefer, als die Führung glauben machen will. Wir sollten dieser Gesellschaft mit mehr Offenheit begegnen.

Claudia von Salzen

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