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Der SPD-Bundesparteitag machte vergangene Woche den Weg frei für "ergebnisoffene" Gespräche mit der Union.
© Michael Kappeler/dpa

Die SPD vor dem Gespräch mit der Union: "Wir haben die Aufgabe, Verantwortung zu übernehmen"

Was Harald Christ, Unternehmer sowie Gründer und geschäftsführendes Vorstandsmitglied des SPD-Wirtschaftsforums, vom Spitzentreffen erwartet. 

Herr Christ, an diesem Mittwoch treffen sich die Spitzen von Union und SPD, um über eine Regierungsbildung zu sprechen. Was erwarten Sie von dieser ersten Zusammenkunft?

Alle Teilnehmer müssen sich jetzt ihrer Verantwortung bewusst werden. Es geht um eine stabile Regierung für Deutschland, es darf kein langes Vakuum geben. Politisches Taktieren verbietet sich in dieser Lage ebenso wie das Ziehen roter Linien. Alle Seiten müssen sich in den großen Streitfragen kompromissbereit zeigen, also bei den Themen Flüchtlinge, Arbeitsmarkt, Rente und Gesundheit.

Der Widerstand  in der SPD gegen einer Wiederauflage der großen Koalition ist groß und reicht bis weit in die Führung hinein. Werden die GroKo-Gegner in Ihrer Partei der Verantwortung für das Land gerecht?

Ich verstehe, dass  manche bei uns Angst haben, dass die SPD aus einer weiteren großen Koalition geschwächt hervorgehen könnte. Denn in der Vergangenheit haben wir nach Bündnissen mit der Union trotz guter Arbeit an der Regierung massiv an Stimmen verloren. Richtig ist auch, dass eine schwache SPD nicht gut für die Demokratie ist. Ich glaube nur nicht daran, dass es leichter ist, sich in der Opposition zu erneuern als in Regierungsverantwortung.

Was  müsste die SPD denn tun, um gestärkt aus einer großen Koalition hervorzugehen?

Sie muss sich an einer Regierung beteiligen und sich zugleich programmatisch und personell erneuern. Ich traue SPD-Chef Martin Schulz zu, dass er diesen Prozess auf den Weg bringt. Mein Unterstützung hat er.

Der SPD-Parteitag hat gerade „ergebnisoffene“ Gespräche beschlossen. Ist die Tolerierung einer Minderheitsregierung eine realistische Option?

Die SPD sollte alle Modelle prüfen. Nur: Deutschland hat Verantwortung in Europa und in der Welt. Hier fehlt mir die Fantasie, wie eine Minderheitsregierung mit ständigen wechselnden Mehrheiten dieser Verantwortung gerecht werden kann.

Harald Christ, Unternehmer sowie Gründer und geschäftsführendes Vorstandsmitglied des SPD-Wirtschaftsforums.
Harald Christ, Unternehmer sowie Gründer und geschäftsführendes Vorstandsmitglied des SPD-Wirtschaftsforums.
© imago/Ulrich Roth

Das heißt: Am Ende hat die SPD die Wahl zwischen großer Koalition oder Neuwahlen?

Am Ende hat die SPD die schwierige Aufgabe, Verantwortung zu übernehmen. Das geht am ehesten in einer richtigen Koalition. Neuwahlen sollten wir unbedingt vermeiden. Damit wäre niemandem geholfen. Denn es besteht die große Gefahr, dass die SPD bei Neuwahlen noch weiter verliert und die AfD noch weiter zulegt. Die Bildung einer Regierung würde das nicht einfacher machen.

Ein zentraler Streitpunkt zwischen Union und SPD ist der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus. Darf die SPD eine große Koalition daran scheitern lassen?

Ich habe ja schon vor roten Linien gewarnt. Wenn man sondieren will, muss man das ergebnisoffen tun. Ich wünsche mir eine humanitäre Lösung für die Nöte dieser Flüchtlinge. Aber wir sollten auch die Ängste vieler Menschen hierzulande im Zusammenhang mit Migration nicht einfach abtun.

Stabilität allein zeichnet noch keine gute Regierung aus. Was könnte eine große Koalition, deren Partner in zentralen Fragen uneins sind, in den kommenden vier Jahren für das Land denn erreichen?

Sichere Renten, höhere Mindestlöhne, Investitionen in Infrastruktur, Digitalisierung und Bildung, Steuererleichterungen für untere und mittlere Einkommen, Abschaffung des Soli auf mittlere Sicht – das alles muss auf die innenpolitische Agenda. So stärken wir die Binnennachfrage, sichern auch in Zukunft die Stärke Deutschlands  und überzeugen auch jene Menschen vom Wert unserer Demokratie, die zuletzt wütend und enttäuscht AfD gewählt haben.

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