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Solidarität in Sydney: Auch in Australien gab es am Freitag eine Demonstration für Julian Assange.
© imago images / AAP

Assange zwischen allen Staaten: Wikileaks-Gründer kämpft gegen seine Auslieferung

Die Anwältin des Wikileaks-Gründers Julian Assange will das Auslieferungsgesuch der USA anfechten. Auch in Schweden und Ecuador hat seine Festnahme Folgen.

Berlin - Nach der spektakulären Festnahme von Wikileaks-Gründer Julian Assange in London beginnt der Streit um eine Auslieferung des 47-jährigen Australiers an die USA. Rechtsexperten erklärten am Freitag, der Fall könnte über Jahre vor britischen Gerichten verhandelt werden und letztlich vor den Europäischen Gerichtshof gehen. Assanges Anwältin Jennifer Robinson hatte angekündigt, dass ihr Mandant das Auslieferungsgesuch der USA „anfechten und bekämpfen“ werde; eine Anhörung dazu ist am 2. Mai geplant. Seine Mutter Christine verwies darauf, dass der Gesundheitszustand ihres Sohnes nach sieben Jahren in der Botschaft in London schlecht sei. Freunde und Unterstützer protestieren nach der Festnahme gegen eine mögliche Auslieferung an die USA. Nicht nur dort, auch in Schweden und Ecuador hat die Festnahme Folgen.

USA

US-Präsident Donald Trump erklärte, dass er mit der Enthüllungsplattform nicht vertraut sei. „Ich weiß nichts über Wikileaks. Das ist nicht meine Angelegenheit“, sagte Trump am Donnerstag im Weißen Haus auf Fragen von Journalisten. Er habe gehört, was mit Assange passiert sei, und es sei nun an US-Justizminister William Barr, eine Festlegung zu treffen. Auf Nachfragen erklärte Trump, er habe zu dem Fall keine Meinung. Während des Präsidentschaftswahlkampfes 2016 hatte der Republikaner Wikileaks noch gelobt und erklärt, er liebe die Organisation.

Die US-Justiz wirft Assange Verschwörung mit der Whistleblowerin Chelsea Manning zum Eindringen in ein Computernetzwerk der Regierung vor. Manning hatte Regierungsdokumente beschafft, die unter anderem Menschenrechtsverletzungen der US-Armee in Afghanistan enthüllten und die von Wikileaks veröffentlicht wurden. Konkret wird Assange beschuldigt, Manning dabei geholfen zu haben, ein Passwort eines Computernetzes der Regierung zu knacken.

Assange war auch in die Schlagzeilen geraten, weil die Enthüllungswebsite im Präsidentschaftswahlkampf 2016 gestohlene E-Mails der Demokratischen Partei veröffentlichte. US-Geheimdienste gehen davon aus, dass die E-Mails von russischen Hackern heruntergeladen und Wikileaks zugespielt wurden, um der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton zu schaden und Donald Trump zu helfen.

„Aus der Anklage, die öffentlich geworden ist, geht hervor ..., dass es um die Unterstützung beim Hacken eines Militärcomputers geht, mit dem Ziel, Informationen der US-Regierung zu stehlen“, sagte Hillary Clinton bei einer Veranstaltung in New York. „Ich werde warten und sehen, was mit den Anklagepunkten passiert und wie das Ganze weitergeht.“ „Das Entscheidende ist, dass er sich für das, was er getan hat, verantworten muss, zumindest so, wie es die Anklage vorsieht.“

Selbst wenn Assange in die USA überstellt werden sollte, drohen ihm dort nicht eine jahrzehntelange Haftstrafe oder gar Todesstrafe, die er während seines siebenjährigen Botschaftsexils befürchtet hatte. Anders als von Assange befürchtet ist er nicht wegen Spionage angeklagt, sondern lediglich wegen „Verschwörung“ zu einem Cyberangriff auf Rechner des Pentagons. Dafür drohen ihm maximal fünf Jahre Gefängnis.

Die nun veröffentlichte Anklage ist in ihrem Umfang sehr begrenzt. Zwar geht es durchaus um die gigantischen Wikileaks-Veröffentlichungen Hunderttausender geheimer US-Regierungsdokumente in den Jahren 2010 und 2011, die Assange von der früheren US-Soldatin Chelsea Manning zugespielt worden waren. Es handele sich „um eine der größten Preisgaben geheimer Information in der Geschichte der Vereinigten Staaten“, heißt es in der Anklageschrift.

Dass das US-Justizministerium dennoch auf eine Spionage-Anklage verzichtete, hängt wohl auch mit der diffizilen Rechtslage zusammen. Dabei geht es um die Streitfrage, ob es sich bei Wikileaks – wie von der Organisation selbst angeführt – um ein journalistisches Medium handelt und die von der Plattform veröffentlichten Geheiminformationen damit wie bei herkömmlichen Medien durch die Pressefreiheit geschützt sind. Die jetzige Anklage wirkt wie ein Behelfskonstrukt, um Assange unter Umgehung der kniffligen Fragen der Pressefreiheit belangen zu können. Ausgeklammert ist darin zudem die Rolle, die Wikileaks bei den mutmaßlichen russischen Einmischungen in den US-Wahlkampf 2016 gespielt hatte.

SCHWEDEN

Eine Frau, die mit einem Vergewaltigungsvorwurf die inzwischen eingestellten Ermittlungen gegen Julian Assange in Schweden ausgelöst hatte, will, dass der Fall nach seiner Festnahme neu aufgerollt wird. Ihre Anwältin beantragte am Donnerstag, dass die Vorermittlungen wiederaufgenommen werden. Das bestätigte die Staatsanwaltschaft. Bis wann darüber entschieden werde, sei noch nicht absehbar, sagte die stellvertretende Generalstaatsanwältin Eva-Marie Persson. Grundsätzlich könne eine vorläufige Untersuchung wiederaufgenommen werden, solange der Tatverdacht nicht verjährt ist. In dem Fall, also dem Tatverdacht der Vergewaltigung, laufe die Frist Mitte August 2020 ab.

Assange war vorgeworfen worden, 2010 zwei Frauen in Schweden vergewaltigt und sexuell genötigt zu haben. Die Staatsanwaltschaft hatte die Ermittlungen im Mai 2017 eingestellt, weil sie keine Möglichkeiten sah, die Ermittlungen weiterzuführen. Die Schuldfrage sei damit aber nicht geklärt. Der Australier lebte seit 2012 unter Asyl in der ecuadorianischen Botschaft in London, um einer Auslieferung zu entgehen.

Der Fall dürfte für Assange auch finanzielle Folgen haben. Der Oberste Gerichtshof in Stockholm hat abgelehnt, dass der schwedische Staat seine Anwaltskosten übernimmt, wie die Nachrichtenagentur Siren berichtete. Die Rede ist von rund neun Millionen schwedischen Kronen (861 000 Euro). Assange habe kein Recht auf Erstattung, weil er statt des staatlichen einen privaten Anwalt engagiert habe.

ECUADOR

Dass Julian Assange nun in U-Haft sitzt, hat auch zu tun mit einem erbitterten Konflikt zwischen seinem Förderer, Ecuadors linkem früheren Präsidenten Rafael Correa, und dessen Nachfolger Lenín Moreno. Als Moreno, unter Correa zeitweilig Vizepräsident, im April 2017 zum neuen Präsidenten gewählt wurde, sah es eigentlich gut für Assange aus, er hatte im Wahlkampf Partei für Moreno ergriffen. Im Gegensatz zum konservativen Gegenkandidaten Guillermo Lasso, der binnen 30 Tagen das Botschafts-Asyl beenden wollte. Doch Moreno hat erst mit Correa gebrochen und dann mit Assange.

Correa hat sich nach der Festnahme von Assange mit massiver Kritik an diesem „Verrat“ Morenos zu Wort gemeldet. Während Correa mit dem Asyl für Assange zeigen wollte, dass man sich für Whistleblower und mutige Aufdecker illegaler Machenschaften der US-Geheimdienste einsetzt, ging Moreno schnell auf Distanz zu Assange. In der Botschaft wurde dem Wikileaks-Gründer immer wieder das Internet abgestellt, auch ab und an die Heizung. Zuletzt kam es dann zum offenen Bruch, als auch Wikileaks über brisante Veröffentlichungen berichtete, die eine Verbindung Morenos zu Offshore-Firmen in Panama nahelegen (INAPapers). Ein Correa-treuer Abgeordneter zeigte den amtierenden Präsidenten an und löste Ermittlungen aus, die Moreno gefährlich werden könnten.

Moreno machte ein „aggressives Verhalten“ von Assange sowie „feindliche und drohende Erklärungen seiner mit ihm verbundenen Organisationen gegen Ecuador“ für den Entzug des Asyls verantwortlich. Bei einem öffentlichen Auftritt wurde er dann noch deutlicher, Assange sei ein „armseliger Hacker“. „Dieser Herr hat mit seinen Fäkalien die Wände in der Botschaft beschmiert, im Haus der Ecuadorianer, auf ecuadorianischem Territorium in London.“

Aufhorchen lässt die Festnahme eines Mitarbeiters von Wikileaks-Gründer Julian Assange in Ecuador. Innenministerin María Paula Romo sagte, die Festnahme sei erfolgt, als der „sehr enge“ Mitarbeiter Assanges nach Japan habe reisen wollen. Angaben zur Identität des Festgenommenen machte sie nicht. Es soll sich um einen Schweden handeln, der auf Sicherheitstechnologie und Verschlüsselung spezialisiert ist. Romo hatte den Mann zuvor mit Versuchen in Verbindung gebracht, die Regierung zu „destabilisieren“. Ob es Verbindungen zu den INA-Papers gibt? Für Ecuador war das Assange-Asyl jedenfalls keine günstige Angelegenheit. Außenminister José Valencia teilte mit, dass 6,517 Millionen Dollar ausgegeben worden seien. Vor allem für Sicherheitsanforderungen, aber auch mehr als 400 000 Dollar für Medizin, Essen und das Waschen seiner Kleidung. Dieses Steuergeld spart man nun, aber der Fall verschärft auch die politische Krise in Quito. mit AFP/dpa

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