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Die Marke soll glänzen. Bis auf Weiteres dürfte sie aber in Verbindung mit Dieselgate stehen.
© dpa
Update

Dieselgate-Vergleich: Wie VW den Verbrauchern noch einen Dienst erweisen könnte

Die Frist für den Vergleich wird verlängert. Aber eine Lehre gibt es schon jetzt. Verbraucher brauchen schärfere Waffen gegen Konzerne. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Heike Jahberg

Der 20. April 2020 könnte in die Geschichte eingehen. An diesem Montag sollte die Frist für den Vergleich enden, den Volkswagen seinen Dieselkunden anbietet. Am Morgen teilte der Konzern mit, dass der Stichtag um zehn Tage auf den 30. April verschoben wird. Doch das betrifft nur einige Nachzügler. Von den 262.000 Menschen, die berechtigt waren, den Vergleich anzunehmen, ist der Fall für 200.000 mit dem heutigen Tag erledigt.

Der 20. April ist somit der Tag, an dem Deutschlands größter Autobauer Frieden macht mit den Opfern eines der größten Skandale, in die je ein deutsches Industrieunternehmen verwickelt war.

Wegen Dieselgate haben Staatsanwälte eine beachtliche Zahl von Führungskräften angeklagt, weil Kunden und Anleger getäuscht worden sind, einige wurde verurteilt.

VW hatte Dieselautos mit einer Manipulationssoftware ausgerüstet, die gute und normgerechte Abgasergebnisse nur auf dem Teststand, nicht aber im Einsatz auf der Straße produziert hatte. Allein in Deutschland waren 2,4 Millionen Autos betroffen. Doch nur ein Bruchteil der Kunden ist dafür entschädigt worden.

Anders als in den USA, wo VW alle betroffenen Dieselfahrer großzügig bedacht hat, hat der Konzern in seinem Heimatland nur dann Schadensersatz gezahlt, wenn Verbraucher geklagt haben. Mit individuellen Vergleichen und Schweigeklauseln hat VW versucht, verbraucherfreundliche Urteile zu vermeiden.

Mit Dieselgate hat VW Rechtsgeschichte geschrieben

Man verwies in Wolfsburg stattdessen lieber auf das Software-Update, mit dem das leidige Abgasproblem doch aus der Welt geschafft worden sei. Vielleicht war das zu viel des Schlechten.

Mit Dieselgate hat VW jetzt jedenfalls Rechtsgeschichte geschrieben – wenngleich ungewollt. Der Gesetzgeber brachte die Musterfeststellungsklage auf den Weg, um zu verhindern, dass massenhaft Ansprüche der Kundschaft gegen den Konzern verjähren.

[Mehr zum Thema: Entscheidungshilfe für VW-Dieselkunden – wer den VW-Vergleich annehmen sollte und wer nicht]

Ein sperriges Instrument, bei dem Verbraucherverbände klagen.  Die geschädigten Kunden können sich dieser Musterklage anschließen. Um dann wirklich ihr Geld zu bekommen, müssen sie aber später noch einmal selbst vor Gericht ziehen. Es sei denn, es gibt – wie jetzt – einen Vergleich.

262 000 Menschen, die bei der Musterklage der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) mitgemacht haben, können nun Geld von VW bekommen – der Autobauer hat ihnen dazu in den vergangenen Wochen Angebote unterbreitet –, und fast alle wollen das.

Es ist für sie eine bequeme Lösung und ein Geldsegen, mit dem viele gar nicht mehr gerechnet hatten. Und es ist auch eine Möglichkeit, dass unerfreuliche Kapitel endlich hinter sich zu lassen.

Angst von VW vor dem Bundesgerichtshof

Dass es zu diesem Vergleich gekommen ist, ist aber auch ein Verdienst der Rechtsprechung. Viele Gerichte haben bereits zugunsten der Verbraucher entschieden. Im Mai wird sich erstmals der Bundesgerichtshof mit Dieselgate befassen. Ein Kunde will von dem Autokonzern den Anschaffungspreis seines Wagens erstattet bekommen. Es ist gut möglich, dass VW in Karlsruhe verliert.

[Mehr zum Thema: VW zahlt zwischen 1350 und 6257 Euro – für wen sich der Dieselvergleich auf jeden Fall lohnt]

Dass die Verbraucherschützer jetzt einen Vergleich durchsetzen konnten, liegt auch an der Angst von VW vor dem Bundesgerichtshof. Und so ist es auch kein Zufall, dass der Vergleich so getaktet ist, dass ein positives BGH-Urteil jenen Kunden, die das angebotene Geld angenommen haben, nichts mehr bringt. Für diejenigen aber, die den Vergleich erst auf den letzten Drücker annehmen, ergeben sich neue Chancen. Denn den Vergleich kann man innerhalb von 14 Tagen widerrufen. Eine Chance für die Spätzünder, die ein positives Urteil aus Karlsruhe dann doch noch für sich nutzen könnten.

Wie Dieselgate die Rechtslandschaft verändert hat

Prozessfinanzierer hatten schon vorher versucht, die Verbraucher zur Einzelklage zu überreden. Auch das ist eine Folge von Dieselgate.

Der Skandal hat in der Rechtslandschaft zu neuen Akteuren und Arbeitsweisen geführt. Prozessfinanzierer schießen das Geld für Anwälte und Prozesse vor und kassieren dafür bei Erfolg eine Provision. Dieselanwälte ackern nicht mehr Fall für Fall durch, sondern arbeiten automatisiert. Der Industrieskandal Dieselgate hat zu einer Industrialisierung der Anwaltschaft geführt.

Und es hat sich gezeigt: Verbraucher brauchen schärfere Waffen, um gegen Großkonzerne vorzugehen. Was mit der Musterfeststellungsklage begonnen hat, muss mit einer echten Sammelklage fortgesetzt werden. Verbraucherschützer müssen in die Lage versetzt werden, für geschädigte Kunden vor Gericht Geld herauszuholen. Paradox: Gelingt das, hätte VW den deutschen Verbrauchern am Ende einen historischen Dienst erwiesen.

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