zum Hauptinhalt
Hauptangeklagte Beate Zschäpe zwischen ihren Anwälten im Oberlandesgericht München
© Andreas Gerbert/ dpa

192. Tag im NSU-Prozess: Wie Uwe Mundlos zum Neonazi wurde

Beim NSU-Prozess in München hat ein alter Schulfreund von Uwe Mundlos und Beate Zschäpe ausgesagt. Mundlos sei bereits als Jugendlicher immer mehr in die rechte Szene abgedriftet. Zschäpe hingegen beschreibt Andreas R. als vulgär.

Die Diktatur brach weg, die Demokratie kam mit einem Beigeschmack von Anarchie. Rechte Jugendcliquen machten von 1990 in Ostdeutschland ganze Stadtviertel unsicher, Polizei und Justiz waren überfordert, genauso wie Lehrer und Eltern. Die alten Autoritäten zählten nicht mehr viel. Ideale Bedingungen für eine mentale Verwahrlosung in Teilen der Jugend, für Extremismus und Kriminalität. Mitten drin in dieser Kleinkriminalität waren Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe, wie der Zeuge Andreas R. im NSU-Prozess erzählt.

Mundlos sei mit Freunden in Keller eingebrochen, um mit dem dort zu findenden Alkohol „Feiern zu machen“, sagt ein ehemaliger Jugendkumpel des späteren NSU-Terroristen. Andreas R. war ein paar Jahre der beste Freund von Uwe Mundlos, im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München berichtet der Zeuge am Donnerstag von der wilden Zeit. Es sind Geschichten aus Jena, doch es gab sie so ähnlich in vielen Orten Ostdeutschlands. Stehlen „war so ein kleiner Sport“, sagt Andreas R. Er selbst will sich nicht daran beteiligt haben, aber er bekam mit, was die Clique um Uwe Mundlos und Beate Zschäpe im Plattenbauviertel Winzerla trieb oder womit sie  zumindest prahlte. Zum Beispiel mit Überfällen auf Vietnamesen. Mundlos, Zschäpe und ihr damaliger Freund sollen vietnamesische Zigarettenhändler beraubt und regelrecht in die Enge getrieben haben. Strafen waren offenbar nicht zu befürchten. Sarkastisch formuliert Andreas R., „Vietnamesen waren nicht mit der stärksten Lobby vertreten in unserer Stadt“.

Mundlos soll schon zu Schulzeiten in die rechte Szene gedriftet sein

Der Zeuge hatte ungefähr bis Mitte der 1990er Jahre Kontakt zu Mundlos und Zschäpe. Deren Neonazi-Kumpan Uwe Böhnhardt, der laut Aussage eines anderen Zeugen „gut durchdacht“ Autos knackte, hat Andreas R. nach seiner Erinnerung nicht kennengelernt. Aber Mundlos und Zschäpe beschreibt er detailliert. Und es klingt zumindest authentisch. Mundlos sei als Schüler „naturschlau“ gewesen, aber faul, sagt Andreas R. Er schildert, wie Mundlos noch zu SED-Zeiten im Unterricht provozierte. Kam ein Reserveoffizier in die Klasse, um  den Armeedienst zu propagieren, begrüßte ihn Uwe Mundlos mit „hier stinkt’s“. Die oppositionelle Gesinnung hatte er von seinem Vater, dem Informatik-Professor, der sich in Jena mit der Verwaltung anlegte. Als der Sohn allerdings nach der Wende immer stärker in den Rechtsextremismus abdriftete, habe der Vater vergeblich versucht, „ihn einzufangen“, sagt Andreas R.

Die Radikalisierung seines Freundes wurde dem Zeugen offenbar unheimlich. Uwe Mundlos habe sich schon 1990, da waren er und Andreas R. in der 10. Klasse, mit antijüdischen Computerspiele vergnügt. „Das war eine einfache Grafik, dass man Juden abschießen sollte“, sagt der Zeuge. Und er deutet an, dass Mundlos schon zu DDR-Zeiten anfing, für das NS-Regime zu schwärmen. Nach der Wende sei er dann mit Bomberjacke und Schnürstiefeln herumgelaufen. 1995 sah Andreas R. den einstigen Freund das letzte Mal. Mundlos habe in seinem Auto gesessen und eine Art SS-Uniform getragen. Er habe zu einem Rudolf-Heß-Treffen gewollt und behauptet, noch zwei Verfassungsschützer abschütteln zu müssen.

Zeuge beschreibt Zschäpe als vulgär und selbstbewusst

Der Zeuge nennt auch Details, die den späteren NSU-Terroristen ahnen lassen. Mundlos habe sich bereits zu DDR-Zeiten für die Rote Armee Fraktion interessiert, sagt Andreas R., „es ging hauptsächlich um das Thema, wie man untertaucht“. Das gelang Mundlos später auf erschreckend gut, fast 14 Jahre war er mit Böhnhardt und Zchäpe verschwunden. Ein anderes, ebenfalls  gruselig anmutendes Detail ist Mundlos’  jugendliche Begeisterung für die Comicfigur Paulchen Panther. „Den rosaroten Panther fand er sehr gut“, sagt Andreas R., „die Sprüche hat er damals schon drauf gehabt“. Die Aussage lässt vermuten, wer im NSU die Idee hatte, in das Bekennervideo der Terrorzelle Paulchen Panther einzubauen. Die Figur führt in dem Film von Mord zu Mord.

Als eher derbes Geschöpf charakterisiert der Zeuge Beate  Zschäpe. Er bescheinigt ihr „vulgäres Auftreten“, sie sei für ihr Alter im Umgang mit Jungs „schon sehr weit“ gewesen und „warf mit unanständigen Ausdrücken herum“. Andreas R. mochte sie offenkundig nicht, doch er nimmt sie auch ein wenig in Schutz. Zschäpe habe sich in einer Clique pubertierender Jungs behaupten müssen. Das bekam sie offenbar gut hin. „Sie war sehr selbstbewusst in der Gruppe“, sagt der Zeuge. Ihm sei allerdings nicht aufgefallen, „dass sie großartig eine politische Meinung  vertreten hat“. Die Angeklagte hört es und bleibt, wie immer, stumm.

Zur Startseite