Alles unter Kontrolle: Wie umfangreich Chinas Staat seine Bürger überwacht
China kontrolliert mit Kameraüberwachung und einem Sozialkreditsystem seine Bürger fast lückenlos. Wie stark werden die Winterspiele beeinträchtigt?
China hat die Corona-Pandemie im Griff. Zumindest soll dieser Eindruck gerade jetzt entstehen. Teil dieser Strategie ist auch die chinesische Olympia-App „My2022“, die sich Athleten und andere Teilnehmer auf Geheiß der Organisatoren herunterladen müssen.
Die Beijing Financial Holdings Group, die das Programm gebaut hat, gibt offen zu, dass es die Daten mit Dritten teilt. Sehr persönliche Daten von Besuchern und Athleten landen also bei den Organisatoren, den chinesischen Sicherheits- und Gesundheitsbehörden, dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und allen anderen, die an der Umsetzung der Maßnahmen gegen Covid-19 beteiligt sind. Kanadische Forscher:innen stellten bereits fest, dass die Daten sich über eine Sicherheitslücke auch von jenen abgreifen lassen, die nichts mit der Pandemiebekämpfung zu tun haben.
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Ein Datenschutzskandal, der auch gegen Chinas eigene Gesetze verstößt – aber bei der „My2022“-App geht es um mehr als sensible Daten. Es geht um Kontrolle. Die datenhungrige App bietet Nutzer:innen die Möglichkeit, „politisch sensible“ Inhalte zu melden, brisante Themen wie Unruhen in Xinjiang, Hongkong und Tibet. Damit fügt sich die App in eine weite Landschaft auf Überwachungsmaßnahmen in der Volksrepublik ein, die in den vergangenen Jahren immer weiter ausgebaut wurden.
Kameras in den Straßen, ein Sozialkredit-Sytem, Überwachung des Internets
Die Straßen in Städten sind umfassend mit Kameras gesäumt, die jeden Schritt beobachten. Künstliche Intelligenz wertet die Bilder aus und fahndet nach Straftätern, auch wenn sie nur über eine rote Ampel gelaufen sind. Und im Internet wird jeder Kommentar, jeder zustimmende Daumen hoch, jeder kontroverse Beitrag erfasst. Der sogenannte Sozialkredit, ein Bewertungssystem mit Punkteständen, soll Konformität erzeugen. Stresssituationen wie die Pandemie oder Unruhen in Xinjiang haben zuletzt gezeigt, wie weit der chinesische Staat bereit ist, diese Überwachung auszudehnen.
Seitdem China 2008 das erste Mal die Olympischen Spiele ausgerichtet hat, ist dieses Netz immer enger geworden. In der Volksrepublik wurden Meinungsfreiheit und Privatsphäre auch damals stark beschnitten, doch das Netz war noch locker genug, um an der einen oder anderen Stelle hindurchzuschlüpfen. Das Internet bot Räume, in denen sich Bürger:innen frei austauschen konnten. Doch Staatspräsident Xi Jinping will sein Land fest im Griff haben. Dabei versteht er wenig Spaß: Als ihn seine Bürger:innen mit dem „Winnie Puh“-Bär verglichen, ließ er Fotos dazu aus dem Netz und Kuscheltiere aus den Läden verbannen. Die Winterspiele sollen Xi nun eine einzigartige Chance bieten zu demonstrieren, dass sein autoritärer Weg der richtige ist – oder sie verspielen internationalen Kredit.
Viola Heeger