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Massenprotest gegen Donald Trump am Samstag.
© AFP

Neuer US-Präsident: Wie Trump die Gesellschaft spaltet

Das Amerika des neuen Präsidenten nimmt Gestalt an – und löst Ängste und Kritik aus. Hunderttausende demonstrieren. Erste Entscheidungen zementieren die Polarisierung der Gesellschaft.

Hunderttausende von Demonstranten strömten am Samstagvormittag in das Stadtzentrum von Washington, um an der Kundgebung gegen Trump teilzunehmen. Offiziell als „Marsch der Frauen“ angemeldet, war die Kundgebung bereits im Vorfeld zu einer Veranstaltung aller Gegner des neuen Präsidenten erklärt worden. Dennoch waren mehr als 90 Prozent der Kundgebungsteilnehmer Frauen. Viele trugen rosa Strickmützen mit Katzenohren: Die sogenannten „Pussyhats“ sind eine Anspielung auf frauenfeindliche Äußerungen Trumps, die während des Wahlkampfes bekannt geworden waren. Darin hatte der heutige Präsident damit geprahlt, fremden Frauen ungestraft zwischen die Beine greifen zu können.

Kundgebungsteilnehmer in Washington trugen Plakate und Transparente, auf denen der neue Präsident vor Angriffen auf Frauenrechte, die Pressefreiheit und das Schulsystem gewarnt wurde. Viele Demonstrationsteilnehmer kamen aus anderen Landesteilen der USA nach Washington. Nach Angaben der Stadtverwaltung kamen am Samstag 500.000 Demonstranten. Es kamen auch zahlreiche Prominente wie der Filmemacher Michael Moore und die Popsängerin Katy Perry. Insgesamt waren am Samstag rund 600 ähnliche Veranstaltungen in anderen US-Städten geplant, darunter in Boston, New York und Los Angeles. Am Rande des Marsches von Washington wurde aber auch Kritik laut. So beklagten Abtreibungsgegnerinnen, sie seien nicht eingeladen worden.

Am Freitag hatten sich militante Trump-Gegner in Washington Straßenschlachten mit der Polizei geliefert, die mehr als 200 Verdächtige festnahm. Die Kundgebung am Samstag verlief dagegen friedlich.

Women's March in Washington.
Women's March in Washington.
© Reuters

Trump, ein Immobilienmilliardär und Fernsehstar ohne jede politische Erfahrung, hatte im November die Präsidentenwahl gegen die Ex-Außenministerin Hillary Clinton gewonnen, obwohl diese landesweit rund drei Millionen mehr Wählerstimmen auf sich vereinigen konnte. Viele Kritiker sprechen Trump, der sich aufgrund der Besonderheiten des amerikanischen Wahlsystems gegen Clinton durchsetzte, deshalb die Legitimation ab. Nach Einschätzung der US-Geheimdienste profitierte Trump zudem von russischen Hackerangriffen auf Clintons Demokraten.

Innenpolitische Wende

Kritiker bemängeln zudem, dass sich Trump als Präsident nicht eindeutig genug von seinen Geschäftsinteressen distanziert. Der Verband CREW, der sich für die Einhaltung von Ethikregeln in der Politik einsetzt, reichte kurz nach Trumps Amtseid eine erste Beschwerde ein, in der es um Trumps Hotel in Washington geht. Weitere juristische Schritte von Trump-Gegnern dürften folgen.

In seiner Antrittsrede hatte Trump am Freitag betont, der Grundsatz „Amerika zuerst“ werde das Leitmotiv seiner Politik sein. Er bekräftigte, die USA würden nicht mehr für den militärischen Schutz anderer Länder bezahlen. Zudem will er aus internationalen Handelsabkommen aussteigen. Als Präsident werde er zudem das „Blutbad“ der Banden- und Drogenkriminalität beenden und die US-Bürger vor Arbeitsplatzexporten ins Ausland schützen, sagte Trump.

Antanzen. Der neue Präsident der USA mit seiner Frau.
Antanzen. Der neue Präsident der USA mit seiner Frau.
© imago/UPI Photo

Kritiker warfen dem neuen Präsidenten vor, ein völlig falsches Bild von der Lage des Landes gezeichnet und die Chance zur Betonung der nationalen Einheit vergeben zu haben. In der „New York Times“ war von Trumps „düsterer Vision“ die Rede. „Washington Post“-Kommentator George Will nannte Trumps Ansprache „die fürchterlichste Rede“.

Ungeachtet der Kritik geht die neue Regierung daran, die Vorgaben des Präsidenten umzusetzen. Zuallererst werde die von Trumps Vorgänger Barack Obama gegebene Zustimmung zum Pazifischen Freihandelsabkommen TPP rückgängig gemacht, erklärte das Weiße Haus. Geplant sind zudem eine Aufrüstung des US-Militärs sowie ein neues Raketenabwehrsystem gegen Angriffe aus Nordkorea und dem Iran.

Eine Frage der Lebensweise

Trump unterstrich auch, Amerika werde nicht mehr versuchen, anderen Ländern die eigene Lebensweise „aufzuzwingen“, was als Signal für eine Abkehr von der internationalen Führungsrolle der USA verstanden wird. Der neue Präsident habe sich von einer rund hundertjährigen Tradition in der Außenpolitik verabschiedet, erklärten führende Experten. Der konservative Politologe Walter Russell Mead kommentierte auf Twitter, Trump habe ein seit dem Ersten Weltkrieg geltendes außenpolitisches Dogma „unter den Bus geworfen“. Der ehemalige US-Spitzendiplomat Nicholas Burns kritisierte, der Präsident habe die amerikanische Außenpolitik der vergangenen 70 Jahre über Bord geworfen.

Richard Haass, Präsident der angesehenen Denkfabrik Council on Foreign Relations, warnte ebenfalls vor Rückschlägen für den Einfluss der USA in der Welt und für Stabilität und Wohlstand. „Protektionismus könnte eine bereits schlechte Situation noch schlimmer machen.“ Manche Beobachter hoffen, dass besonnene Berater von Trump, darunter der bereits am Freitag vom Senat im Amt bestätigte Verteidigungsminister James Mattis, mäßigend auf den neuen Präsidenten einwirken werden.

Dennoch verunsichern Trumps außenpolitische Äußerungen viele traditionelle Partner Amerikas. Verstärkt wird die Skepsis durch die mehrfach erklärte Absicht des neuen Präsidenten, trotz der Hackerangriffe aus Moskau ein besseres Verhältnis mit Russland anzustreben. Die russische Regierung erklärte am Samstag, Staatspräsident Wladimir Putin sei zu einem Treffen mit Trump bereit, doch könnte die Vorbereitung der Zusammenkunft mehrere Monate dauern.

Innenpolitisch könnte Trump wesentlich rascher politische Kehrtwenden einleiten. Nur wenige Stunden nach seinem Amtseid unterzeichnete er am Freitagabend im Oval Office des Weißen Hauses ein Dekret, mit dem er den Bundesbehörden die Möglichkeit gab, wichtige Elemente von Obamacare nicht mehr anzuwenden. Der Schritt hatte mehr symbolische als substanzielle Bedeutung, weil die meisten Teile des Gesundheitssystems gesetzlich verankert sind und nicht per Verordnung aufgehoben werden können. Trump demonstrierte mit dem Dekret aber seine Entschlossenheit, Obamacare so schnell wie möglich abzuschaffen.

Gesundheitspolitik

Die Gesundheitspolitik dürfte zu einer der ersten wichtigen Prüfungen für die neue Regierung werden. Trumps Republikaner haben im Kongress zwar die Mehrheiten für eine Wende bei Obamacare, besitzen aber kein fertiges Alternativkonzept. Der neue Präsident hat den Druck auf die eigene Partei durch die Ankündigung erhöht, die Abschaffung von Obamacare werde mit einer fast gleichzeitigen Einführung eines neuen Systems einhergehen. Obamacare hat in den vergangenen Jahren rund 20 Millionen vorher unversicherten Amerikanern einen Versicherungsschutz beschert. Trump kritisiert Obamacare als zu teuer – eine Ansicht, die angesichts steigender Beiträge von vielen Wählern geteilt wird. Allerdings sind wichtige Teile des Systems, etwa die Mitversicherung von Vorerkrankungen, bei den Wählern beliebt. Trump will diese Teile erhalten, doch niemand weiß, wie dies finanziert werden soll.

Schnelle Veränderungen verspricht Trump auch in der Energiepolitik. Obama hatte mit Hinweis auf den Klimawandel eine Wende hin zu erneuerbaren Energiequellen einleiten wollen, doch die neue Regierung will laut einer Erklärung des Weißen Hauses vor allem auf Öl und Gas setzen. Dabei soll staatseigenes Land für die Ausbeutung von Bodenschätzen freigegeben werden – auch das markiert eine radikale Abkehr von Obamas Politik.

Kritiker befürchten, dass Trumps Kompromisslosigkeit und seine Weigerung, auf politische Gegner zuzugehen, das politische Klima in den USA in den kommenden vier Jahren weiter vergiften könnten. Der neue Präsident selbst machte jedoch klar, dass er nicht daran denkt, seinen Stil zu ändern. Auf einem Ball zu Ehren seiner Amtseinführung am Freitagabend sagte er, er werde sich trotz aller Einwände seiner „Feinde“ weiter über Twitter zu Wort melden, weil er damit die „Fake News“ der etablierten Medien umgehen und direkt mit den Wählern in Kontakt treten könne.

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