Nach dem Anschlag in Istanbul: Wie sicher sind unsere Flughäfen?
Nach dem Anschlag in Istanbul fragen sich viele, wie künftige Terrorangriffe verhindert werden können. Scharfe Kontrollen reichen offensichtlich nicht.
Der Terroranschlag auf den Atatürk-Airport in Istanbul hat eine Diskussion über die Effektivität der Sicherheitskontrollen an Flughäfen auch in Deutschland entfacht. Einen hundertprozentigen Schutz vor Anschlägen kann es hier wie an anderen öffentlichen Orten nicht geben, darin sind sich alle Experten einig. Das jüngste Beispiel beweist, dass eine Verlagerung der Checkpoints auch nur zu einer Verlagerung der Tatorte führt.
Das Risiko hat sich verlagert: vom Flugzeug auf den Flughafen
Im März waren die Attentäter von Brüssel ungehindert in den Flughafen gelangt. Denn dort gab es – wie an den meisten europäischen Flughäfen – Personenkontrollen erst nach dem Check-in beim Betreten des engeren Sicherheitsbereiches, von dem der Zugang zu den Flugzeugen erfolgt. Diese Regelung war in den 1970er Jahren nach diversen Flugzeugentführungen eingeführt worden, primär um zu verhindern, dass Waffen an Bord einer Maschine geschmuggelt werden. Nach einem gescheiterten Anschlag mit Flüssigsprengstoff kam 2006 die Begrenzung der im Handgepäck zulässigen Flüssigkeitsmengen hinzu.
Die gezielten Anschläge auf Passagiere im Flughafengebäude stellen die Sicherheitskräfte vor neue Herausforderungen. So wurden nach Brüssel erneut Forderungen laut, die Kontrollen an die Zugänge der Flughäfen zu verlegen und Begleiter oder Abholer von Reisenden einzubeziehen. Sowohl der deutsche Flughafenverband ADV als auch das Airports Council International (ACI) sehen darin allerdings nur eine Verlagerung des Risikos. Die Ereignisse in Istanbul geben ihnen recht. Dort gibt es bereits beim Betreten des Terminals eine Kontrolle, vor der sich lange Warteschlangen bilden. Genau in dieser Menschenmenge schlugen die Attentäter zu. Und konnten im Chaos dennoch ins Gebäude gelangen.
Ben-Gurion: Der sicherste Flughafen der Welt
Checkpoints bereits auf den Zufahrten sind nur dann sinnvoll, wenn die Fahrzeuginsassen dort auch kontrolliert werden. An Standorten mit hohem Passagieraufkommen ist das wegen der drohenden Staus kaum praktikabel. Kontrollen wie am Ben-Gurion-Flughafen in Israel, der als sicherster Airport der Welt gilt, lehnen die meisten anderen Staaten ab. Dort rät die Luftverkehrsgesellschaft El Al ihren Passagieren, bereits vier Stunden vor dem Abflug anzureisen. Denn nach mehreren Kontrollstellen werden die Reisenden einer detaillierten Befragung unterzogen und müssen sich im Verdachtsfall auch schon einmal nackt ausziehen. Über den Umfang der „Behandlung“ entscheidet unter anderem die Herkunft. Ein solches „Racial Profiling“ ist in Deutschland und vielen anderen Ländern verboten.
Dagegen haben Bundes- und Länderpolizei hier in den öffentlichen Bereichen der Flughäfen die Videoüberwachung sowie die Präsenz von Beamten in Uniform und Zivil verstärkt. Diese sind darauf geschult, das Verhalten der Personen zu beobachten. Wer beispielsweise besonders nervös wirkt oder so durch das Terminal läuft, als wolle er etwas auskundschaften, macht sich verdächtig und muss mit einer gezielten Überprüfung rechnen.
Während aktuell mehr als 5000 Bundespolizisten an 15 deutschen Verkehrsflughäfen im Einsatz sind, werden die Passagierkontrollen als „Achillesferse der Luftsicherheit“ privaten Sicherheitsfirmen anvertraut, sagt Jörg Radek. Deren Personal ist oft mangelhaft ausgebildet und unterliegt einer hohen Fluktuation, beklagt der Vorsitzende der Bundespolizei-Sektion der Gewerkschaft der Polizei (GdP).
Wiederholt sind bei Tests Mängel offenkundig geworden. So gelang es EU-Inspektoren Ende 2014 in Frankfurt und in diesem Februar in Köln/Bonn, Waffen durch die Kontrollen zu schmuggeln. Und in Köln/Bonn schafften es in diesem Jahr bereits zweimal Personen, unkontrolliert in den Sicherheitsbereich zu gelangen, was jeweils zur Räumung des Terminals führte.
Europäisches Anti-Terror-Zentrum gefordert
Die GdP fordert deshalb den Aufbau einer Körperschaft öffentlichen Rechts, von der die Kontrollen unter Aufsicht der Bundespolizei übernommen werden. „Die Luftsicherheit ist eine hoheitliche Aufgabe und die potenziell hohen Sicherheitsrisiken sind jedem bekannt“, so Radek. „Es müssen keine Beamten sein, die dort eingesetzt werden, aber die Aufgabe gehört wieder in staatliche Hand.“
Die beste Prävention versprechen sich die meisten Experten durch eine verbesserte Aufklärung terroristischer Aktivitäten, um Anschläge zu verhindern. So hat sich EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc für einen verbesserten Informationsfluss zwischen nationalen Sicherheitsbehörden, Flughäfen und Fluggesellschaften ausgesprochen.
„Die tatsächliche Herausforderung ist, Terroristen zu stoppen, bevor sie einen Flughafen oder einen anderen öffentlichen Raum erreichen“, so auch ACI-Europachef Olivier Jankovec. „Ich kann es nicht oft genug wiederholen, eine bessere Aufklärung sowie ein effektiverer Informationsaustausch und eine effektivere Kooperation zwischen den zuständigen öffentlichen Behörden muss die höchste Priorität bekommen.“ Für den GdP-Bundesvorsitzenden Oliver Malchow ist es an der Zeit, nationale Interessen hinter die Notwendigkeit einer internationalen Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus zurückzustellen. „Ein europäisches Anti-Terror-Zentrum halte ich für sinnvoll“, sagt ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel.