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Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr erhalten mitunter vom Reservistenverband Unterstützung, damit sie keine Überstunden machen müssen.
© dpa

Bundeswehr: Wie Roderich Kiesewetter den Reservistenverband umkrempeln will

Ob Ebola-Einsatz oder stille Stütze der Aktiven: Roderich Kiesewetter will den Reservistenverband der Bundeswehr umkrempeln – um der gesamten Gesellschaft zu nutzen.

Ebola war der Ernstfall. Die Welt hatte die Katastrophe in Westafrika ignoriert, die Politik pennte, bis ein Brief der liberianischen Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf Amerikaner und Europäer aufschreckte. In der Bundesregierung brach Hektik aus – sofort helfen, bloß mit wem? Damals waren Roderich Kiesewetter und seine Truppe die Rettung. Der Reservistenverband warf den Mail-Verteiler an. Binnen 24 Stunden stapelten sich 400 Freiwilligenmeldungen in der Bonner Bundesgeschäftsstelle. Gut 50 Ex-Soldatinnen und Soldaten zogen danach in den Kampf gegen die tückische Tropenseuche. Für den Reservistenverband war der Noteinsatz die Feuertaufe. Wenn es nach seinem Vorsitzenden geht, war das erst der Anfang. Roderich Kiesewetter will die Reservisten zum Vorbild eines ehrenamtlichen Engagements machen, das weit über Not- und Katastropheneinsätze hinausgeht.

Roderich Kiesewetter leitet den Reservistenverband seit 2011

Der Schwabe, Jahrgang 1963 und Major a.D., sitzt seit 2009 für die CDU im Bundestag. Als Offizier war er unter anderem auf dem Balkan, im Verteidigungsministerium und bei der Nato. Die Laufbahn wirkt nach. Der Christdemokrat gilt selbst bei der Opposition als ungewöhnlich sortierter Typ. Den Ehemaligenverband leitet er als Präsident seit 2011. Die Kombination aus Ex-Soldat, Verbandschef und MdB hat seit den 90er Jahren Tradition. Sie ist praktisch. Der Verband wird vom Parlament finanziert, derzeit mit 15, demnächst mit 16 Millionen Euro im Jahr. Kiesewetter kommt von der Ostalb, also aus Baden-Württemberg wie der Finanzminister. Praktisch, wie gesagt.

Bis zur Ebolakrise wurde die Ehemaligentruppe wenig beachtet. Jahrzehntelang hing ihr das Image eines bierdunstigen Herrenvereins an, der den Mitgliedern Lagerfeuerromantik auf dem Truppenübungsplatz bot und den Waffennarren unter ihnen Schießübungen. Das Desinteresse reichte bis in die aktive Truppe. „Die Streitkräfte sind intensiv mit sich selbst beschäftigt und brauchten bisher die Reserve nicht“, sagt Kiesewetter. Zwar hatte 2012 der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière eine neue „Konzeption der Reserve“ erlassen, die die alte von 2003 ablöste. Doch der erste Satz des Papiers – „Die Reserve bleibt unverzichtbar für die Sicherheitsvorsorge Deutschlands“ – war noch jahrelang bloß Theorie.

Die Krisen kommen dicht auf dicht: Kriege in Afrika, Ukraine, Flüchtlingsnot

Langsam aber erweist sich, dass das „unverzichtbar“ mehr ist als eine wohlfeile Formel. Das hat mit dem Ende der Wehrpflicht zu tun, der jüngsten Bundeswehrreform, aber auch der veränderten Sicherheitslage, die Landes- und Bündnisverteidigung wieder auf die Agenda setzt. „Wir sind nicht mehr nur von Freunden und Partnern umzingelt, wie man lange glaubte“, sagt Kiesewetter. Die Krisen kommen obendrein dicht auf dicht – Krieg in Afrika, Krieg in der Ukraine und Nahost, Flüchtlingsnot im Meer. Und dann auch noch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf! Klingt banal angesichts der Weltgeschichte, ist aber für das praktische Soldatenleben genauso wichtig wie für die Attraktivität der Ex-Wehrpflichtarmee in der Nachwuchswerbung. Die Reserve wird da immer öfter zur stillen Stütze der Aktiven, vor allem – wenn auch nicht nur – an der Heimatfront. Mancher pensionierte Soldat springt stundenweise ein, damit der junge Nachfolger und Familienvater keine Überstunden leisten muss – was er nach EU-Arbeitszeitrichtlinie ja auch gar nicht mehr so ohne Weiteres dürfte. „Wir müssen da wirklich umdenken“, sagt Kiesewetter. Noch gibt es 1,2 Millionen Ex-Soldaten, die theoretisch zum Reservedienst fähig wären. (...)

Der vollständige Text findet sich in der "Agenda" vom 16. Juni 2015 - einer Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

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