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Uran-Anreicherung: Wie nah ist der Iran an der Atombombe?

Der Iran hat die Zahl seiner Uran-Zentrifugen verdoppelt. Wie wirkt sich dieser Fakt aus?

Mitten hinein in den Gipfel der Blockfreien Staaten in Teheran platzte am Donnerstagabend die Nachricht, dass der Iran die Zahl seiner Uran-Zentrifugen in einem unterirdischen Atomkomplex mehr als verdoppelt hat.

Wie sind die neuen Erkenntnisse der IAEO zu bewerten?

Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) dokumentiert einen massiven Ausbau des iranischen Atomprogramms, und sie spricht unumwunden von einer „möglichen militärischen Dimension“ der nuklearen Aktivitäten. Nach den Recherchen der Inspekteure verdoppelten die Iraner in der stark befestigten Anlage von Fordow die Zahl der Zentrifugen, die für die Urananreicherung benötigt werden von 1064 Mitte Mai auf 2140 Mitte August. Hoch angereichertes Uran dient dem Bau von Atomwaffen. Mit dem Ausbau von Fordow stoßen die Iraner die fünf Vetomächte und Deutschland vor den Kopf: Sie forderten vom Iran, den gesamten Fordow-Komplex als eine vertrauensbildende Maßnahme zu schließen. Zudem halten die IAEO-Inspekteure fest, dass die Iraner die Produktion von höher angereichertem Uran stetig fortsetzen – trotz eines Verbots dieser Aktivitäten durch den UN-Sicherheitsrat. Auch arbeiten die Iraner weiter an dem Schwerwasserreaktor in Arak; dieser Reaktor könnte atomwaffenfähiges Plutonium liefern. Kopfzerbrechen bereiten der IAEO ebenso die verdeckten Operationen in dem Militärkomplex Parchin; die Inspekteure verdächtigen den Iran, in Parchin Tests für den Atomwaffengebrauch durchzuführen. Die IAEO verlangte schon mehrmals Zugang zu dem abgeschotteten Gelände – ohne Erfolg.

Wie nah ist der Iran an der Produktion einer Atombombe?

Nach Meinung deutscher Experten ist der Iran auch nach den neuesten Befunden noch längst nicht am Ende des Wegs zu einer Atombombe angekommen. Zwar arbeite sich das Land „quasi täglich näher an die Bombenoption heran“, da es die Urananreicherung kontinuierlich fortsetze, meint Oliver Thränert vom Center for Security Studies (CSS) in Zürich: „Allerdings fehlen zugleich noch wichtige Schritte wie die Anreicherung auf mehr als 80 Prozent oder die Vollendung eines Sprengkopfdesigns.“ Denn um eine Nuklearwaffe am Ort ihres Einsatzes zu zünden, bräuchte der Iran nicht nur Trägerraketen, sondern auch entsprechende Sprengköpfe.

Steigt jetzt die Wahrscheinlichkeit eines israelischen Präventivschlags?

Welche Strategie verfolgt der Iran?

Irans Außenminister Ali Akbar Salehi weiß, dass sein Land vor einem diplomatischen Scherbenhaufen steht. In einer ersten Stellungnahme wies der Chefdiplomat die Vorwürfe der IAEO pauschal als haltlos zurück. Man könne einen Standort nicht völlig von Nuklearmaterial reinigen, das wisse jeder, der technische Ahnung habe, sagte er. Gleichzeitig setzte er seinen Atom-Unterhändler Saeed Jalili wieder in Richtung Europa in Marsch. Er soll schon in den „kommenden Tagen“ mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton Gespräche führen. Damit setzt die Islamische Republik einmal mehr auf ihre üblichen Rezepte – eine weitere, wolkige Runde im diplomatischen Katz- und-Maus-Spiel um das Atomprogramm. Seine Unterhändler deuten Zugeständnisse an, um sie alsbald wieder zurückzuziehen. Die Gespräche mit den fünf UN-Vetomächten und Deutschland wird der unbeirrte Ausbau allerdings belasten. Das sagten UN-Diplomaten am Freitag dem Tagesspiegel. Teheran zeige offensichtlich keinen guten Willen, um den Atomstreit zu lösen. Der Bericht der IAEO lasse keinen anderen Schluss zu.

Steigt damit die Wahrscheinlichkeit eines israelischen Präventivschlags?

Dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu, der beständig vor der vom Iran ausgehenden Gefahr warnt, spielen die neuen Erkenntnisse der Atomenergiebehörde in die Hände. Deshalb will er Ende September auch das Podium der Vollversammlung der Vereinten Nationen nutzen, um den Iran als „größte Gefahr für den Weltfrieden“ zu brandmarken, wie sein Büro jetzt mitteilte. Gleichzeitig aber wächst der Druck auf Netanjahu, den Iran nicht anzugreifen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihm, wie jetzt bekannt wurde, telefonisch ihre Meinung kundgetan. Die Kanzlerin habe sich höchst beunruhigt über mögliche Folgen einer israelischen Attacke gegen die Atomrüstungsanlagen im Iran zum gegenwärtigen Zeitpunkt geäußert. Die bisherigen Sanktionen gegen den Iran zeigten zudem deutliche Wirkung, weshalb es darum gehe, diese noch zu verschärfen. Auch die Obama-Administration will mit allen Mitteln verhindern, dass Israel noch vor den amerikanischen Wahlen am 6. November den Iran attackiert.

Martin Gehlen, Charles A. Landsmann, Hans Monath

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