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Die Wahl von Donald Trump zum nächsten US-Präsidenten hat auf der europäischen Seite des Atlantiks Unruhe und Hektik ausgelöst.
© Reuters/Carlo Allegri

Republikaner im Weißen Haus: Wie muss die europäische Politik auf Trump reagieren?

Der neue US-Präsident könnte die internationalen Beziehungen grundlegend verändern. Fünf Thesen, mit denen sich Forschung und Politik nun befassen müssen.

Die Wahl des Republikaners Donald Trump zum Präsidenten der USA wirft zu Recht besorgte Fragen danach auf, wie die neue US-Regierung mit internationalen Krisen und Konflikten umgehen wird, die sie gewissermaßen erbt – mit dem Krieg in Syrien, dem Konflikt in der Ukraine, den Spannungen im südchinesischen Meer, den Provokationen Nordkoreas oder dem Kampf gegen terroristische Gruppen. Deutsche und europäische Politik und nicht zuletzt eine politikorientierte Forschung müssen sich aber gleichzeitig mit den tieferen Wirkungen des Wechsels im Weißen Haus auf die internationalen Beziehungen beschäftigen. Hier sind fünf erste Thesen dazu, die noch intensiverer Analyse bedürfen.

Niederlage des Liberalismus

Die Wahl Donald Trumps bedeutet eine Niederlage des Liberalismus‘ und damit der normativen Grundlage des Westens. Liberale Werte, wie Bundeskanzlerin Merkel sie in ihrer Glückwunschbotschaft an den gewählten Präsidenten betont hat, sind in der Defensive – zunächst einmal in den USA selbst. Auch werden Autokraten und Anhänger unterschiedlicher Formen illiberaler Demokratie, wie Putin, Erdoğan oder Orban, sich ermutigt oder bestätigt fühlen, während es innerhalb der EU großer Anstrengungen bedürfen wird, Angriffe auf liberale und demokratische Grundwerte abzuwehren. Auswirkungen auf die Außenbeziehungen europäischer Staaten werden nicht ausbleiben. Zwar hat man in Europa wenig für »End-of-History«-Thesen übrig, gleichwohl hat europäische wie amerikanische Politik stillschweigend oder explizit darauf gebaut, dass sich liberaldemokratische Staats- und Gesellschaftsmodelle nach und nach durchsetzen werden. International werden die EU-Staaten sich wohl häufiger mit dem Argument auseinandersetzen müssen, dass ihre Form der liberalen Demokratie nur ein akzeptables Governance-Modell unter vielen darstellt. Das kann sich auch auf internationale Bemühungen um die Stabilisierung oder Wiederherstellung gefährdeter oder gescheiterter Staaten auswirken.

Personalisierte Politik

Der Stil der Politik wird sich mit dem Wechsel an der Spitze des mächtigsten Landes der Erde auch international verändern. Personalisierte, charismatische oder populistische Formen der Politik werden Auftrieb erhalten – zu Lasten eines analytisch-faktenorientierten Stils, wie nicht zuletzt Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Obama ihn vertreten. Man könnte von einer Berlusconisierung der Politik sprechen; nur beeinflusst ein US-Präsident internationale Trends eben sehr viel stärker, als ein italienischer Ministerpräsident dies je könnte. Eine extreme Personalisierung der Politik könnte die ohnehin gewachsene Bedeutung von Gipfeltreffen im Rahmen der G7 und G20 weiter erhöhen; mit einer noch stärkeren Tendenz, internationale Beziehungen als das Spielfeld starker Führer starker Staaten zu inszenieren. Der erste G20-Gipfel, an dem Donald Trump teilnimmt, findet kommenden Sommer in Hamburg statt.

Bilaterale Deals statt Multilateralismus

Eine von Donald Trump geführte US-Regierung wird auch in den internationalen Beziehungen auf bilaterale Deals anstatt auf Multilateralismus setzen. Im Einzelfall mag das helfen, kurzfristig bestimmte Krisen zu entspannen. So ist es denkbar, dass die Präsidenten Putin und Trump rasch Einigkeit über das Vorgehen in Syrien finden. Schlecht ist eine auf direktes Quid-pro-Quo gerichtete Politik für alle langfristigen, verrechtlichten Bindungen, also für multilaterale Regime in so unterschiedlichen Bereichen wie Handel, Umwelt, Klima, Nachhaltigkeit oder Rüstungskontrolle, und für das UN-System insgesamt.

Rückzug der USA

Insgesamt geht die Tendenz des gewählten Präsidentschaftskandidaten dahin, die Rolle der USA als liberalem Hegemon, der die Führung bei der Aufrechterhaltung einer offenen, auf freien Austausch und freie Wahl der außenpolitischen Orientierung gerichteten Ordnung der Welt übernimmt, ganz oder teilweise aufzugeben und amerikanisch geführte Allianzen in Frage zu stellen. Donald Trump scheint stattdessen bereit zu sein, eine Aufteilung der Welt in Einflusszonen zu akzeptieren – ein Modell von Weltordnung also, wie es zuletzt bei der Konferenz von Jalta 1945 zum Ausdruck gekommen ist. Damit wären weniger amerikanische Interventionen in anderen Teilen der Welt zu erwarten, aber auch weniger Einflussnahme auf Staaten, die bisher nicht zuletzt durch amerikanische Sicherheitsversprechen von gefährlichen Alleingängen abgehalten worden sind. Potentielle Ordnungsstörer werden rasch zu testen versuchen, ob und wie die USA oder andere Mächte bereit sind, zentrale Elemente der gegenwärtigen Ordnung zu verteidigen. Die Reaktion von Staaten in geopolitischen Bruchzonen, die sich bislang auf amerikanische Sicherheitsgarantien verlassen haben – man denke an so unterschiedliche Länder wie Japan, Saudi-Arabien oder die Ukraine – ist nicht eindeutig vorhersehbar. Die Stärkung eigener Abschreckungsfähigkeiten ist genauso denkbar wie eine Politik des Appeasement gegenüber größeren Regionalmächten.

Europas Handlungsfähigkeit

Vielleicht wird Präsident Trump trotz seines »America first«-Anspruchs letztlich doch die Vorteile einer festen transatlantischen Allianz erkennen. Die europäischen Verbündeten wie auch amerikanische Militärs und Diplomaten werden ihm nahezubringen versuchen, dass sich die Größe Amerikas, die ihm so wichtig ist, auch an der Zahl seiner Freunde bemisst und dass Allianzen Einfluss verschaffen. Um Trump vom Wert der Allianz mit ihnen zu überzeugen, müssen die Staaten der EU das Gleiche tun, was sie auf den Weg bringen müssen, wenn eben dies nicht gelingt: Sie müssen ihre eigene sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit stärken, ihre eigenen strategischen Interessen definieren und gemeinsam außenpolitische Prioritäten setzen. Dies gilt nicht nur mit Blick auf die USA, sondern in mindestens gleichem Maße mit Blick auf die eigenen Bürger: Nur wenn diesen klar wird, dass Europa für sie da ist – dass es einen Mehrwert bei so zentralen Themen wie äußerer und innerer Sicherheit und Arbeitsplätzen schafft – werden sich ähnliche Wahlergebnisse in der EU verhindern lassen. Deutschland wird, ob uns das gefällt oder nicht, hier eine noch sehr viel größere Rolle spielen müssen als bislang. Das galt schon nach dem Brexit-Votum und gilt erst recht nach den Präsidentschaftswahlen in den USA.

Prof. Dr. Volker Perthes ist Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Die Stiftung berät Bundestag und Bundesregierung in allen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Der Artikel erscheint auf der SWP-Homepage in der Rubrik "Kurz gesagt".

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