zum Hauptinhalt
Vor dem Kölner Hauptbahnhof warnt ein Schild vor Taschendieben.
© REUTERS

Übergriffe gegen Frauen in Köln: Wie konnte es so weit kommen?

Dutzende Frauen wurden in der Silvesternacht in Köln und Hamburg bedrängt, begrapscht und beklaut. Die Fakten und mögliche Konsequenzen in der Übersicht.

Junge Frauen werden plötzlich von einer Gruppe Männern umringt, begrapscht und bestohlen. So soll es sich in der Silvesternacht vor dem Kölner Hauptbahnhof zugetragen haben. Und nicht nur dort.

Was genau ist in Köln passiert?

Nach Polizeiangaben hatten sich am Silvesterabend auf dem Bahnhofsvorplatz etwa tausend junge Männer versammelt. Aus der Menge heraus bildeten sich demnach Gruppen, die Frauen umzingelten, bedrängten und ausraubten. Die sexuellen Angriffe sollen zu zweit und zu dritt, aber auch in Banden von bis zu 20 Mann verübt worden sein. Nach einer erste Darstellung der Polizei dienten die Attacken dem gezielten Ablenken von Diebstählen. „In einigen Fällen gingen die Männer jedoch weiter und berührten die meist von auswärts kommenden Frauen unsittlich“, hieß es. Polizeipräsident Wolfgang Albers sprach von Sexualdelikten in sehr massiver Form und einer Vergewaltigung.

Von „Horrorszenen“ sprach ein junger Kölner, der seine Freundin in der Silvesternacht über den Hauptbahnhof begleitete (sie selbst wollte sich nicht äußern). „Weinende Frauen nach zigfachen sexuellen Übergriffen, immer wieder Schlägereien und Polizeieinsätze“ und junge Männer, die Frauen behandelten „wie Freiwild“, habe er gesehen. Ihnen sei noch heftiger zugesetzt worden, wenn sie sich wehrten, was angesichts der Menge schwer gewesen sei. Er selbst und seine Freundin hielten sich an den Händen, „was leider nicht verhinderte, dass auch ihr immer wieder unter das Kleid gefasst wurde“.

Warum wurden die Vorfälle erst jetzt

öffentlich?

Am Neujahrsmorgen sprach die Polizei noch von einer friedlichen  Nacht. Die Sicherheitskräfte hätten hauptsächlich bei Körperverletzungsdelikten und Ruhestörungen eingreifen müssen. Erst am 2. Januar war dann von ersten Vorfällen die Rede, bei denen „Frauen Opfer von Übergriffen geworden sind“. Tätergruppen hätten das Getümmel rund um den Dom genutzt und Straftaten unterschiedlicher Deliktsbereiche begangen. Nach und nach meldeten sich dann immer mehr Frauen, die Vorfälle zur Anzeige brachten. Zunächst waren es 30 betroffene Frauen, die sich bei der Kölner und der Bundespolizei gemeldet hatten, bis zum Dienstagabend lagen schon 90 Anzeigen vor.

Wie werden die Täter beschrieben?

Nach den Aussagen der Zeuginnen, die die die Kölner Polizei zitierte, sahen die Angreifer in der Silvesternacht „nordafrikanisch“ aus. Augenzeugen berichteten in den sozialen Netzwerken auch davon, dass viele arabisch gesprochen hätten. Die meist jungen Täter waren nach Polizeiangaben keine Flüchtlinge. Die Polizei bildete eine eigene Ermittlungsgruppe. Von den Angriffen gibt es auch Videoaufnahmen über die zwischen Dom und Hauptbahnhof installierten Überwachungskameras.

Was war mit der Polizei?

Sie war auch nach Augenzeugenberichten anwesend – konnte die Angriffe aber nicht verhindern. Nach Polizeiangaben sollen alle verfügbaren Einsatzkräfte in der Nacht vor Ort gewesen sein – also rund um den Bahnhof etwa 210 Beamte. Der Vorsitzende der NRW-Grünen, Sven Lehmann, verlangte: „Aufgeklärt werden muss auch, warum die Polizei in Köln erneut von einer aggressiv auftretenden Menschenmenge derart überrascht wurde.“

Was bedeutet der Angriff für den

bevorstehenden Kölner Karneval?

Ende des Monats erwartet Köln eine Million Besucher. Kölns parteilose neue Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat angekündigt, dass besondere Vorkehrungen getroffen werden sollen, damit sich die Situation von Silvester nicht wiederholt. Sie sind auch von anderen Massenevents in Deutschland nicht unbekannt. In München haben das Jugendamt und drei soziale Organisationen bereits vor Jahren die Initiative „Sichere Wies’n für Mädchen und Frauen“ gegründet. Nach deren Schätzung werden im Umfeld des Oktoberfests jedes Jahr etwa 200 Frauen vergewaltigt, von denen nur ein Bruchteil aktenkundig wird.

Gab es an Silvester woanders ähnliche

Vorfälle?

Zu Übergriffen auf Frauen kam es offenbar auch in Hamburg. Nach bisherigen Erkenntnissen seien im Stadtteil St. Pauli in zehn Fällen junge Frauen angegrapscht und dann bestohlen worden, hieß es bei der Polizei. Die Opfer seien am Beatles-Platz und im Bereich der Großen Freiheit „im Gedränge zum Teil gleichzeitig von mehreren Männern in unterschiedlicher Gruppengröße mit südländischem oder arabischem Aussehen angegangen worden“. Die Täter hätten die Frauen im Alter von 18 bis 24 Jahren zunächst sexuell belästigt. Dann hätten die Opfer festgestellt, „dass ihnen Geldbörsen, Papiere, Bargeld und/oder Smartphones gestohlen worden waren“. Eine Verbindung zu den Taten in Köln konnten die Behörden bisher nicht erkennen.

Was weiß man über die Methode der Täter?

Es sei das erste Mal, dass solche Taten „so konzentriert und komprimiert“ in Hamburg geschehen seien, sagte ein Sprecher der Polizei dem Tagesspiegel. Das sogenannte „Antanzen“ von Personen bei Trickdiebstählen wird von Sicherheitsbehörden als eine Art Vorstufe zu den Vorfällen der Silvesternacht gesehen. Die Opfer, gleich welchen Geschlechts, würden von den Tätern mit gespielter Heiterkeit umringt und körperlich berührt, um vom Raub eines Handys oder Portemonnaies abzulenken, beschreibt ein Experte den „Modus operandi“ der Kriminellen. „Das ist seit vielen Jahren bekannt“, heißt es beim Bundeskriminalamt. Angetanzt würden Frauen und Männer zum Beispiel in Fußgängerzonen, im Umfeld von Diskotheken und bei Großveranstaltungen. Bei den Tätermilieus zeichne sich „ein Schwerpunkt bei Nordafrikanern“ ab, sagt das BKA. Bezüge zur Organisierten Kriminalität mit ihren professionellen Strukturen seien allerdings nicht bekannt. Doch es gebe bandenartige Gruppen, die mit der Methode Opfer beraubten.

Wie sieht es in Berlin aus?

Hier wurden nach Auskunft von Innensenator Frank Henkel (CDU) bislang keine sexuellen Übergriffe von Migranten auf Frauen in der Silvesternacht angezeigt. „Sollte es jedoch irgendwo zu ähnlichen Übergriffen gekommen sein, dann kann ich die Betroffenen nur dringend darum bitten, diese zur Anzeige zu bringen.“ Der Innensenator verurteilte die Übergriffe in scharfen Worten. „Kriminelle Sexbanden“ hätten eine „völlig enthemmte Treibjagd“ auf Frauen veranstaltet, sagte Henkel. Der Rechtsstaat müsse konsequent gegen die Täter vorgehen – in Deutschland dürfe es „keine No-go-Areas für Frauen“ geben. Henkel forderte in diesem Zusammenhang auch asylrechtliche Konsequenzen für die Täter. „Wer Frauen derart erniedrigt oder als Beute betrachtet, der kann kein Teil unserer Gesellschaft sein. Diese Täter gehören hart bestraft und dort, wo es geht, auch abgeschoben“, sagte Henkel.

Zur Startseite