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U.S.-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un am Dienstag in Singapur.
© imago/UPI Photo

Treffen zwischen Trump und Kim in Singapur: Wie in den USA auf das Ergebnis des Gipfels reagiert wird

Die Reaktionen auf das Abschlussdokument des Gipfels fallen in den USA vor allem kritisch aus, auch jene aus dem konservativen Lager. Manche Äußerungen sind sogar vernichtend.

Die Tinte war noch nicht trocken, da beugten sich schon Experten jeglicher Glaubensrichtung über das Dokument, um herauszufinden, was Donald Trump und Kim Jong Un bei ihrem mehrstündigen Vieraugengespräch eigentlich vereinbart hatten. So groß wie selten war die Ungewissheit, war doch der eigentlich übliche diplomatische Prozess im Vorfeld gelinde gesagt überschaubar. Worauf das Treffen hinauslaufen würde, war bis zum Beginn des historischen Gipfels des US-Präsidenten mit dem nordkoreanischen Machthaber am Dienstag in Singapur völlig unklar.

Nun haben sich Trump und Kim tatsächlich die Hand gereicht und feierlich gelobt, gemeinsam in Richtung Frieden marschieren zu wollen. "Wir sind bereit, ein neues Kapitel in den Beziehungen unserer Nationen aufzuschlagen", sagte Trump bei seiner anschließenden Pressekonferenz. "Die Konflikte der Vergangenheit müssen nicht die Kriege von morgen sein." Dass die Pressekonferenz mehr als eine Stunde dauerte, mag auch der Tatsache geschuldet sein, dass die "umfassende" (Trump) Vereinbarung gar nicht so umfassend ist – und sehr unterschiedlich interpretiert werden kann.

Das Thema Menschenrechte wird nicht erwähnt

Tatsächlich ist nicht jeder überzeugt, dass der Deal des US-Präsidenten mit Kim historisch ist. "Enttäuschend" nennt Bruce Klingner von der konservativen Heritage Foundation in Washington die Vereinbarung. "Die vier entscheidenden Punkte waren bereits in früheren Abkommen mit Nordkorea enthalten, manche sogar deutlicher und wegweisender", schreibt Klingner, der 20 Jahre lang für den US-Geheimdienst CIA in Korea tätig war, auf Twitter. Auch würden das Ziel der CVID (die vollständige, nachweisbare und unumkehrbare Denuklearisierung, eine Definition, bei der Washington immer betonte, dass jedes einzelne Wort enorm wichtig sei) und das Thema Menschenrechte nicht erwähnt.

Bei Trump klingt das dann so: Die Menschenrechtslage sei ausführlich besprochen worden, die Situation werde sich bestimmt bald bessern. Von Kim, der bei der Presseunterrichtung gar nicht mehr dabei ist, gibt es dazu nichts.

Worauf Trump ebenfalls nachträglich hinwies, ist, dass Nordkorea bereits mit der Zerstörung einer wichtigen Testanlage für Raketentriebwerke begonnen habe. Er sei sich sicher, dass Kim direkt nach seiner Rückkehr nach Nordkorea den Prozess starte, der sehr viel verändern werde. Im Gegenzug würden die USA die gemeinsamen Militärmanöver (Trump nennt sie "Kriegsspiele") mit Südkorea stoppen. Denn diese würden ohnehin nur "eine Menge Geld kosten" und den Norden provozieren. Auf die Frage, ob er Kim auch einen Truppenabzug aus Südkorea angeboten habe, sagte Trump, die 32.000 US-Soldaten im Land würden "irgendwann nach Hause gebracht, aber noch nicht jetzt". Auch die Sanktionen bleiben vorerst bestehen.

Die Übereinkunft greife vor allem frühere Aussagen auf

"Ziemlich vage" findet Richard Fontaine, Präsident des Center for a New American Security in Washington, das Abkommen. Es greife vor allem frühere Aussagen auf. "Es enthält keinen Zeitplan für die Denuklearisierung und keine Details, wie diese erreicht werden soll." Der Gipfel selbst sei zwar historisch, aber ob seine Ergebnisse von historischer Bedeutung seien, werde sich erst noch zeigen.

"Es ist der Anfang eines Prozesses, nicht dessen Ende." Sorgen macht Fontaine, dass Trump die Aussetzung der gemeinsamen Militärmanöver mit Südkorea angeboten hat – eine der Hauptforderungen Pjönjangs und Pekings –, aber dafür offenbar nichts bekommen habe. "Das ist hochproblematisch." Nun werde unter Führung von US-Außenminister Mike Pompeo weiterverhandelt. "Vieles ist weiter unklar", betont Fontaine.

Bernhard Seliger von der Hanns Seidel Stiftung in Seoul bezeichnet das Treffen von Trump und Kim als "Remake" des Gipfels von Südkoreas Präsident Moon Jae In mit Kim vor zwei Monaten: "Viel Symbolik, viele Gesten, aber (noch) keine klar erkennbaren Taten." Das Abschlussdokument sei "ernüchternd, vielleicht sogar enttäuschend". Denn: "Glasklare Signale für die Denuklearisierung Nordkoreas wie die Ausschiffung von Nuklearwaffen oder Raketen in Drittstaaten zur Verschrottung, wie sie im Fall Libyens in Anwendung kamen, gibt es nicht", sagt Seliger. Auch zur Frage der Zulassung internationaler Inspektionen, des Wiedereintritts Nordkoreas in den Nichtverbreitungsvertrag, zum Zeitplan für die Denuklearisierung finde sich in der Vereinbarung nichts. Immerhin gibt es nach dem Gipfel nun die Chance, dass die Details in weiteren Verhandlungen geklärt werden können.

Absprachen hat Nordkorea schon oft gebrochen

Zusagen hat Nordkorea allerdings schon oft gemacht – und oft gebrochen. Daran erinnert Ari Fleischer, Ex-Präsident George W. Bushs einstiger Sprecher. Die Nordkoreaner hätten schon in den Neunzigern versprochen, den Besitz von Atomwaffen nicht mehr anzustreben, schreibt Fleischer auf Twitter. "Sie hatten nie die Absicht, ihr Wort zu halten. Und dann haben sie es gebrochen."

Für den "New York Times"-Kolumnisten Nicholas Kristof steht fest: "Alles sieht danach aus, dass sich Präsident Trump in Singapur hinters Licht hat führen lassen." Trump habe unter anderem mit der angekündigten Aussetzung der Militärmanöver riesige Zugeständnisse gemacht – und im Gegenzug erstaunlich wenig rausgeholt, schreibt Kristof.

Kim habe lediglich die gleichen Zusagen zur Denuklearisierung gemacht, die Nordkorea seit 1992 wiederholt gegeben habe. Doch Trump scheine tatsächlich zu glauben, ein bemerkenswertes Abkommen geschlossen zu haben. Das sei "erschreckend". Frühere Verhandler hätten in ihren Vereinbarungen zumindest erreicht, dass die Plutoniumanreicherung Nordkoreas gestoppt und unter ein strenges Kontrollregime gestellt wurde. Immerhin, so gibt Kristof zu, sei es besser, Komplimente auszutauschen als Raketen.

Dass ein Abkommen und solche atmosphärischen Verbesserungen überhaupt möglich sind, hätte noch vor Kurzem kaum jemand geglaubt. "Vor wenigen Monaten marschierten Nordkorea und die USA auf einen Atomkrieg zu", kommentiert Korea-Experte S. Nathan Park auf CNN. Auch wenn das Abkommen hätte besser werden können, etwa bei der konkreten Umsetzung der Abrüstung, solle man nicht das große Bild aus den Augen verlieren.

Trump zumindest ist sich sicher, dass es mit Kim gut gehen wird: "Wir werden ein großartiges Verhältnis haben", sagte er über den Mann, von dem berichtet wird, dass er gleich mehrere Mitglieder seiner eigenen Familie umgebracht hat.

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