Gefährder in Deutschland: Wie die Überwachung mit Fußfesseln funktioniert
CDU und SPD fordern die elektronische Fußfessel für Gefährder. Für Straftäter gibt es sie schon. Täglich werden sie von Mitarbeitern einer Zentralstelle überwacht. In einem kleinen Ort in Hessen.
Sie wiegt 180 Gramm, ist etwa so groß wie ein Smartphone und sendet alle 15 Minuten ein GPS-Signal. Die elektronische Fußfessel. Sie ist jetzt schon im Einsatz in Deutschland, 88 Menschen tragen sie in diesem Moment. Und die gesendeten GPS-Signale landen alle an einem Ort: der IT-Stelle des Justizministeriums in Hessen.
Hier ist die Gemeinsame elektronische Überwachungsstelle der Länder – kurz GÜL – angesiedelt. Per Staatsvertrag haben sich alle Bundesländer an der Überwachung beteiligt. Die Mitarbeiter hier beobachten an den Rechnern, ob sich die Träger der Fußfesseln an die Regeln halten. Sie müssen die Fußfessel immer tragen, müssen die Akkus selbst laden und dürfen vor allem eines nicht: in die Verbotszonen gehen. Tun sie es doch, schlägt es in Bad Vilbel, einem kleinen Ort nahe Frankfurt am Main, Alarm.
"Wir überwachen diese Menschen jetzt schon"
Im Justizministerium in Wiesbaden wartet man nur darauf, die Fußfessel auch zur Überwachung der sogenannten Gefährder, wie sie Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizminister Heiko Maas (SPD) fordern, einsetzen zu können. „Die Diskussion so zu führen, als ob wir plötzlich Menschen überwachen, die wir vorher nicht überwacht haben, ist falsch. Wir überwachen diese Menschen jetzt schon“, sagt René Brosius, Jurist und Sprecher des Ministeriums.
Er verweist auf den Paragrafen 56 Aufenthaltsgesetz. Der heißt „Überwachung ausgewiesener Ausländer aus Gründen der inneren Sicherheit“. Die Technik verbessere letztlich nur die Möglichkeiten der Überwachung. Ein Ausländer, der abgeschoben werden soll, muss sich schon jetzt regelmäßig bei der Polizei melden und darf bestimmte Orte nicht verlassen. Das sei vergleichbar mit den Pflichten der Fußfesselträger.
Am ersten Januar 2012 nahm die GÜL ihre Arbeit auf. Vergangene Woche bilanzierte Eva Kühne- Hörmann (CDU), Justizministerin in Hessen, erfolgreiche fünf Jahre. Sie setzt sich dafür ein, die Technik auszuweiten. Die Vorschläge der Bundesminister begrüßt sie und schätzt, dass der Einsatz bei Gefährdern die Anzahl der überwachten Personen in Deutschland verdoppeln würde. „Dies wäre technisch jederzeit realisierbar“, sagt Kühne-Hörmann.
Noch darf die Fußfessel nur in seltenen Fällen angeordnet werden
Hessen ist ein Schlüsselland in Sachen Fußfessel. Schon im Juni 2015 hat auf Initiative des Bundeslandes eine Arbeitsgruppe der Konferenz der Justizminister Erweiterungsmöglichkeiten untersucht. Es ging dabei um verschiedene Fallgruppen, bei denen die Technik eingesetzt werden könnte, etwa Hooligans mit Stadionverbot oder Rechtsextremisten, die nicht in die Nähe von Flüchtlingsunterkünften dürfen.
Noch ist die Fußfessel nur in sehr engen Grenzen im Rahmen der Führungsaufsicht einsetzbar. Nämlich nur dann, wenn eine Freiheitsstrafe wegen schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten vollständig verbüßt wurde und die Gefahr besteht, dass die Person weitere ähnliche Straftaten begehen wird. Das Gericht kann die Fußfessel für maximal fünf Jahre anordnen. Derzeit ist es deshalb noch nicht per se möglich, verurteilte Extremisten nach der Haft mittels einer elektronischen Aufenthaltsüberwachung zu kontrollieren. Die Haftstrafen sind meist zu kurz, häufig werden Inhaftierte auch wegen guter Führung verfrüht entlassen.
Nähert sich der Überwachte einer Verbotszone, schlägt es Alarm
Die meisten der derzeit 88 Überwachten sind Sexualstraftäter. Das Gericht, das die Fußfessel anordnet, legt gleichzeitig Verbotszonen fest, die die Träger nicht mehr betreten dürfen. „Lebt das Opfer beispielsweise in Prenzlauer Berg, wird ganz Berlin zur Verbotszone“, sagt Brosius. Die GÜL arbeitet mit privaten Sicherheitsunternehmen zusammen, sie legen gemeinsam mit der Polizei die Fußfessel an und schalten sie scharf.
Nimmt der Träger die Fessel ab, ist sie zerstört – dann schlägt es in der GÜL-Zentrale Alarm. Die Mitarbeiter, die 24 Stunden, sieben Tage die Woche in Bad Vilbel vor ihren Computern sitzen, sehen sofort, bei welchem Kandidaten etwas nicht stimmt. Sie öffnen die elektronische Akte und beginnen mit der Echtzeit- Überwachung – die wird aus Datenschutzgründen nicht dauerhaft durchgeführt.
Für jeden Überwachten gibt es ein fest vorgeschriebenes Handlungsprotokoll. Meist nehmen sie zunächst telefonischen Kontakt auf, bei den besonders Gefährlichen greift die Polizei sofort zu – bundesweit. Das militärische GPS-Netz ist auf zwei Meter genau, auf der Karte an den Computern erscheint ein roter Alarmpunkt, der den Standort anzeigt. Grüne Pfeile zeichnen die Bewegungen des Überwachten nach und registrieren seine Geschwindigkeit.
Für Gefährder sind Flughäfen, Bahnhöfe oder nach dem Berliner Anschlag auch Weihnachtsmärkte als Verbotszonen im Gespräch. Dass die GÜL in Hessen dann auch für deren Überwachung zuständig wäre, ist laut Brosius wahrscheinlich. „Wir sind die einzige Stelle dieser Art, die es bundesweit gibt.“ Inwieweit der Staatsvertrag diese Möglichkeit vorsieht, prüfen die Hessen derzeit rechtlich. Politisch haben sie es schon entschieden.