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Wasserprivatisierung im Monopoly
© Stefanie Jost

Europoly - Wasserprivatisierung in der EU: Wie die Troika in den Krisenländern Wasser zu Geld macht

In den Krisenstaaten Europas wird ein gigantisches Monopoly um Staatsbesitz gespielt. Dabei treiben die Kreditgeber auch die Privatisierung von Wasserwerken voran - obwohl die EU dazu offiziell eine neutrale Haltung einnimmt. Ein Lagebericht aus Griechenland und Portugal.

Diese Reportage ist Teil des Multimediadossiers "Europoly - Privatisierung unter der Troika" über die Folgen der Notverkäufe in den EU-Krisenstaaten. Zum Dossier geht es hier.

Er, der die ganzen letzten Wochen in einer Tour auf Menschen eingeredet hat, kann es gar nicht fassen. Kostas Marioglou ist sprachlos. Es ist der 18. Mai 2014 und 213000 Einwohner von Thessaloniki haben gegen die Privatisierung des Wasserwerks gestimmt. Das ist bei einer Wahlbeteiligung von etwa vierzig Prozent eine fast einstimmige Entscheidung für Nein. Marioglou hat gewonnen.

Dabei sah es nur wenige Tage zuvor gar nicht gut aus: Allein saß Marioglou im Gemeindezentrum eines Arbeiterbezirks von Thessaloniki. Neben sich aufgebaut hatte er einen Beamer, sogar Mikrofone hatte er mit hier hoch auf die Hügel über der Stadt gebracht, falls es im Publikum so laut werden sollte, dass sonst niemand mehr etwas versteht. Doch am Ende kamen nur fünf Leute. Und die wollten eigentlich auch nur schnell ein paar Flugblätter einstecken und weiter. Marioglou drückte auf den Ausschaltknopf des Beamers und fragte leise: „Wie soll ich die Leute nur dazu bewegen, sich zu engagieren?“

Marioglou kämpft schon lange gegen die Wasserprivatisierung in seiner Heimatstadt. Er hat Plakate geklebt und an Straßenständen versucht, andere zu überzeugen. Dass ein Verkauf des Wasserwerks keine Arbeitsplätze bringen sondern viele kosten werde, dass die Wasserpreise steigen würden und die Qualität schlechter werde. Denn beim Europoly gilt ebenso wie beim klassischen Monopoly: Wenn das Wasserwerk erstmal verkauft ist, muss der Staat für die Benutzung zahlen. Jedes Mal, wenn er das Feld betritt. Marioglou hat Beispiele für verunglückte Verkäufe gebracht aus Frankreich, London und Berlin. Er war mal Gewerkschaftsvorsitzender der EYATH, dem Wasserwerk von Thessaloniki. Der Staat besitzt 74 Prozent der Anteile, 51 Prozent will er verkaufen. Irgendwann hat Marioglou dann sogar eine Initiative gegründet, mit der er das Wasserwerk selbst kaufen will.

Marioglous „Bewegung 136“ hat ausgerechnet, dass jeder Anschluss in Thessaloniki 136 Euro zahlen müsste, um gemeinsam das Wasserwerk zu kaufen und als Genossenschaft zu betreiben. Doch die Mobilisierung verlief schleppend, denn die Wasserprivatisierung ist in der griechischen Bevölkerung kein so empfindliches Thema wie in anderen EU-Ländern. Der Wasserpreis ist einer der niedrigsten in ganz Europa. Der Treuhandfonds hat die Bewegung dann vom Bieterverfahren ausgeschlossen, Favorit für den Verkauf soll das französische Unternehmen GDF Suez sein, das schon heute etwa fünf Prozent des Werks besitzen. Für den französischen Konzern gilt in diesem Spiel: je mehr Werke, desto größer der Profit. Auch am Athener Wasserwerk soll einer der größten Wasserkonzerne Europas interessiert sein.

Irgendwie haben Marioglou und seine Kollegen es dann doch geschafft, die Menschen zur Abstimmung zu bewegen. Und einige Monate nach dem gewonnenen Referendum stehen die Chancen für die Anti-Privatisierer gut: Die griechische Regierung hat das Referendum zwar wie angekündigt nicht anerkannt. Doch das oberste griechische Gericht des Landes hat kurz darauf entschieden, dass die Übertragung der Anteile des größten Wasserwerks des Landes in Athen (EYDAP) an den Treuhandfonds nicht rechtens war. Die Entscheidung zur Privatisierung „gefährde die öffentliche Gesundheit“, begründeten die Richter ihr Urteil. Der Staat erhält seine Anteile vom Fonds zurück. Die Situation in Athen ist ähnlich wie die in Thessaloniki, auch wenn die Vorbereitungen zur Privatisierung hier noch nicht so weit vorangeschritten sind. Die Suche nach einem potentiellen Käufer der Staatsanteile liegt seitdem offiziell auf Eis – auch in Thessaloniki.

In Portugal sind die griechischen Ängste vor teurem Wasser schon Realität

Was passieren kann, wenn die Privatisierung durchgesetzt wird, das könnten die Einwohner von Thessaloniki von portugiesischen Gemeinden lernen. Hier ist das System etwas anders geregelt als in Griechenland. Auf kommunaler Ebene können Gemeinden schon jetzt Verträge mit privaten Firmen schließen, wenn es um die reine Verteilung des Wassers geht. Die Aufbereitung ist dagegen in Staatshand – zumindest noch. Der Staatskonzern „Aguas de Portugal“ steht zwar nicht direkt auf der Troika-Privatisierungsliste, soll aber neu strukturiert werden und die Möglichkeit haben, „Lizenzverträge mit privaten Unternehmen zu schließen“. So beschreibt es eine PR-Frau des Unternehmens. Der Konzern bliebe also staatlich, die Werke würden aber faktisch von Privatunternehmen betrieben.

Miguel Costa Gomes will das unbedingt verhindern, deshalb ist der Bürgermeister der kleinen Gemeinde Barcelos aus dem Norden des Landes extra nach Lissabon gereist. Er sei kein Linker, bitte, das sei ihm wichtig, sagt er beim Treffen in einer schicken Hotellobby, er sei selbst Unternehmer. Aber das mit der heimlichen Wasserprivatisierung, das sei schrecklich. Seine Heimatgemeinde habe unter seinem Vorgänger einen Vertrag mit einem privaten Wasserkonzern geschlossen. Obwohl seine Bürger seit Jahren im Schnitt 68 Liter Wasser pro Tag verbrauchen, garantierten die Verträge von damals einen Durchschnittsverbrauch von bis zu 165 Litern pro Tag. „Keine Ahnung, wie jemand so eine Zahl in den Vertrag schreiben konnte“, schimpft Costa Gomes heute. Er würde den Vertrag gerne auflösen, doch offiziell schuldet Barcelos dem Unternehmen nun 165 Millionen Euro.

Der Bürgermeister von Barcelos trifft in Lissabon auf seinen Kollegen aus Pacos de Ferreira, einer Gemeinde, die nur eine halbe Stunde von Barcelos entfernt liegt. Humberto Brito hat einen Termin vor Gericht. Er will seinen Ort aus einem Wasservertrag herausklagen, denn zum Zurückkaufen fehlt auch hier das Geld. Die Wasserpreise in seiner Gemeinde sind in den vergangenen sechs Jahren um 400 Prozent gestiegen – ganz als hätten sich die Betreiber direkt am Monopolyspiel orientiert: Wer hier auf dem Wasserwerk landet, muss das Vierfache der gewürfelten Summe zahlen. Brito war früher Anführer der lokalen Anti-Privatisierungskampagne, dann wählten ihn die Leute zum Bürgermeister. Sie müssen fast 20 Prozent ihres Einkommens für Wasser ausgeben, klagen sie öffentlich.

„Das kann auf alle Portugiesen zukommen, wenn wir die Privatisierung nicht stoppen“, warnt Miguel Costa Gomes. Er verstehe nicht, dass die Wasserprivatisierung in den Krisenländern durchgedrückt werde, obwohl sie doch in Europa sonst so umstritten sei. Und was sagt die Kommission? Die hält sich offiziell raus. „Es gibt keinen Druck seitens der EU, auch nicht in Programm-Ländern, den Wassersektor zu privatisieren. Die Kommission nimmt eine neutrale Haltung ein“, sagt ein Kommissionssprecher. Allerdings heißt es im Revisionsbericht der Troika zu Portugal: Es werde erwogen, „Wasseraktivitäten privatem Kapital und Management zu öffnen“. In Griechenland hat die Troika vorsorglich bereits begonnen, eine Regulierungsbehörde aufzubauen, die ein privates Management der Wasserwerke überwachen soll.

Diese Reportage ist Teil des Multimediadossiers "Europoly - Privatisierung unter der Troika" über die Folgen der Notverkäufe in den EU-Krisenstaaten. Zum Dossier geht es hier.

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