Neue Koalition am Golf: Wie der Iran die USA mit einem geschickten Zug ausmanövriert
Die Führung in Teheran ist mit einer diplomatischen Initiative vorgeprescht, sie sucht Verbündete in der Region. Die USA könnten ins Hintertreffen geraten.
Mit einer gehörigen Portion Chuzpe will der Iran die Spannungen am Persischen Golf zu seinen Gunsten nutzen. Ausgerechnet die Führung in Teheran, die von den USA und Saudi-Arabien als Kriegstreiberin verdammt wird, stellte am Sonntag einen Plan für eine „Koalition der Hoffnung“ vor, die Frieden bringen soll.
Zugleich unterbreiteten die mit dem Iran verbündeten Huthi-Rebellen im Jemen ein Angebot zur Deeskalation. Eine Woche nach den mutmaßlich vom Iran organisierten Luftangriffen auf saudische Ölanlagen hat Teheran in der Auseinandersetzung mit Washington und Riad die Oberhand. US-Präsident Donald Trump wirkt ratlos.
Irans Präsident Hassan Ruhani kündigte an, er werde den Plan für die „Koalition der Hoffnung“ diese Woche bei der UN-Vollversammlung in New York vorstellen. Die Islamische Republik wolle zusammen mit anderen Staaten der Region die Sicherheit im Persischen Golf und im Golf von Oman garantieren, erklärte Ruhani.
Der Plan ist ein Gegenentwurf zu Bemühungen der USA, einen Geleitschutz für Öltanker im Golf zu organisieren. Kriegsschiffe sollen Angriffe auf Tanker verhindern, nachdem in den vergangenen Monaten mehrere Schiffe durch vermutlich iranische Haftminen beschädigt oder von Teherans Soldaten festgesetzt worden waren. Tanker transportieren rund ein Fünftel des weltweit gehandelten Öls durch die Straße von Hormus, die engste Stelle des Persischen Golfes.
Ruhanis diplomatische Initiative ist ein Zeichen des Selbstbewusstseins. Der Iran sei sicher, dass die USA auf die Angriffe auf die saudischen Ölanlagen nicht mit einem vernichtenden Militärschlag antworten würden, sagt Nahost-Experte Aaron Stein.
Selbst wenn die Amerikaner ein paar Marschflugkörper auf iranische Ziele abschießen sollten, sei das Regime selbst nicht in Gefahr, schreibt der Direktor des Nahost-Programms bei der Denkfabrik FPRI in Philadelphia in einem Beitrag für die Website „War on the Rocks“.
Der Vorstoß der Huthis
Das Angebot der jemenitischen Huthis nach fünf Jahren Krieg gegen eine von Saudi-Arabien geführte und von den USA, Großbritannien und Frankreich unterstützte Allianz ist ein geschickter Schachzug. Die Aufständischen hatten sich zu den Angriffen auf die saudische Ölindustrie bekannt und weitere Anschläge angedroht.
Nun erklärte Mohammed Ali al Huthi, Chef des Hohen Revolutionsausschusses der Rebellen, die Huthis würden alle Drohnen- und Raketenangriffe auf saudisches Gebiet einstellen. Außerdem sollen der internationale Flughafen der Hauptstadt Sanaa und der Seehafen in der Küstenstadt Houdeida wieder geöffnet werden – das würde die Versorgung der Not leidenden Zivilbevölkerung erheblich erleichtern.
Als Gegenleistung verlangen die Huthis, dass die saudisch geführte Kriegsallianz ihrerseits mit einer „Geste“ reagiert. Der UN-Gesandte für Jemen, Martin Griffiths, begrüßte den Vorschlag der Rebellen.
Die schiitischen Huthis waren vor genau fünf Jahren in Sanaa einmarschiert und hatten anschließend große Teile des Jemen unter ihre Kontrolle gebracht. Die islamistischen Rebellen erhalten Unterstützung aus dem Iran und liegen auch ideologisch auf Teherans Linie. Ihre Parole lautet: „Gott ist groß, Tod den USA, Tod Israel.“ Luftangriffe der saudischen Koalition im Jemen-Krieg haben Tausende Zivilisten das Leben gekostet. UN-Experten werfen aber auch den Huthis vor, viele Unbeteiligte getötet zu haben.
Die ratlosen Staaten von Amerika
Das Angebot der Huthis erhöht den Druck auf Saudi-Arabien – und die USA. Auch in Washington sind viele Politiker über die Massaker an Zivilisten im Jemen empört. Gleichzeitig fordern Hardliner von Präsident Donald Trump ein entschiedenes Vorgehen gegen den Iran. Bisher hat Trump lediglich eine Truppenverstärkung am Golf zur Verteidigung von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie neue Sanktionen gegen Teheran angekündigt.
Trump zögert mit Militärschlägen auf den Iran, weil das einen Flächenbrand auslösen könnte. Die Mullahs drohen mit einer Reaktion, die neue Angriffe der Hisbollah, der iranischen Partnerin im Libanon, auf Israel einschließen könnte. Auch US-Truppen am Golf, im Irak, in Syrien und in Afghanistan könnten unter Beschuss geraten. Dabei hatte Trump seinen Wählern versprochen, er wolle die außenpolitischen Abenteuer der USA beenden.
Politische Optionen hat Trump wegen seines eigenen Verhaltens nur wenige. Seine Politik des „maximalen Drucks“ auf Teheran hat die Lage am Golf weiter destabilisiert, statt die iranische Regierung in die Schranken zu weisen. Der Iran ist heute gefährlicher für die US-Verbündeten am Golf als vor Trumps Aufkündigung des internationalen Atomvertrags mit Teheran im vergangenen Jahr.
Saudi-Arabien und die Emirate hätten Trump zum Ausstieg aus dem Atomvertrag ermuntert, weil sie davon ausgegangen seien, dass die USA sie gegen iranische Aggressionen schützen würden, meint Colin Kahl, US-Sicherheitsberater unter Barack Obama. „Jetzt dämmert es ihnen, dass Trump ein Papiertiger ist.“