Weihnachten: Wie christlich ist das denn?
Weihnachten wird zum areligiösen Winterfest – und das geht alle etwas an. Ein Kommentar.
Nun ist also Weihnachten. Fest der Liebe. Der Familie. Jesu Geburt und zweitwichtigstes Fest der Christen. Moment!
Wieso eigentlich nur zweitwichtigstes? Bei dem ganzen schier uferlosen Aufstand, der Jahr um Jahr in den mindestens vier Wochen davor betrieben wird mit dem lichterkettenbehängten Weihnachtsmarkt, mit Weihnachtsbaum, Weihnachtsbraten, Weihnachtskirchgang, Weihnachtsliedern, und nicht zu vergessen die Hauptsache: die Berge von Weihnachtsgeschenken, die zu finden, zu kaufen, zu verpacken sind?
Weihnachten ist zweifelsohne das größte Fest, das hierzulande gefeiert wird. Wieso ist es nicht auch das wichtigste? Ach ja, da war noch was: Ostern. Und bei den Christen toppt die Auferstehung natürlich die Geburt. Anders als zu Weihnachten steht zu Ostern aber die Riege der maßgeblichen Festlichkeitsunterstützergruppen nicht so geschlossen da. Die Kirchen gehen beim Auferstehungsfest deutlich voran, Handelsunternehmen und Medien fahren weit, weit weniger an Hinweisgebung auf.
Und was war, bei dieser Gelegenheit, gleich noch mal Pfingsten? Umfragen zufolge wissen mehr als 50 Prozent der Menschen in Deutschland nicht mehr, was es mit Pfingsten auf sich hat. Die religiöse Bedeutung von Ostern hat unter Hasenhoppelmotiven und Eiermalanstrengungen ebenfalls dramatisch gelitten, und längst legen auch Umfragen zu Weihnachten eine abnehmende Religionsverbundenheit nahe. Weihnachten? Der Todestag des Weihnachtsmanns? Das jedenfalls mutmaßten 2002 Kinder, die von einem Münchner Jugendforschungsinstitut befragt wurden. Das kommt dabei raus, wenn Kinder sich ihren eigenen Reim auf den Rummel machen, wenn sie es weder im Elternhaus noch in der Schule mit der christlichen Religion zu tun bekommen.
Nun könnte man sagen, das mache nichts, und dass es reiche, wenn es übers Jahr verstreut ein paar Tage gibt, an denen aus irgendwelchen Gründen arbeitsfrei ist und gefeiert werden kann. Weihnachten würde Jahr für Jahr etwas mehr zum halloweenartigen, weltlichen Brauchtum, das einhergeht mit bratapfeligen Winterfesten auf Bretterbudenmärkten, mit Rotkohl und Braten oder Bockwurst, mit Blautannenhacken und -schmücken und Shoppingstress wegen der vielen zu kaufenden Geschenke. Die Kultur der „Season’s Greetings“, wie es sie in den USA schon gibt, wäre dann auch hier nahe, und Weihnachten wäre wie heute schon Pfingsten ein Fest, das für ein paar Menschen noch aus Glaubensgründen eine Rolle spielt, aber für den überwiegenden Teil der Bevölkerung nicht mehr.
Es ist ein Gedanke, der geeignet ist, Phantomschmerzen zu erzeugen. Aus Sentimentalität? Oder weil mit ihm die leise Ahnung einhergeht, dass eben doch etwas fehlen würde? Und zwar etwas Entscheidendes, Sinnstiftendes, etwas Übermenschliches, das Kommerz und Kapitalismus – bei allem Talent zum Fetisch – in ihrer profanen Weltlichkeit nicht ersetzen können.
Abschied von christlicher Tradition kein Selbstläufer
Vielleicht ist es ja auch so, dass die Religionsentfremdung der christlichen Feiertage nur deshalb von so vielen so lässig bis teilnahmslos hingenommen wird, weil etwas mehr als die kritische Masse die christliche Verbundenheit doch noch wach- und hochhält. Dann wäre es mit Weihnachten wie mit dem Impfen, wo die Impfgegner davon profitieren, dass andere sich den immunisierenden Pikser abholen und so das gemeinschaftliche System am Laufen halten.
Dass trotz der sich ausbreitenden Religionsvergessenheit und Kirchenferne der Abschied von christlicher Tradition kein Selbstläufer ist, hat sich zuletzt gezeigt an der Aufregung über die weihnachtslose Weihnachtsgrußkarte der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung. „Peinlich“, „instinktlos“, „sehr unglücklich“, „unnötige Verleugnung“, schimpften die einen. Sie gaben sich persönlich getroffen, verletzt und verraten. Die Reaktionen darauf waren ebenso fundamental: Sie stellten die christliche Verwurzelung der Schimpfer infrage. Religion wurde zur Frage von Haben oder nicht, zum Statussymbol – was sie, als letztlich höchst individuelle Entscheidung, nicht sein kann.
Jene, die sich nach mehr religiöser Besinnung sehnen, machen es sich zu leicht, wenn sie das Regierungsstellen abfordern. Wer das will, ist vor allem selbst gefragt. Sie können sich in den christlichen Glauben stürzen und ihn aus voller Inbrunst leben. Niemand ist gehindert, sich Bedeutungsverlust und Entfremdung entgegenzustellen, alle können die Feier zum Geburtstag von Jesus Christus religiös gestalten – und damit dafür sorgen, dass die Geschichte von Gottes Sohn, dem heiligen Kind, weitergetragen wird und sich festsetzt als Fundament fürs Leben.
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