Zickzackkurs beim Digitalunterricht: Wie Bayerns Kultusminister Lehrer und Eltern gegen sich aufbringt
Bayerns Regierung lobt den Freistaat stets als Bundesland, das „Laptop und Lederhose“ vereine. Doch beim Digitalunterricht gibt es nun ein großes Durcheinander.
„Fassungslos und ungläubig“ habe man die Mitteilung des bayerischen Kultusministeriums zur Kenntnis genommen, schreibt eine Realschule in Fürth den Eltern. Äußerungen wie diese fielen am Dienstag viele im Freistaat. Ein Schulleiter aus Tegernsee schrieb auf Twitter, er könnte „in die Tischkante beißen“.
Grund für den massiven Unmut ist der schwer nachvollziehbare Zickzackkurs des bayerischen Kultusministeriums über die Frage, ob vom Lockdown-Beginn am Mittwoch bis zum Ende der Woche die Schüler Online-Distanzunterricht erhalten – oder nicht
Am Montag hatte das Kabinett beschlossen, dass dieser in allen Schularten und Jahrgangsstufen angeboten wird. Am Abend dann ging ein Schreiben des Kultusministers Michael Piazolo (Freie Wähler) an die Schulen raus, in dem der Distanzunterricht abgesagt wurde – mit Ausnahme der Abschlussklassen. „Wisst ihr was? Mir reicht’s“, twitterte eine Realschullehrerin.
Die FDP-Opposition im bayerischen Landtag fordert Piazolos Rücktritt wegen seines unzureichenden Corona-Krisenmanagements. Und die SPD meint, die Staatsregierung gestehe „ihr eigenes Scheitern ein“. Denn: „Weil sie die Infrastruktur nicht bereitstellen kann und etwa die Lern-Plattform Mebis ständig nicht funktioniert, kippt sie jetzt den Distanzunterricht.“ Dabei spricht die CSU gerne von Bayern als dem Land, das „Laptop und Lederhose“ vereint.
Über die digitale Situation an den Schulen gibt es keinen Überblick
Seit langem wird unermüdlich gepredigt, dass man die Digitalisierung voranbringen müsse, dass dies die Zukunft bedeute. Was ist in Sachen Digitalisierung bisher erreicht worden an den Schulen? Seit dem ersten Lockdown vor neun Monaten ist dies eine der wichtigsten Aufgaben des Ministers Piazolo. Wie die digitale Situation an den Schulen ist, darüber gibt es weiterhin keinen Überblick.
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Lehrer, Eltern und Schüler hatten seit Wochen angesichts eines vorherstehenden Lockdowns nach Lösungen gesucht. Die Lehrer absolvierten und gaben Fortbildungen in Sachen Online-Unterricht, sie untersuchten die verschiedenen Plattformen nach ihren Stärken und Schwächen. Rektoren schafften Laptops an für Schüler.
Gerade in den letzten Tagen arbeiteten viele Lehrer abends und am Wochenende an neuen digitalen Unterrichtsformaten. Sie bemühten sich, die Fragen verunsicherter und ratloser Eltern zu beantworten.
Söder zählt Piazolo an
Am Dienstag sah sich das Kultusministerium zu einer „Klarstellung“ veranlasst: Demnach gebe es zwar keinen Distanzunterricht, aber die Möglichkeit zum „Distanzlernen“. Dies bedeutet, dass die Lehrkräfte den Schülern Aufgaben geben und man gegebenenfalls in Kontakt treten kann. Gegen verpflichtenden Distanzunterricht für einen Großteil der Schüler habe man sich entschieden, „um in der besonderen Lage kurz vor Weihnachten etwas Druck von allen Beteiligten zu nehmen“, so das Ministerium.
Simone Fleischmann, Vorsitzende des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands (BLLV), sieht ein äußerst unglückliches Kommunikationsverhalten des Ministers: „Er wollte, dass an den Schulen keiner durchdreht“, sagt sie dieser Zeitung. „Alle haben aber verstanden: Es darf keinen Distanzunterricht mehr geben.“ Sie meint, dass die Rektoren die Lage vor Ort regeln und nicht ständig auf Ministeriumsschreiben starren sollten: „Ein professioneller Schulleiter macht, was er geplant hat.“
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat den Schulminister in seiner Regierungserklärung nun angezählt. Er erwarte, so Söder, dass beim Schulbeginn nach den Ferien am 11. Januar alles für einen möglichen Distanz- oder Wechselunterricht organisiert sei.
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