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Diffuse Ängste. Der AfD-Wähler sieht seine Zukunft skeptisch – was seinen Arbeitsplatz angeht oder die soziale Absicherung.
© dpa

Studie der Hans-Böckler-Stiftung: Wie AfD-Wähler ticken

Sie haben kaum Vertrauen in Politik und fürchten sozialen Abstieg: Eine Studie zeichnet ein detailliertes Bild von der Mentalität der AfD-Anhänger.

Es geht nicht um Arbeitslosigkeit, sondern um die Angst davor. Nicht um Armut, sondern um die Befürchtung, seine gesellschaftliche Stellung nicht halten zu können. Ob jemand die AfD wählt, hängt vor allem von der subjektiven Wahrnehmung ab und weniger von objektiven Kriterien wie dem Einkommen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Sie suchte eine Antwort auf die Frage: „Wer wählt Rechtspopulisten?“

Es ist nicht die erste Studie dieser Art. Erst im Juli hatte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) eine Untersuchung herausgebracht, die sich damit beschäftigte, welche Bevölkerungsgruppen welche Partei wählen. Doch diese neue Analyse, so das Versprechen der Stiftung, grabe nun noch tiefer nach den Motiven und Ursachen für rechtspopulistische Orientierungen. Und sie habe auch die aktuellsten Daten.

Von Mitte Januar bis Anfang Februar waren im Auftrag der Stiftung fast 5000 Wahlberechtigte befragt worden. Das übergreifende Ergebnis: Die meisten Menschen nehmen die wirtschaftliche Situation in Deutschland positiv wahr. Auch die AfD-Wähler stehen wirtschaftlich nicht wesentlich schlechter da als die Gesamtbevölkerung. So liegt das durchschnittliche Netto-Einkommen laut Studie bei 1682 Euro, das der AfD-Wähler bei 1664 Euro – also 18 Euro niedriger.

„Neben einfachen Einkommensschichten wählen auch obere Einkommensschichten verstärkt AfD“, schreiben die Autoren der Studie. Der AfD sei es also gelungen, die besser gebildeten, höheren Schichten aus der Lucke-Ära zu behalten, schlussfolgert der Demoskop Richard Hilmer, der an der Studie beteiligt war.

Unzufriedener, skeptischer, ängstlicher

Ob das im Sommer 2017 aber immer noch stimmt, ist zumindest fraglich. Eine Reihe prägender Ereignisse ist erst nach dem Ende des Erhebungszeitraumes eingetreten: der Streit um den Parteiausschluss von AfD-Rechtsaußen Björn Höcke, der Machtkampf, die Demütigung von Parteichefin Frauke Petry auf dem Parteitag im April und die Entscheidung der Partei, sich nicht formal gegen rassistische Strömungen innerhalb der AfD abzugrenzen. All das hat nach Ansicht von Meinungsforschern dazu geführt, dass viele bürgerliche Wähler verloren gegangen sind und ein harter Kern an Anhängern übrig geblieben ist, der die AfD wählen wird – komme, was wolle.

Gleichwohl zeichnet die Studie der Hans-Böckler-Stiftung ein interessantes Psychogramm des typischen AfD-Wählers. Der sei, wie Hilmer erklärt, unzufriedener, ordne sich unabhängig von seinem jeweiligen realen Einkommen in der Gesellschaft niedriger ein und gebe überdurchschnittlich häufig an, im Vergleich zu seinen Eltern einen sozialen Abstieg erlebt zu haben.

Viele AfD-Wähler fürchten, im Falle eines Jobverlusts keinen neuen zu finden. „Der Sorgenhaushalt ist ausgeprägter, AfD-Wähler sehen die Zukunft skeptischer – was ihren Arbeitsplatz und ihre Wohnsituation betrifft. Sie haben eine diffuse Angst vor Gewalt und Kriminalität“, so Hilmer. Und: Während nur 44 Prozent aller Befragten der Aussage zustimmten „Durch Zuwanderung fühlt man sich fremd im eigenen Land“, waren es unter den AfD-Wählern 83 Prozent.

Es ist ein Gefühl des Kontrollverlustes, des Fremdbestimmseins, das offenbar bei den AfD-Wählern vorherrscht. Man fürchtet sich vor Globalisierung, offenen Grenzen und hoher Zuwanderung. Ausgeprägt sind die Zweifel am Funktionieren der Demokratie und an der Glaubwürdigkeit politischer Institutionen. Viele AfD-Wähler fühlen sich von der Politik vernachlässigt. Nur sieben Prozent haben Vertrauen in die Bundesregierung, während es über alle Wählergruppen hinweg 35 Prozent sind.

Fehlentwicklungen auf dem Arbeitsmarkt

Zudem, so notieren die Autoren, spielt die Situation im Job eine wichtige Rolle dafür, ob rechtspopulistische Positionen als attraktiv wahrgenommen werden. Das Gefühl von Kontrollverlust und Ausgeliefertsein am Arbeitsplatz, so die Studie, erhöht die Wahrscheinlichkeit, rechts zu wählen – besonders dann, wenn man in einem Kleinbetrieb arbeitet. Arbeiter sind in der Wählerschaft der Rechtspopulisten überrepräsentiert.

Gewerkschaftsmitglieder wählen bei gleicher Ausgangslage auch nicht seltener die AfD. Wessen Beschäftigungsverhältnis aber von einem Tarifvertrag geregelt wird, ist weniger anfällig. „Es braucht sicherere Beschäftigungsverhältnisse – die Politik muss Fehlentwicklungen auf dem Arbeitsmarkt korrigieren“, sagt deshalb der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Reiner Hoffmann. Auch wenn dieser Satz aus seinem Mund keine Überraschung ist, der nächste ist zumindest interessant: „Darüber wird die Bundestagswahl entschieden.“

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