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Krim-Krise: Wie abhängig ist Deutschland von Russlands Öl und Gas?

Beim Streit über Sanktionen gegen Russland geht es auch immer wieder um Energie. Es gibt Alternativen zum russischen Öl und Gas - doch die sind nicht immer billig.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat wegen des Konflikts mit Moskau um die Krim gefordert, die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen zu reduzieren. „Es wird eine neue Betrachtung der gesamten Energiepolitik geben“, sagte sie nach einem Gespräch mit dem kanadischen Premierminister Stephen Harper. Die Europäische Union sei stark von russischem Öl und Gas abhängig, dabei sei die Abhängigkeit Deutschlands „längst nicht die höchste“.

Wie viel Gas und Öl importiert Deutschland aus Russland?

Deutschland bezieht 36 Prozent seiner Öleinfuhren und 35 Prozent seiner Gaseinfuhren aus Russland. Die Exporterlöse Russlands aus dem Verkauf von Erdgas lagen nach Angaben von Steffen Bukold vom Hamburger Beratungsunternehmen Energy Comment 2012 bei 68 Milliarden US-Dollar. Diese Zahl ist allerdings im Vergleich zu den Einnahmen aus dem Ölgeschäft relativ unbedeutend. 290 Milliarden Dollar hat Russland 2012 durch Ölexporte eingenommen. Der russische Staatshaushalt ist zu 50 Prozent von den Öleinnahmen abhängig. Für einen ausgeglichenen Haushalt braucht Russland einen Ölpreis, der bei mindestens 115 Dollar pro Barrel (159 Liter) liegt.

Bis 2012 hat Russland 80 Prozent des für Europa bestimmten Erdgases durch Pipelines in der Ukraine geschickt. Seit der Inbetriebnahme der Nordstream- Pipeline, die von Russland direkt durch die Ostsee nach Deutschland führt, und der Jamal-Pipeline, die durch Weißrussland und Polen nach Deutschland verlegt wurde, liegt der Anteil noch bei etwa 50 Prozent. Das haben die Autoren einer Studie des Oxford Institute for Energy Studies ausgerechnet. In den Gas-Krisen 2006 und 2009 hatte Russland der Ukraine den Gashahn bis zu zwei Wochen lang zugedreht, weil der ukrainische Energiekonzern Naftogaz seine Schulden nicht bezahlen konnte.

Danach begann in der EU eine intensive Diskussion darüber, wie das russische Gas über alternative Routen in die EU kommen könnte. Ein Ergebnis war Nordstream, das zweite wird Southstream sein, eine ebenfalls von Russland geplante Pipeline durch das Schwarze Meer. Der Versuch der EU, mit den Pipelines auch die Abhängigkeit vom russischen Gas zu reduzieren, ist mit der aus wirtschaftlichen Gründen nicht gebauten Nabucco-Pipeline gescheitert. Damit sollte Gas aus dem Kaspischen Meer in Aserbaidschan nach Südeuropa gelenkt werden. Wird die Ukraine erneut in einen Gasstreit mit Russland verwickelt, würde das die südeuropäischen Länder als erste treffen. Ein großer Teil des durch die Ukraine transportierten Gases fließt auf den Balkan und nach Italien. Zunächst wäre eine Unterbrechung der Lieferungen aber kein großes Problem. Wegen des milden Winters sind die Gasspeicher alle gut gefüllt. Nach der Gaskrise 2009 haben die Europäer die technischen Voraussetzungen geschaffen, um Gas „rückwärts“ in die Ukraine fließen zu lassen.

Auch Erdöl wird übrigens durch die Ukraine nach Europa transportiert. 2013 sind nach Informationen des amerikanischen Energie-Thinktanks IHS 15,58 Millionen Tonnen Öl durch die Druschba-Pipeline geflossen.

Was sind die Alternativen?

Sollte der Konflikt mit Russland sich fortsetzen, müsste die Europäische Union darüber diskutieren, ob sie die Öl- und Gaslieferungen aus Russland stoppt. Würden die Europäer in Russland kein Öl mehr kaufen, träfe das Moskau deutlich härter als eine Kündigung der Gaslieferverträge. Öl gibt es auf dem Weltmarkt genug, diese Lieferungen ließen sich relativ problemlos anderswo einkaufen. Zum Beispiel in Kanada. Dort wird das schmutzigste Erdöl der Welt aus Ölsanden gefördert, für die Premierminister Stephen Harper bei seinem Besuch geworben hat.

Beim Erdgas fällt es schwerer, Alternativen zu finden

Angela Merkel und Stephen Harper
Krisengewinnler? Stephen Harper, der kanadische Premierminister, ist auf der Suche nach neuen Märkten für sein schmutziges Erdöl aus Ölsanden. Sein Land könnte von der Krise zwischen Europa und Russland profitieren.
© dpa

In Sachen Gasversorgung ist die Lage deutlich komplizierter. Das Bruegel-Institut, ein Brüssler Thinktank, hat vor wenigen Tagen eine überschlägige Kalkulation gemacht. Um die rund 130 Milliarden Kubikmeter Erdgas – davon verbraucht Deutschland allein 90 Milliarden Kubikmeter – aus Russland zu ersetzen, müssten nahezu alle technischen und ökonomischen Möglichkeiten für einen Ersatz genutzt werden. Das Bruegel-Institut sieht da auch kurzfristig Ersatzkapazitäten von bis zu 190 Milliarden Kubikmeter Gas. Dazu müsste die Pipeline-Kapazität in Italien, die mit Flüssiggas (LNG) aus Algerien befüllt wird, voll ausgenutzt werden. Das wären rund fünf Milliarden Kubikmeter Gas. Die Niederlande könnten technisch 20 Milliarden Kubikmeter mehr Gas fördern. Allerdings haben sie die Gasförderung gerade begrenzt, weil die unkonventionelle Förderung von langsam erschöpften Gasquellen zu Rissen in den Häusern nahe der Fördergebiete und zu Mini-Erdbeben geführt hat. Diese Option ist möglich, aber unwahrscheinlich.

Norwegen könnte die vorhandenen Pipeline-Kapazitäten ebenfalls weiter ausnutzen. Schon heute bezieht die EU 23 Prozent ihres Gasbedarfs aus Norwegen. Von dort könnten 20 Milliarden Kubikmeter mehr kommen. Die LNG-Importe könnten technisch auf 60 Milliarden Kubikmeter verdoppelt werden. Allerdings ist Flüssiggas fast doppelt so teuer wie russisches Gas und wird im übrigen von Japan teuer bezahlt, das nach der Atomkatastrophe von Fukushima einen Großteil seiner Stromversorgung mit Gaskraftwerken deckt. Außerdem sind 90 Prozent der vorhandenen LNG-Kapazitäten bereits unter Vertrag und stehen nicht zur Verfügung.

Bleibt nur noch: Energiesparen. Das hat durchaus Potenzial. Eine um 1,5 Grad kühlere Raumtemperatur würde der EU 20 Milliarden Kubikmeter Gasimporte ersparen. Von den 60 bis 80 Milliarden Kubikmeter Gas, die verstromt werden, sei die Hälfte ersetzbar, so das Institut.

Auf mittlere Sicht hat der amerikanische Präsident Barack Obama bei seinem Besuch in Brüssel Flüssiggaslieferungen mit amerikanischem Schiefergas in Aussicht gestellt. Das wird jedoch nach IHS- Einschätzung frühestens von 2015/16 an überhaupt exportiert werden können. Und dann, das erwartet IHS-Gründer Daniel Yergin, wird es auch eher nach Asien geliefert werden. Es könnte in Europa preislich mit dem russischen Gas auch gar nicht konkurrieren. Bisher gibt es keinen Weltmarkt für Gas, sondern allenfalls Regionalmärkte. Zudem hatte Obama dieses etwas vage Geschäft auch vom Abschluss des umstrittenen Freihandelsabkommens zwischen den USA und der EU abhängig gemacht. Obama und Daniel Yergin, der Obama in der Schiefergasstrategie berät, raten den Europäern allerdings dazu, ihre eigenen unkonventionellen Gasreserven mit dem Frackingverfahren in großem Stil zu fördern.

Beeinflusst die Krise die Energiewende?

Nein. Denn bei der Stromerzeugung spielt Gas derzeit keine Rolle. Yergin hat vor kurzem zwar eine Studie darüber vorgelegt, um wie viel preiswerter die deutsche Energiewende werden könnte, wenn die Deutschen ihren Widerstand gegen das Fracking beenden würden. Allerdings steckt auch dahinter eher eine amerikanische Exportstrategie: Die amerikanischen Firmen, die Frackingunternehmen Maschinen und Technik liefern, sind dringend auf der Suche nach neuen Märkten.

Dagmar Dehmer

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