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Am Freitag nach dem Attentat durchsuchte die Polizei die Wohnung des Täters Lahouaiej Bouhel in der Nähe von Nizza.
© AFP
Update

Attentat in Nizza: Wer war Mohamed Lahouaiej-Bouhlel?

Die Hintergründe sind noch unklar, langsam kommen jedoch Details über Lahouaiej-Bouhlel ans Licht. Was ist bekannt über den Mann, der 84 Menschen in Nizza getötet hat?

Augenzeugen und französische Medien schildern die Horrorfahrt so: Die Fahrt des Attentäters beginnt am Donnerstagabend in den Hügeln von Nizza. Überwachungskameras haben festgehalten, wie der Attentäter in den weißen Lkw steigt, den er Tage zuvor in Saint Laurent du Var gemietet hat, einer kleinen Stadt nördlich von Nizza. Gegen 22.30 Uhr ist der Lkw unten am Meer angelangt. Der Lkw, ein weißer 19-Tonner, biegt nahe einem Kinderkrankenhaus auf die „Promenade des Anglais“ ein, die weltweit bekannte Uferstraße. Die Polizei hat den Boulevard für den Verkehr eigentlich gesperrt, so ist eine riesige Fußgängerzone entstanden. Der Truck rollt erst über die Fahrbahn, dann biegt er ab in die Fußgängerpromenade.

Auf der rechten Beifahrerseite ist das Meer zu sehen, Menschen, die am Strand picknicken. Zahllose Passanten sind unterwegs, kurz zuvor haben sie das Feuerwerk zum Nationalfeiertag genossen. Noch fährt Mohamed Lahouaiej-Bouhlel nicht viel schneller als Schrittgeschwindigkeit, drei Polizisten versuchen, an das Fahrzeug heranzukommen, sie laufen etwa 200 Meter hinterher. Die ersten Opfer hat er da schon überrollt. Niemand kann den Lkw aufhalten.

Der Truck rast durch die Menschenmenge. Vor dem Casino du Palais de la Méditerranée werden die meisten Passanten getötet, beinahe 30 Menschen sterben. Doch ein Passant versucht, den Fahrer zu stoppen.

Der Mann springt ans Fahrerhaus des Lkw, um die Tür aufzureißen. Doch der Fahrer feuert mit seiner Pistole und kann den Angreifer abschütteln. Zwei Polizisten greifen ein und schießen. Beamte der alarmierten Spezialeinheit Compagnie départementale d‘intervention kommen angerannt und feuern ebenfalls. Der Täter schießt zurück, doch er wird tödlich getroffen. Die Front des Lkw ist von mehr als 50 Kugeln durchsiebt. Knapp zwei Kilometer konnte der Täter über die Promenade rasen, dann ist die Amokfahrt vorbei. Auf Twitter wird berichtet, der Fahrer habe „Allahu akbar“ gerufen, Gott ist am größten. Die Polizei bestätigt das bislang nicht.

Ein Loser, der sich mit einem großen Knall - der weltweit Entsetzen auslöst - wenigstens einmal im Leben wichtig und mächtig sein möchte - verabschiedet. Jemand, der sein Leben nicht mehr ertragen kann, begeht auf denkbar narzisstische Weise Selbstmord - indem er möglichst viele unschuldige Menschen mit in den Tod reißt.

schreibt NutzerIn 2010ff

Die Polizei zieht die Leiche aus dem Truck. In der Fahrerkabine findet die Polizei den Ausweis des Täters und eine Kreditkarte. Ausgestellt auf Mohamed Lahouaiej-Bouhlel, 31 Jahre alt, tunesischstämmiger Franzose, Vater dreier Kinder, getrennt lebend, in einer einfachen Wohngegend im Osten von Nizza, Beruf Kurierfahrer.

Mohamed Lahouaiej-Bouhlel ist der Polizei wohlbekannt: wegen Waffengebrauchs, häuslicher Gewalt, Bedrohung und Diebstahl, wegen eines Gewaltdelikts nach einem Autounfall zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Einen politischen Hintergrund hatten diese Taten nach Erkenntnissen der Polizei nicht. Den französischen Nachrichtendiensten sagt der Name Lahouaiej-Bouhlel zunächst nichts.

Am Freitagvormittag durchsuchen schwerbewaffnete Beamte der Sondereinheit RAID seine Wohnung im Quartier Abbators. Der Täter lebte in der ersten Etage eines vierstöckigen Wohnkomplexes. Nachbarn beschreiben Lahouaiej-Bouhlel als einen „Einzelgänger“. Schweigsam sei er gewesen. Sein Fahrrad habe er immer mit in die Wohnung genommen, den kleinen Lieferwagen, den er für die Arbeit nutzte, parkte er in der Nähe des Wohnkomplexes.

Mohamed Lahouaiej-Bouhlel wirkte auf seine Nachbarn nicht wie ein strenggläubiger Muslim – häufig habe er Shorts getragen. "Er unterwarf sich nicht Gott, ich habe ihn niemals in der Moschee gesehen", versicherte ein Besucher des Restaurants neben der örtlichen Moschee. Drei praktizierende bärtige Muslime bestätigten dies. Andere Bewohner des Viertels sagten, Lahouaiej-Bouhlel habe regelmäßig Bier getrunken. Auch Staatsanwalt François Molins sagte, der junge Mann sei den Geheimdiensten nicht als Islamist bekannt gewesen und nicht als Gefährder geführt worden. Ein Nachbar sagte sogar, er vermute weniger politische Motive hinter der Tat als psychische Probleme. "Ich glaube überhaupt nicht an ein Problem der Radikalisierung, ich glaube eher, dass das eine Frage der Psychiatrie ist", sagte der Nachbar. Nach einem gewaltsamen Streit habe seine Frau die Scheidung beantragt. "Er hatte Krisen. Als er sich von seiner Frau trennte, defäkierte er überall hin, stach auf den Teddy seiner Tochter mit einem Messer ein und schlitzte die Matratzen auf."

Der Pförtner des Wohnblocks, in dem der Attentäter bis zu seinem Auszug vor 18 Monaten infolge der Trennung von seiner Frau lebte, sagte, Lahouaiej-Bouhlel sei ihm wegen der "sehr heftigen Streits mit seiner Frau" bekannt gewesen. Diese wurde als eher schüchtern und freundlich beschrieben. Laut den Nachbarn brachte sie nach der Trennung von Lahouaiej-Bouhlel ihr drittes Kind zur Welt. Am Freitag wurde sie von der Polizei zur Befragung mitgenommen.

Eine Anwohnerin aus dem Erdgeschoss beschreibt Mohammed Lahouaiej-Bouhiel als einen „gut aussehenden Mann“. Sie habe ihm aber misstraut, weil er es offenbar auf ihre beiden Töchter abgesehen hatte.

Journalisten der Zeitung „Libération“ fragten am Freitag bei dem Unternehmen nach, das dem 31-Jährigen den Lkw vermietet hatte. Dort heißt es, die Angestellten seien „äußerst schockiert“. „Wir verleihen Lastwagen, keine Waffen.“ Nähere Details dürften die Mitarbeiter auf Anordnung des Pariser Innenministeriums nicht preisgeben. Um in Frankreich einen Lkw mit einem Gewicht von mehr als 7,5 Tonnen zu mieten, genügt ein Ausweis und eine mehr als ein Jahr gültige Fahrerlaubnis für Lkws. (mit AFP)

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