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Die Finanzkrise hat Vermögende eher noch reicher gemacht.
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Reichen-Forscher im Interview: "Wer viel Geld hat, geht mehr Risiken ein"

Der Potsdamer Bildungswissenschaftler Wolfgang Lauterbach über die Eigenheiten der Begüterten und ihren Nutzen für die Gesellschaft.

Herr Lauterbach, wie wird man reich?

Die Gruppe der Reichen ist sehr heterogen, daher gibt es auch nicht den Königsweg, um vermögend zu werden. Die größte Gruppe innerhalb der vermögenden Personen hierzulande sind, anders als in vielen anderen Ländern, Erben. Die stellen knapp 60 Prozent. Erst dann folgen mit 30 Prozent Unternehmer, die sich ihr Vermögen mit Fleiß und Ideen selbst erarbeitet haben.

Welche Gemeinsamkeiten haben diese Leute?

Acht von zehn Reichen haben Abitur, sieben von zehn einen Hochschulabschluss. Die meisten sind zudem über 60 Jahre alt. Wer ein Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern hat, hat gegenüber einem Arbeiter oder einem Angestellten eine um das Vierfache erhöhte Wahrscheinlichkeit, reich zu sein.

Hat ein normaler Mensch die Chance, jemals reich zu werden?

Es gilt, Reiche von Wohlhabenden zu unterscheiden. Wirklich reich ist jemand erst, wenn er ein gewisses Vermögen angesammelt hat. Solange jemand auf Erwerbsarbeit angewiesen ist, um seinen Wohlstand zu sichern, ist er zwar womöglich wohlhabend oder sogar Millionär, aber nicht wirklich reich. Zum Beispiel der Zahnarzt mit der gut gehenden Praxis und diversen Immobilien. Wenn er die Arbeit einstellen würde, würde sein Status schnell schwinden. Und steckt das Kapital eines Selbstständigen allein in einem Unternehmen, kann er binnen kurzer Zeit arm sein, wenn die Firma Konkurs anmelden muss. Erst ab einem Vermögen jenseits der 300 Millionen Euro ist man wirklich auf der sicheren Seite. Ein solches Vermögen kann man kaum noch verlieren.

Welche Rolle spielt Glück?

Der Zufall macht nur die wenigsten reich. Lottogewinne, Aktien-Spekulationen oder einträgliche Immobiliengeschäfte sind ein eher exotischer Weg.

Ticken Menschen, die es zu Reichtum bringen, anders?

Unsere Untersuchungen zeigen, dass Reiche, die Unternehmer sind, viel offener für Neues sind als der Durchschnitt. Daher wagen sie eher neue Dinge und gehen Risiken ein. Außerdem sind sie extrovertierter und aggressiver. Wenn sie eine Vision haben, boxen sie sie auch durch.

Nutzen Reiche der Gesellschaft?

Viele sind in Stiftungen stark engagiert oder spenden viel Geld. Vier von fünf Reichen stellen einen Teil ihres Geldes für gemeinnützige Zwecke zur Verfügung. Allerdings halten sich Erben hier stärker zurück als Unternehmer. Deren Ideenreichtum und Kreativität ist extrem wichtig für das weitere Fortkommen der Wirtschaft.

Warum weiß man so wenig über diese Menschen?

Viele Leute wären gerne reich. Solange sie es aber nicht sind, neiden sie es den Vermögenden. Ungleichheit wird hierzulande sehr stark wahrgenommen, das zeigen die Debatten über Managergehälter, die Erbschaftsteuer oder den Mindestlohn. Vielleicht scheuen sich deshalb viele Reiche, ihren Besitz auch zu zeigen.

War es früher einfacher, reich zu werden?

Nach dem Krieg gab es wegen Enteignungen und der Währungsreform kaum große Vermögen. Wer sich im Wirtschaftswunder neuen Dingen stellte und Ideen hatte, konnte rasch große Unternehmen aufbauen und es zu etwas bringen – Neckermann, Quelle oder Grundig sind Beispiele. Heute dagegen läuft eine Vererbungswelle. Mit Kreativität kann man es aber auch heute noch zu etwas bringen, das zeigen die vielen Internet-Start-up-Firmen.

Carsten Brönstrup

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