Kindesunterhalt im Trennungsfall: Wer viel betreut, sollte weniger zahlen
Familienministerin Franziska Giffey will Väter von Trennungskindern besser stellen. Ihr Vorstoß ist richtig – die Umsetzung kompliziert. Ein Kommentar.
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey hat sich erfolgreich mit Vorschlägen ins Gespräch gebracht, Väter von Trennungskindern besser zu stellen. Es dürfe nicht sein, dass Männer den vollen Unterhalt bezahlen, wenn Kinder zeitweise bei ihnen wohnten und viel Zeit mit ihnen verbrächten. Das Recht müsse der gesellschaftlichen Realität angepasst werden.
Wahre Worte. Es wird eher wenige geben, die diese Einsicht bestreiten wollten. Die Thesen sind auch keine Erfindung Giffeys, sondern werden seit Jahren rechtspolitisch diskutiert, unter anderem beim letzten Deutschen Juristentag 2018 in Leipzig, aber natürlich auch in den Parteien. Ein Satz mit ähnlichen Motiven findet sich bereits im Koalitionsvertrag, wo die Partner verabredet haben, es „stärker zu berücksichtigen“, wenn beide Elternteile nach Trennung und Scheidung in die Erziehungsverantwortung eingebunden bleiben wollen.
Der Regelfall: Sie erzieht, er zahlt
Zudem wird im Haus der eigentlich zuständigen Ministerin Katarina Barley (SPD) an dem Projekt gearbeitet, im Sommer soll es Vorschläge geben. Doch natürlich spricht nichts dagegen, sich ab und zu eine Eule zu schnappen, um sie nach Athen zu tragen. Schließlich gelten die Tiere als Symbol für Klugheit.
Die Realität, der sich nach Giffeys Worten das Recht anpassen soll, ist freilich komplizierter als ein knapper Satz mit ein paar Schlüsselbegriffen. Zutreffend markiert die Ministerin einen Widerspruch im geltenden Sorge- und Unterhaltsrecht. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass eine hütet und erzieht, während der andere zahlt. Keine falsche Typisierung. Dies ist noch immer der Regelfall, was viel zu tun hat mit Rollenmustern, Gehaltsunterschieden und, nicht zu unterschätzen, dem ausdrücklichen Wollen der Betroffenen unter Einschluss von Kindeswohlbelangen. Richtig ist aber auch, dass zunehmend Frauen im Beruf reüssieren und Männer im Familienleben. Das wirkt sich, mit einiger Verzögerung, auch auf den Trennungsfall aus.
Dafür hat das geltende Recht keine passenden Instrumente parat. Der Kindesunterhalt orientiert sich an den festgelegten Betreuungsanteilen, meist also am „Residenzmodell“, bei dem das Kind bei einem Elternteil fest wohnt und der andere ein Umgangsrecht hat. Mancher, wie viele in der FDP, will deshalb sogleich das „Wechselmodell“ als Leitbild festschreiben, bei dem die Kinder paritätisch zwischen zwei Haushalten pendeln.
Es braucht Öffnung statt neuer Vorgaben
Vieles von der Realität, der nicht nur Giffey gerecht werden möchte, spielt sich jedoch zwischen diesen Polen ab. Es braucht daher wohl eher Öffnung und Flexibilität statt neuerlicher Richtungsanzeigen. Diese Bereiche der Familienpolitik sind für frauen- oder männerpolitische Anliegen eher ungeeignet; es geht um den sehr persönlichen Zuschnitt von Lösungen in einer allgemein konfliktträchtigen und daher auch bemitleidenswerten Situation.
Folglich steht nicht das Ob von Reformen im Vordergrund, sondern das Wie. Wichtig ist hier, dass Möglichkeiten für einen fairen Ausgleich nicht auf Kosten der Kinder gehen dürfen. Dies spricht eher für schrittweise, vorsichtige Reformen, die die Entwicklungen nachzeichnen statt ihnen vorzugreifen.
Vorangehen muss die Zivilgesellschaft schon selbst. Es könnte damit beginnen, dass Vätern, die nach einer Trennung mehr Betreuung beanspruchen, nicht mehr unterstellt wird, sich vor Unterhalt drücken zu wollen. Bei gleichlautenden Forderungen von Müttern käme niemand auf solche Vorwürfe. Woran das liegt? Vielleicht an einigen schlechten Erfahrungen. Aber vor allem an Vorurteilen und Klischees. Es ist höchste Zeit, sich von ihnen zu verabschieden.