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Abluft steigt aus den Schornsteinen des Kohlekraftwerks Moorburg in den Himmel.
© Christian Charisius / dpa

Buchkritik „Die Klimaschmutzlobby“: Wer hinter den Kulissen den Klimaschutz verhindert

Zwei Investigativ-Journalistinnen sezieren die Strategien der Klimawandel-Leugner, -Skeptiker und -Bremser. Sie decken auf, wie sie lobbyieren. Eine Buchkritik.

Schon mal von Urban Rid, Brian Ricketts oder Wolfgang Rupieper gehört? Rid war lange Abteilungsleiter im Bundesumwelt – und später im Bundeswirtschaftsministerium. Ricketts arbeitet als Generalsekretär des Europäischen Stein- und Braunkohleverbandes Euracoal. Und Rupieper gründete den Verein „Pro Lausitz Braunkohle“.

Ihnen allen ist gemein, dass sie laut Susanne Götze und Annika Joeres eine wichtige Rolle in der „Klimaschmutzlobby“ spielen. Für ihr gleichnamiges Buch mit dem Untertitel „Wie Politiker und Wirtschaftslenker die Zukunft unseres Planeten verkaufen“ haben die investigativen Reporterinnen hinter die Kulissen geblickt.

So können sie aufdecken, warum der Klimaschutz heute nahezu von allen relevanten Entscheidern gepredigt wird – und durch welche Netzwerke Gesetze erlassen werden, die eben diesen verhindern. Sie geben den Akteuren – und es sind, nota bene, bis auf die Abteilungsleiterin im Bundeswirtschaftsministerium, Stephanie von Ahlefeldt, fast nur Männer! – Namen und Gesichter.

Die Pflichtlektüre für die Future-Bewegung unterteilt zunächst die Protagonisten in Klimawandel-Leugner, -Skeptiker und -Bremser. Erst danach sezieren die Autorinnen, mit welchen Strategien diese welche Hebel in Bewegung setzen. Es folgen Fallstudien-artige Kapitel über Brüssel, selbstverständlich Deutschland, aber auch Frankreich und Großbritannien sowie dankenswerter Weise Polen, Brasilien und die USA.

Kleines Einmaleins des Lobbyismus nachgewiesen

Dem Duo gelingt es, etwa durch das Durchforsten von Datenbanken wie „integratywatch.eu“ das Kleine Einmaleins des Lobbyismus auch in im Klimabereich nachzuweisen: Gesetze werden verkompliziert, kritische Studien kleingehalten. Der akribische Umgang mit Zahlen enttarnt zudem auch die Mär, dass jeder dritte Job in der Energiewirtschaft vom Klimaschutzplan 2050 bedroht sei als einen Rechentrick. „König Kohle“ ist in Wahrheit gar nicht so groß – noch nicht einmal 0,1 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland arbeiten in der Branche.

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Die jeweiligen Fakten werden immer wieder auch in kleinen Boxen herausgestellt. Schade nur, dass genau die dann teils durch Überschriften wie „Klimakiller: Gas“ sprachlich unnötig emotional aufgeladen werden.

Der Ausblick am Schluss enthält zwar für die Leserschaft fünf ganz konkrete Lösungsvorschläge zum Klimaschutz, vom ausreichend hohen CO2-Preis, über weniger Fleischkonsum bis zur Verkehrswende. Wünschenswert wären am Ende aber nicht nur Mind-Maps zum Heartland Insitute oder zum Atlas-Netzwerk gewesen, sondern vor allem zu den vielen einzelnen Personen der „Klimaschmutzlobby“. Oder ein Klimaschmutz-Personenregister.

So entfällt zwar leider ein knackiges Fazit über die unterm Strich wirkmächtigsten Klimaschmutz-Lobbyisten. Insgesamt aber das perfekte Buch sowohl für Einsteiger beim Klima-Thema als auch für versierte Kenner der Szene: Wer neu auf dem Gebiet ist, kommt durch die deutliche Sprache und den klaren Aufbau sehr gut rein. Und Profis dürfen sich auf so einige Überraschungen freuen, was sie eben doch alles noch nicht wussten.

Susanne Götze, Annika Joeres: Die Klimaschmutzlobby. Wie Politiker und Wirtschaftslenker die Zukunft unseres Planeten verkaufen. Piper, München 2020. 304 Seiten, 20,00 Euro.

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