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Horst Seehofer geht das Personal aus.
© dpa

Bayern: Wenn es der CSU zu gut geht

Fünf Monate vor der Landtagswahl schlittert Ministerpräsident Horst Seehofer mit seiner Partei von einer Krise zur nächsten.

Horst Seehofer wollte keine Zeit verlieren. Keine 24 Stunden nach dem Abgang von Georg Schmid als CSU-Fraktionschef im bayerischen Landtag wählten die Abgeordneten Christa Stewens zu dessen Nachfolgerin. Gleich danach zog der Parteivorstand weiter zur Klausurtagung im Kloster Andechs auf dem Hügel, den sie in Bayern den „Heiligen Berg“ nennen. Schmid sollte da möglichst schon kein Thema mehr sein. Christa Stewens, die 67-jährige einstige Sozialministerin, die ihre politische Karriere bis zum Ende der Legislaturperiode im September eigentlich geruhsamer auslaufen lassen wollte, rückt nun als Zwischenlösung an die Fraktionsspitze.

Schmid musste gehen, weil er die eigene Ehefrau für bis zu 5500 Euro im Monat auf Staatskosten als Büromitarbeiterin beschäftigt hatte. Diese bayerische Art der „Familienhilfe“ war von Tag zu Tag heftiger kritisiert worden, Schmid konnte den Ruf als Abzocker nicht mehr abstreifen. Immerhin wurde allein seine eigene Tätigkeit mit 20 000 Euro monatlich fürstlich vergütet. Für Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer war schnell klar, dass der bayerische Schwabe fünf Monate vor der Landtagswahl am 15. September schlicht nicht mehr zu halten war.

Nun also Stewens. Als Seehofer 2008 nach der 43,4-Prozent-Wahlschlappe sein Kabinett bildete, war ihm Stewens noch zu alt für einen Ministerposten. Er bevorzugte die emsige Christine Haderthauer als neue Chefin im Ressort für Arbeit und Soziales. Die Oberbayerin Stewens gilt als verbindliche, integrierende Arbeiterin, die auch über die CSU hinaus einen guten Ruf genießt. SPD-Oppositionschef Markus Runderspacher gratulierte ihr nach der Wahl gleich brav, um im Nachsatz anzumerken, dass die CSU nun wieder „auf Seehofers ausrangierte Sixties angewiesen“ sei.

Die Wahl zeigt, wie dünn die CSU-Personaldecke geworden ist. Karl-Theodor zu Guttenberg ging der Partei wegen der abgeschriebenen Doktorarbeit verloren, Finanzminister Georg Fahrenschon musste man nach Berlin ziehen lassen – als neuen Chef des Sparkassenverbandes. Parteisprecher Michael Strepp wurde abgelöst wegen seiner Versuche, die Berichterstattung des ZDF zu beeinflussen. Und nun verliert Georg Schmid den Posten, der als die aussichtsreichste Stellung angesehen wird, wenn man Seehofer beerben möchte. Und eine neue Fraktionsvorsitzende auf Abruf zeugt auch nicht eben von christsozialer Stärke.

Mit Stewens hat Seehofer allerdings ein weiteres Vorpreschen seines Rivalen Markus Söder verhindert. Was er von diesem hält, ist spätestens seit der legendären Presse-Weihnachtsfeier im Dezember 2012 bekannt. Da hatte Seehofer den Franken als „vom Ehrgeiz zerfressen“ beschrieben und ihm „zu viele Schmutzeleien“ vorgeworfen – all die Äußerungen hatte er von Anfang an freigegeben. Seither herrscht Eiszeit zwischen den beiden. Söder hatte nun durchaus kurzfristig über den Fraktionsvorsitz nachgedacht. Rückhalt hat er mittlerweile, unter den Abgeordneten genießt er als Mobbingopfer vom großen Horst durchaus Sympathie. Nun aber ist der Fraktionsvorsitz nach der Wahl frei für die derzeitige Bundesverbaucherministerin Ilse Aigner, die von Berlin nach München wechselt und der Seehofer nach jetzigem Stand später am liebsten das Amt der Ministerpräsidentin übergeben möchte.

Die CSU, die sich in großen Teilen weiterhin als eine Art bayerische Staatspartei ansieht, macht häufig dann Fehler und gerät in Schwierigkeiten, wenn es ihr zu gut geht. Wenn sie sich zu sicher und kraftvoll fühlt. Kaum einer präsentierte diese omnipotente Machtverliebtheit so sehr wie der zurückgetretene Georg Schmid, deshalb hatte er auch über Tage hinweg verkannt, wie brandgefährlich die Lage für ihn geworden war.

In Umfragen werden die Christsozialen derzeit bei 48 bis 49 Prozent gehandelt, die Rückkehr zur absoluten Mehrheit der Landtagsmandate scheint greifbar. Doch mit Schmid und auch jenseits von ihm häufen sich die Probleme. Trotz des Rücktritts wird die Opposition seinen Fall immer wieder heranziehen – und zwar mit der Stoßrichtung, wie es denn sein kann, dass so einer über 23 Jahre hinweg eine solche Karriere in der CSU habe machen können.

Eine weitere unangenehme Baustelle: Am Freitag konstituierte sich – ursprünglich gegen den CSU-Willen – im Landtag der Untersuchungsausschuss zum Fall des Psychiatrie-Insassen Gustl Mollath. Der Mann aus Nürnberg ist seit sieben Jahren in geschlossenen Anstalten eingesperrt. Er hatte seine Ex-Frau, eine Bankberaterin, wegen Schwarzgeldschiebereien angezeigt, die Vorwürfe erwiesen sich im Nachhinein weitgehend als zutreffend. Das Gericht und Psychiater sahen darin allerdings „Wahnideen“. Dass in dem Ausschuss noch viel aufgeklärt werden kann in den letzten Monaten der Legislaturperiode, wird bezweifelt. Allerdings versuchen Freie Wähler, Grüne und die SPD, Justizministerin Beate Merk (CSU) zu attackieren. Sie werfen ihr vor, den Landtag falsch informiert zu haben.

Auch der Fall Hoeneß verunsichert die CSU vehement. Immer wieder hat die Partei die Nähe zu dem großen FC-Bayern-Manager gesucht und von ihm auch öffentliche Sympathiebekundungen erhalten. Nun wird gegen ihn als mutmaßlichen Steuerkriminellen ermittelt, ein Haftbefehl ist nur gegen Kaution außer Vollzug. Im Nachhinein ist die Partei gottfroh darüber, dass Hoeneß die CSU-Anfrage abgelehnt hatte, als Zugpferd auf der Zweitstimmenliste für den Landtag zu kandidieren. Denn dann hätte die Partei ein weitaus größeres Problem gehabt als mit Georg Schmid und seiner 5500-Euro-Ehefrau.

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