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Rentenstreit: Wenn die Alten nicht wären

Im Rentenstreit macht die Senioren-Union gegen einen kritischen CDU-Abgeordneten mobil – was sogar die Kanzlerin verärgert.

Berlin - Die Alten in der Union strotzen momentan nur so vor Selbstbewusstsein. Ohne die über 60-Jährigen, verkündete Otto Wulff dieser Tage, gäbe es in diesem Lande weder eine CDU-Kanzlerin noch CDU-Ministerpräsidenten. Mit „weit überdurchschnittlichen Anteilen“ stimmten sie für die Union, betonte der Bundesvorsitzende der Senioren-Union. Außerdem sei ihre Wahlbeteiligung mit 70 bis 80 Prozent doppelt so hoch wie die der immer weniger werdenden Jungen.

Mit fast 58 000 Mitgliedern im Rücken lässt sich prima Politik machen. Einen innerparteilichen Erfolg haben die Unionssenioren gerade hinter sich. An diesem Dienstag wird das Kabinett beschließen, dass die Rentner in den nächsten beiden Jahren doppelt so viel bekommen, wie ihnen gesetzlich zugestanden hätte. Statt 0,46 beträgt die Erhöhung nun 1,1 Prozent – auch wenn die Regierung dafür kurzerhand die geltende Rentenformel außer Kraft setzen muss. Nennenswerter Widerstand regte sich nicht dagegen in der ansonsten so auf Beitragssenkungen pochenden Partei. Schließlich wird, das wissen alle, im kommenden Jahr gewählt.

Dem Jungpolitiker Jens Spahn aber schien das egal zu sein. Der 27-Jährige CDU-Abgeordnete aus dem Münsterland war so beharrlich gegen die außerplanmäßige Rentenerhöhung zu Felde gezogen, dass es die Unionssenioren in Nordrhein- Westfalen auf eine Machtprobe anlegten. Wutentbrannt kündigte ihr Landesvorsitzender Leonhard Kuckart an, Spahns erneute Kandidatur für die Bundestagswahl im Jahr 2009 verhindern zu wollen – notfalls sogar mit dem Aufruf an die Wähler, der CDU die Erststimme zu verweigern. Spahns Äußerungen spalteten Partei und Gesellschaft, schimpfte Kuckart. Zudem zeugten sie von „politischer Unreife“.

Spahn hat sich seither nicht mehr geäußert. Allerdings hat er noch eine Kostprobe dessen, was die Unionssenioren so erzürnt, auf seiner Website stehen. „Das Wahlgeschenk an die Rentner kostet die Jungen mittel- und langfristig viel Geld“, zitiert sich Spahn dort selber aus der „Welt am Sonntag“. Und politisch bringe dies ebenfalls nichts: „Auch mit 1,1 Prozent sind die Rentner nicht zufrieden.“

Wer dachte, junge CDU-Abgeordnete würden ihrem Parteifreund nun den Rücken stärken, der irrte sich. Das sei eine „unschöne Debatte“, war verquält zu hören, da wolle man sich lieber nicht einmischen. Öffentlichen Zuspruch erhielt Spahn nur aus der Opposition. Er finde es „unglaublich, dass sich kein Jüngerer in der Union traut, ihm zur Seite zu springen“, sagte Daniel Bahr (FDP) dem Tagesspiegel. Inhaltlich könne man sich ja streiten. Aber die Kampagne, die gegen den Jungpolitiker gefahren werde, erinnere „fast schon an den Umgang der SPD mit Frau Metzger in Hessen“. Dort wollten SPD-Abgeordnete ihre Kollegin Dagmar Metzger zum Mandatsverzicht drängen, weil diese sich geweigert hatte, Andrea Ypsilanti mit den Stimmen der Linken zur Ministerpräsidentin zu wählen.

Intern indessen bekamen die Spahn-Kritiker am Montag von höchster Stelle den Kopf gewaschen. Die Älteren in der Partei müssten solche Äußerungen „auch aushalten“, sagte CDU-Chefin Angela Merkel nach Tagesspiegel-Informationen im Bundesvorstand ihrer Partei. „Da muss man nicht gleich so draufhauen. Das steigert nur die Verbitterung der Alten.“ Die Vorstandsmitglieder applaudierten kräftig. Ganz allein steht Spahn mit seiner Kritik schließlich nicht. Es sei aber bezeichnend, dass die Senioren ihren Angriff nicht gegen gestandene Ministerpräsidenten wie Günther Oettinger oder Georg Milbradt gerichtet hätten, lästerte Bahr.

Auch aus seiner Heimat erhielt Spahn Rückhalt. Die CDU der Region stehe „zu 100 Prozent hinter Jens Spahn“, versicherte der Parteichef von Rheine, Josef Niehuis. Und der Vorsitzende des CDU- Stadtverbandes Ahaus, Bernhard Hemling, betonte, dass die örtliche Union mit Spahns Arbeit „sehr zufrieden“ sei. Daher werde man an dem einstimmigen Votum für ihn als Bundestagskandidat festhalten.

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