zum Hauptinhalt
Horst Seehofer (r, CSU), Bundesminister für Inneres, Heimat und Bau, und Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), zu Beginn der Sondersitzung des Innenausschusses im Deutschen Bundestag.
© Bernd von Jutrczenka/dpa

Maaßen vor dem Bundestag: Wenn das Volk fehlt

Unabhängig von der Frage, wer den Verfassungsschutz führt: Bei Skandalen oder Affären sollte er - oder sie - sich künftig vor der Öffentlichkeit erklären.

Die Koalitionspartner wollen es sich noch einmal überlegen, wie viel ihnen daran liegt, wer auf dem Chefsessel im Bundesamt für Verfassungsschutz sitzt. Derzeit ist es Hans- Georg Maaßen, der es in den sechs Jahren seiner Amtszeit mit einem berüchtigt gewordenen Eigensinn geschafft hat, seine Behörde, wie schon oft in der Geschichte der Bundesrepublik, ins Zwielicht zu rücken. Dass er das selbst nicht als Unglück begreifen möchte, mag einer sich nach langen Dienstjahren in den oberen Sphären der Bundesverwaltung eingestellt habenden Überheblichkeit geschuldet sein. Aber genügt dieser Fehlblick auf sich selbst, die Personalie zum Anlass eines Regierungskrachs zu machen, mit Folgen womöglich, die sich derzeit eher wenige wünschen?

Der Protagonist hat auf offener Bühne einen Brand entfacht

Vielleicht besser nicht. Es könnten stattdessen andere Lehren gezogen werden. Zum Beispiel diese: Die Art, wie dieser Vorgang angestoßen wurde und wie er jetzt aufgeklärt wird, hat eine Demokratie eigentlich nicht verdient. Die Rechtfertigungen des Geheimdienstlers für seine politischen Interventionen gehören nicht hinter die geschlossenen Türen von nichtöffentlich tagenden Gremiensitzungen. Sie gehören in die Öffentlichkeit. Der Protagonist des misslungenen Stücks hat auf offener Bühne einen Brand entfacht und erklärt dahinter in vertraulicher Runde, wie man ihn löschen könnte. Das passt nicht, es hat noch nie gepasst. Nur haben sich alle daran gewöhnt. Die Abgeordneten erzählen danach, was sie jeweils gehört haben wollen, gekoppelt mit Rückenstärkung oder Rücktrittsforderung, ganz nach politischem Motiv. Aber von dem, der vor allen hätte sprechen müssen, der allen einmal alles hätte erklären müssen, hört man nichts: von Hans-Georg Maaßen.

Parlamentarische Ausschüsse bestimmen selbst, wann sie Türen öffnen

Parlamentarische Ausschüsse bestimmen in eigener Regie, wann sie ihre Türen für das Publikum öffnen, obwohl es im Grundgesetz eigentlich anders steht. Das hat sich so eingebürgert, und die Gerichte schützen die Praxis. Hier könnten die Abgeordneten ihre Kompromisse schließen, heißt es, auch unangenehme, ohne sich vor Publikum profilieren zu müssen. Ob diese Argumente taugen, darum streiten die Gelehrten. Doch wenn sich Ausschüsse Vertreter der Exekutive laden, um sie zu ihren Skandalen und Affären zu befragen, versagen sie sämtlich. Hier geht es nicht um Kompromisse oder politische Gesichtswahrung. Hier geht es um Aufklärung.

Maaßen wollte die fette Schlagzeile und die politische Schlagseite

Schon merkwürdig: Ein Geheimdienstchef sieht es offenbar als seine gesetzliche Aufgabe an, die Öffentlichkeit über eine „Desinformation“ aufzuklären. Und schickt diese Botschaft dann ausgerechnet über ein Boulevardblatt. Auch dies will nicht mehr passen in einer Zeit, in der Behörden über digitale Kommunikationsmittel in allen Formen verfügen. Für eine neutrale Warnung hätte es andere Foren gegeben, die vermutlich zu besserer Wortwahl gezwungen hätten. Maaßen nutzte sie nicht. Er wollte das Verkürzte, Raunende, und er wollte die fette Schlagzeile und die politische Schlagseite. Denn außer Provokation hatte er wenig zu bieten.

Dass sich manches exekutive Leitungspersonal sogar in solchen Sitzungen noch immer abgehoben fühlt, wie es auch bei Maaßen beobachtet worden sein soll, hat daher auch Ursachen in den parlamentarischen Regeln. Seine Vertreter sind alle da. Aber es fehlt das Volk.

Zur Startseite