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Das klassische Geld droht seinen guten Ruf zu verlieren in Zeiten der Niedrigzinspolitik.
© Jens Wolf/dpa-Zentralbild/dpa

Geld in der Krise: Wen beherrscht der Obolus?

Im Internet boomt der Bitcoin, die Gewerkschaften kämpfen für neue Arbeitszeitmodelle und die Generation Y lässt sich allein mit Topgehältern nicht mehr locken. Das Geld hat Probleme. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Natürlich mache Geld nicht glücklich, aber es weine sich besser in einem Taxi als in einer Straßenbahn. Das Bonmot soll vom großen Denker und Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki stammen. Aber was, könnte man heute fragen, wenn die Leute in der Straßenbahn gar nicht erst weinen müssen? Weil sie sich dem Stress, Geld fürs Taxi zu verdienen, gar nicht ausgesetzt haben. Weil weder Leistungsprinzip noch Leistungsfrust ihr Leben so verhärtet haben, dass sie anfälliger fürs Unglück geworden sind.

Es wäre ein Ansatz, der zum Moment passt: Das Geld, wie es bisher bekannt und anerkannt ist, gerät unter Druck. Sogar die traditionsstarke und nicht zum Zweifel neigende IG Metall hat bei den aktuellen Tarifverhandlungen neben die altbekannte Währung Geld eine zweite gestellt: Zeit. Die Gewerkschaft will das Arbeitspensum reduzieren, die Arbeitnehmer sollen einen Anspruch darauf bekommen, ihre Arbeitszeit flexibel nach ihren Bedürfnissen einzuteilen. Und es sieht so aus, als würde sie um diesen Teil ihrer Forderungen viel härter ringen müssen als um das geforderte Gehaltsplus. In der marktwirtschaftlichen Angebot-und-Nachfrage-Logik stellt das einen Wertevorteil für die Zeit gegenüber dem Geld dar.

Auch mit Blick auf die Rente verliert das Geld im Rennen mit dem Sachwert. Wer es krisensicher will, investiert, was er hat, in Stein und Beton: Ein Haus sowieso, aber auch eine noch so kleine Eigentumswohnung ist im aktuellen Ansehensranking eher eine verlässliche Größe fürs abgesicherte Alter als die in Geld auszuzahlende Rente selbst, über deren Kaufkraft, also tatsächlichen Gegenwert, kaum verlässliche Prognosen anzustellen sind.

Den hartnäckigsten Schaden erleidet das Geld in diesem Bereich durch die, die zu seinem Schutz handeln sollen: die staatlichen Banken, allen voran die Europäische Zentralbank. Sie hat das Geld entwertet, und ihre Niedrigzinspolitik belohnt diejenigen, die keins haben und allein auf Pump leben, während diejenigen, die über Geld verfügen, gestraft sind, da ihre Guthaben keine Zinsen mehr abwerfen.

Kann man dem Geld noch trauen?

Daran nimmt das Geld auch ideellen Schaden. Kann man ihm noch trauen? Das System Geld basiert auf dem Vertrauen der Menschen in eben das System. Ohne dieses Vertrauen müsste man in der permanenten Angst leben, dass die rechteckigen Scheine im Portemonnaie nur buntes Papier sind. Und vom Klimpergeld am Ende nur noch dessen Materialwert zählt.

Eine immerhin ideell begründete Attacke auf die Vorherrschaft des Geldes wird aktuell im Internet geritten. Sogenannte Kryptowährungen machen sich im Namen der Demokratie auf, die Allmacht staatlicher Banken- und Geldmonopole zu knacken. Mit den Bitcoins vorneweg sind damit im virtuellen Raum bereits Milliardenvermögen geschaffen worden. Zwar ist ungewiss, wie haltbar diese Parallelsysteme sind und ob dort durch Monopolbildungen nicht eher Diktatorisches als Demokratisches entsteht, doch der Gedanke, dass das Geld, wie es seit Ewigkeiten existiert, deshalb nicht automatisch noch Ewigkeiten weiterbestehen muss, der ist damit in vielen Köpfen präsent. Was, wenn das Zeitgeist wird?

Befürchtungen dieser Art sind noch fern, aber vielleicht nicht mehr so fern wie noch in den 80er Jahren, als auf Sparbücher annähernd fünf Prozent Zinsen gezahlt wurden und die österreichische Band „Erste Allgemeine Verunsicherung“ zur Begeisterung vieler sang: Es beherrscht der Obolus / seit jeher unsern Globulus. / Mit anderen Worten: Der Planet / sich primär um das eine dreht.

Top-Löhne gegen Top-Einsatz - das lockt Berufseinsteiger nicht mehr

Dass es so heute nicht mehr ist, stellen Unternehmen und Verwaltungen fest, die Nachwuchskräfte suchen. Mit der Aussicht auf Top-Löhne gegen Top-Einsatz lässt sich nicht mehr gut locken. Weiche Faktoren gewinnen an Gewicht: Familienfreundlichkeit, Auszeiten, Arbeitszeitflexibilität, Sinn. Für diejenigen, die die Jobs zu vergeben haben, kann das hart sein, wenn sie selbst als Babyboomer zu jenen gehören, die den Begriff „Workaholic“ etabliert haben. Workaholic will heute niemand mehr sein, Lohn egal.

Auf der Homepage arbeitgeberinfo.de steht zur Frage der Mitarbeitermotivation: „Selbstverständlich spricht nichts gegen eine Gehaltserhöhung zur angebrachten Zeit, doch als Belohnung für ein bestimmtes Ergebnis ist sie psychologisch ungeeignet. Monatliche Zahlungen werden schnell zur Gewohnheit.“ Von dort ist es nicht weit zur Prognose, dass nach einer gewissen Gewöhnungszeit auf eine Gehaltserhöhung der Wunsch nach einer weiteren folgen wird. Weil: Was sonst? Aber was ist von einer Belohnung zu halten, die immer nur noch mehr vom selben will? Nachhaltig zufrieden macht die offenbar nicht. Eher führt sie ins Hamsterrad. Und das Hamsterrad ist groß, und es läuft: Die Zahl der Einkommensmillionäre in Deutschland steigt stetig an. Das ist aber keine gute Nachricht fürs Geld an sich, weil es für die einen den Erstrebens-Wert des Millionengehalts schmälert – während die, die solchen Beträgen fern sind, getrost denken können, dass so viel Geld nun auch keiner braucht.

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