Griechenland-Krise: Welche Probleme muss Papandreous Nachfolger meistern?
Dramatisches Tauziehen in Athen: In hektischen telefonischen Verhandlungen feilschten die beiden großen griechischen Parteien am Dienstag um die Bildung einer gemeinsamen Übergangsregierung.
Dramatisches Tauziehen in Athen: In hektischen telefonischen Verhandlungen feilschten die beiden großen griechischen Parteien am Dienstag um die Bildung einer gemeinsam getragenen Übergangsregierung. Über die Person des künftigen Premiers, die Zusammensetzung des Kabinetts, das Mandat und die Amtszeit der künftigen Regierung wurde den ganzen Tag lang gerungen.
„Habemus Papademum“ hatte die Wirtschaftszeitung „Imerisia“ bereits am Morgen gemeldet, in Anlehnung an das Ritual, mit dem vom Vatikan die Wahl eines neuen Papstes verkündigt wird. Lucas Papademos (nebenstehendes Foto), der frühere Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB), wurde bereits seit mehreren Tagen als Favorit für das Amt des Regierungschefs gehandelt. Doch während sich die „Imerisia“-Druckerpressen drehten, war es noch höchst ungewiss, ob dieser Wunsch in Erfüllung gehen würde.
Bis zuletzt drohten die Koalitionsgespräche zu scheitern. Eine für Dienstagmittag von Ministerpräsident Giorgos Papandreou einberufene Sondersitzung des bisherigen Kabinetts verzögerte sich um mehr als eine Stunde. Als der Ministerrat dann zusammentrat, boten die Ressortchefs dem noch amtierenden Papandreou ihren Rücktritt an und machten damit den Weg für die Bildung einer neuen Regierung frei. „Wir sind kurz vor der Vereinbarung über eine neue Koalition“, sagte Vize-Bildungsministerin Evi Christofilopoulou.
Die Parteiführer hatten bereits am Sonntag und Montag begonnen, die Konturen der künftigen Zusammenarbeit abzustecken und Personalfragen der neuen Regierung zu diskutieren. Dabei gab es anfangs erhebliche Differenzen: Während die noch regierenden Sozialisten eine große Koalition anstrebten, wollte der konservative Oppositionsführer Antonis Samaras zunächst keine eigenen Politiker in die künftige Regierung entsenden, sondern parteilose Technokraten benennen. Samaras fürchte, sich „die Finger schmutzig zu machen“, wenn er sich politisch an einer Regierung beteilige, die unpopuläre Entscheidungen treffen müsse, vermuteten Beobachter. Samaras machte auch zur Bedingung, die Regierung dürfe nur wenige Wochen amtieren und müsse das Land am 19. Februar zu Neuwahlen führen.
Während darüber gerungen wurde, war der designierte Premier Lucas Papademos noch auf dem Flug von Boston, wo er an der Harvard-Universität als Wirtschaftsprofessor lehrt, nach Athen. Nach seiner Ankunft schaltete sich Papademos in die Verhandlungen ein – und stellte eigene Bedingungen. Der designierte Premier habe mehr Vollmachten gefordert, berichteten Insider. Am Dienstagmittag erreichte die Agonie in Athen ihren Höhepunkt: Mehrmals schien es, als sei bei den Verhandlungen der entscheidende Durchbruch erzielt worden; kurz darauf hieß es, die Gespräche stünden vor dem Scheitern. Erfolgsmeldungen und Dementis jagten einander im Minutentakt.
Wer auch immer die neue Regierung führen wird: Zu den dringlichsten Aufgaben des neuen Premiers gehört es, jetzt die parlamentarische Ratifizierung der EU-Gipfelbeschlüsse vom 26. und 27. Oktober und die Umsetzung des Pakets auf den Weg zu bringen. Es sieht neue Finanzhilfen von 130 Milliarden Euro für Griechenland und einen freiwilligen Verzicht der privaten Gläubiger auf 50 Prozent ihrer Forderungen vor. Nur wenn das Athener Parlament die Gipfelbeschlüsse ratifiziert, will die Euro-Zone die bisher blockierten Hilfsgelder für Griechenland freigeben. Euro-Gruppenchef Jean- Claude Juncker unterstrich, die Kreditgeber erwarteten auch, dass sich die Vorsitzenden der beiden großen griechischen Parteien schriftlich zur Umsetzung des Rettungspakets verpflichten. Wie Finanzminister Evangelos Venizelos in der letzten Sitzung des alten Kabinetts mitteilte, sollen auch der künftige Ministerpräsident, der neue Finanzminister und der Gouverneur der Bank von Griechenland diese Verpflichtungserklärung unterschreiben – und zwar bis zum Donnerstag dieser Woche. Die Kreditgeber nehmen Griechenland jetzt also immer enger an die Kandare.
Das wird für den zukünftigen Premier nicht leicht, sein Mandat ist politisch und zeitlich begrenzt. Innenpolitisches Durchsetzungsvermögen und außenpolitische Autorität hat er nur so lange, wie die beiden großen Parteien an einem Strick ziehen. Doch die beiden Partner, die ihn tragen sollen, sind zugleich Rivalen. Griechenland geht Neuwahlen entgegen, vielleicht schon in wenigen Monaten. Die Bereitschaft der Parteien, jetzt unpopuläre, aber notwendige Einschnitte mitzutragen, dürfte sich deshalb in Grenzen halten. Das Ansehen der Politiker und der Parteien bei den Bürgern ist ohnehin schon auf dem Nullpunkt: Neun von zehn Griechen misstrauen der Regierung – und ebenso viele der Opposition.