Vergrabenes KSK-Kriegsarsenal gegen die Demokratie: Welche Komplizen hatte Philipp S. in der Bundeswehr?
Der Fall des festgenommenen KSK-Soldaten Philipp S. erschreckt Politik und Sicherheitsbehörden. Die neue Wehrbeauftragte Eva Högl ist alarmiert.
Kaum war Eva Högl (SPD) am Donnerstag von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) als neue Wehrbeauftragte vereidigt, hatte sie schon ein unangenehmes Thema am Hals. Der Fall des vor zwei Wochen festgenommenen Soldaten der Eliteeinheit „Kommando Spezialkräfte (KSK)“ alarmiert nicht nur die Bundeswehr, sondern auch Politik und Sicherheitsbehörden. Die Geschichte sei „dramatisch“, sagte Högl dem Tagesspiegel, „das ist ein Anlass, ganz grundsätzlich über das Thema Rechtsextremismus im KSK und in der Bundeswehr nachzudenken“.
Waffen, Munition und hochexplosiver Sprengstoff
Die Polizei hatte am 13. Mai auf dem Grundstück des Oberstabsfeldwebels Philipp S. in Nordsachsen eine Art Kriegsarsenal ausgeräumt. Vergraben waren unter anderem ein Sturmgewehr des Typs Kalaschnikow, tausende Patronen für Gewehre und Pistolen sowie zwei Kilogramm des hochexplosiven Sprengstoffs PETN. Ein Teil des Materials stammt aus Beständen der Bundeswehr. Gefunden wurden auch Plakate und andere Devotionalien aus der NS-Zeit. Polizeibeamte nahmen Philipp S. am Standort des KSK im württembergischen Calw fest.
Parlamentarier wollen wissen, welche Erkenntnisse die Nachrichtendienste haben
Sicherheitskreise befürchten, dass S., seit 2001 beim KSK, Komplizen in der Truppe hatte. Der Fall sei „ein Albtraum“. Die rechte Szene warte nur auf Spezialisten wie S., um sich auf den bewaffneten Kampf gegen die Demokratie vorzubereiten. Das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages, das die Nachrichtendienste des Bundes überwacht, will nun mit einem Prüfauftrag herausfinden, was das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) und das Bundesamt für Verfassungsschutz über gefährliches Material wie Waffen, Munition und Sprengstoff wissen, das der Bundeswehr abhanden kam und bei Extremisten gelandet sein könnte. Die Bundesregierung beabsichtigt, sich stärker mit rechtsextremen Tendenzen im KSK befassen. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) plant eine Arbeitsgruppe, die eine „Strukturanalyse“ der 1000 Soldaten zählenden Eliteeinheit erstellen soll.
Der Fall S. ist nur einer von ungefähr 20, bei denen das BAMAD dem Verdacht auf rechte Umtriebe im KSK nachgeht. In der Bundeswehr sind es insgesamt knapp 600. Nun gibt es eine so drastische wie unübliche Reaktion aus der Truppe.
KSK-Chef mit dramatischem Appell an seine Truppe
KSK-Kommandeur Markus Kreitmayr nennt in einem Brief an seine Soldatinnen und Soldaten den Fall S. einen „schockierenden Höhepunkt“. Der Brigadegeneral beklagt, es befänden sich „inmitten unserer Gemeinschaft“ immer noch „Individuen, die dem so genannten rechten Spektrum zuzuordnen sind“. Sie hätten dem Ansehen des KSK und der Bundeswehr, „aber auch jeder und jedem Einzelnen von uns ganz persönlich massiven Schaden zugefügt“.
Kreitmayr ruft den Rechten zu, „Sie verdienen unsere Kameradschaft nicht! Sie gehören nicht zu uns! Sie sollten aus eigenem Antrieb unseren Verband und die Bundeswehr verlassen!“
Und der General verkündet, „tun Sie es nicht, werden Sie feststellen, dass wir Sie finden und entfernen werden!“ Das ist keine leere Drohung. In diesem Jahr wurden bereits sechs Soldaten, darunter zwei Offiziere, wegen Extremismus aus dem KSK geworfen. Bei fünf weiteren Angehörigen der Truppe steht das bevor.
Högl will rasch mit Soldaten und Offizieren reden
Högl lobt Kreitmayrs Schreiben als „Weckruf“. Sie will bald nach Calw fahren, um mit Soldaten aller Dienstgrade zu sprechen. Die Wehrbeauftragte betont, trotz der Vorfälle gebe es keinen Grund für einen Generalverdacht gegen KSK und Bundeswehr. Mit den Angehörigen der Eliteeinheit will Högl bereden, was bei Aus- und Fortbildung zu verbessern wäre.
Offen bleibt, ob Philipp S. in Kontakt stand zum rechten, teilweise terrorverdächtigen Netzwerk um den früheren KSK-Unteroffizier André S. alias „Hannibal“. Bislang gebe es keine Hinweise, sagen Sicherheitskreise, „aber es wird weiter ermittelt“.