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Die Grundrente steht finanziell auf ähnlich wackeligen Beinen wie manche Altersvorsorge. Ex-Rentenchef Ruland hält gleich gar nichts von ihr.
© imago/Rüdiger Wölk

Stoppt die Grundrente!: Weil daran alles falsch ist

Am 19. Februar ist die Grundrente im Kabinett. Sie sollte abgelehnt werden – denn sie ist in jeder Beziehung ungerecht. Ein Gastbeitrag.

Franz Ruland ist promovierter Jurist. Zuletzt, bis März 2013, war er Vorsitzender des Sozialbeirats der Bundesregierung. Von 1992 bis 2005 war er Geschäftsführer beim Verband Deutscher Rentenversicherungsträger VDR.

Vielleicht ist die Grundrente, die ab 2021 kommen soll, nicht mehr aufzuhalten. Am 19. Februar soll ihr das Kabinett zustimmen. Dennoch sei nochmals eindringlich vor ihrer Einführung gewarnt. Kein Argument, mit dem sie gerechtfertigt wird, stimmt. Sie führt zu verfassungswidrigen Ungerechtigkeiten, benachteiligt Ehen gegenüber nichtehelichen Lebensgemeinschaften und ist – so wie sie geplant ist – undurchführbar.

Die Grundrente honoriert keine Lebensleistung – im Gegenteil. Sie begünstigt zumeist Teilzeitbeschäftigte. Bei einer 33-jährigen Versicherungsdauer, wie sie nunmehr vorgesehen ist, sind vor allem deren Renten so niedrig, dass sie durch die Grundrente aufgestockt würden.

Die „Honorierung“ der Lebensleistung nimmt zudem ab, je größer sie ist. Wer nach 35 Jahren eine Rente von 462 Euro im Monat erzielt hat, soll zusätzlich eine Grundrente von 404 Euro erhalten, zusammen wären dies 866 Euro. Bei einer monatlichen Rente von 600 Euro beträgt die Grundrente noch 284 Euro, ab einem Betrag von 925 Euro gibt es sie nicht mehr. Je größer die Lebensleistung, desto niedriger also die Grundrente.

Altersarmut wird nicht gelindert

Der Versicherte, der für seine Rente von 866 Euro die vollen Beiträge gezahlt hat, ärgert sich zu Recht, weil er die gleiche Leistung großenteils umsonst hätte bekommen können. Dies ist ein Anreiz, nur das Minimum an Arbeit legal zu erbringen und den Rest schwarz, denn jeder Euro mehr mindert die Grundrente. Sie steigert nicht, sie gefährdet die Akzeptanz der Rentenversicherung.

Die Grundrente ist ungeeignet, Altersarmut zu bekämpfen. Von den Personen, die 35 Jahre lang versichert waren, bezog 2016 nur ein Prozent ergänzend Leistungen der Grundsicherung. Die anderen sind nicht arm. Aber viele, die arm sind und Hilfe bräuchten, bekommen sie nicht, weil sie nicht die vorausgesetzten 33 Versicherungsjahre zurückgelegt haben.

Die Rentner mit weniger als 33 Beitragsjahren werden zudem gegenüber Personen benachteiligt, die eine freiwillige, betriebliche oder private (Zusatz-)Rente beziehen. Für diese Renten gibt es, sind sie bei Sozialhilfe anzurechnen, einen Freibetrag für Altersvorsorge von über 200 Euro. Gesetzlich Versicherte mit weniger als 33 Beitragsjahren gehen vollends leer aus, sie haben weder Anspruch auf die Grundrente noch auf den Freibetrag.

So eine Grundrente, die nur für wenige eine Verbesserung bedeutet, sollte man nicht Grundrente nennen dürfen. Im Grunde ist das nur vorgezogener Wahlkampf der Parteien auf Kosten von einer Mehrheit der Rentner, die eben nicht in den Genuss dieser Grundrente kommen.

schreibt NutzerIn provinzler

Ehen werden schlechter gestellt

Diese Ungleichbehandlung verletzt den Gleichheitssatz des Grundgesetzes. Auf die Grundrente werden Einkommen des Versicherten und seines Ehegatten angerechnet, soweit sie bestimmte Freibeträge übersteigen.

Es verstößt gegen den Schutz von Ehe und Familie durch das Grundgesetz, dass bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften – anders als in der Sozialhilfe – Einkommen des Partners nicht angerechnet wird und damit Ehen schlechter gestellt werden. Die Zusage, dass die jährliche Einkommensprüfung durch einen Datenaustausch zwischen der Rentenversicherung und den Finanzbehörden erfolgen soll, ist unrealistisch.

Ein solcher Datenaustausch lässt sich bis 2021 nicht aufbauen. Auch fehlen den Finanzbehörden wichtige Daten, etwa zu pauschal versteuerten Kapitaleinkünften oder Einkünften aus dem Ausland.

Für die Gewährung der Grundrente werden die aktuellen Einkommensdaten des laufenden Jahres benötigt, die das Finanzamt noch gar nicht haben kann. Es soll daher nur Daten des vorvergangenen Jahres liefern mit dem sinnwidrigen Ergebnis, dass bei Rentenzugängen in den ersten beiden Jahren das wesentlich höhere Erwerbseinkommen angerechnet wird.

Müsste, weil der Datenaustausch nicht klappt, die Rentenversicherung die Einkommen prüfen, wäre das sehr personalintensiv, ohne dass hinreichend Personal dafür zur Verfügung stünde.

Und was ist mit den Renten für Ausländer?

Besondere Probleme bereitet es, dass auf Grund europäischen Rechts EU-Ausländern, die eine Zeit lang in Deutschland versicherungspflichtig waren, die anteilig berechnete Grundrente auch in ihr Heimatland gezahlt werden muss, wenn sie in der EU die restlichen Versicherungsjahre zurückgelegt haben. Entsprechendes gilt für die meisten Vertragsstaaten.

Wie die Prüfung dieser Ansprüche und der Einkommen dieser Personen und ihrer Partner ablaufen soll, ist völlig offen, aber wichtig, weil Missbrauch droht. Diese Fälle mit Auslandsberührung lassen die ohnehin nicht offen gelegten Kostenschätzungen noch unsicherer werden.

Finanziert soll die Grundrente durch Steuern werden, gedacht war an die Finanztransaktionssteuer, deren Realisierungschancen aber immer geringer werden. Da auch noch ihre (Re-)Finanzierung unklar ist, gibt es nur eines: Stoppt die Grundrente!

Franz Ruland

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