Politik: Weg mit der Strafbefreiung
Oder auch nicht, die SPD ist uneins. Die Koalition hält sie nach wie vor für richtig.
Berlin - In der Debatte über die Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige für Steuerhinterzieher bemüht sich die SPD, den Druck auf die schwarz-gelbe Koalition aufrechtzuerhalten. Während Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Rechtslage am Mittwoch verteidigte und Änderungen ablehnte, wollte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle die Argumente der Kritiker nicht gänzlich ablehnen.
SPD–Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hatte am Tag zuvor erst die Linie von Parteichef Sigmar Gabriel vertreten, wonach die strafbefreiende Selbstanzeige nur noch für Bagatelldelikte gelten soll. Am Mittwoch setzte der ehemalige Finanzminister eigene Akzente und nannte im ARD-Morgenmagazin Gründe für die Beibehaltung der Selbstanzeige. „Wir haben in den letzten beiden Jahren allein in Baden-Württemberg 12 000 Selbstanzeigen gehabt“, sagte er. Sie hätten dem Fiskus „eine hohe dreistellige, wenn nicht vierstellige Millionensumme“ eingebracht. Steinbrück verwies zudem darauf, dass die Selbstanzeige nicht in jedem Fall strafbefreiend wirke. „Ich kann mir vorstellen, dass je erfolgreicher wir sind bei der Bekämpfung von Steuerbetrug, wir auf dieses Instrument verzichten sollten“, sagte er.
SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann erklärte, seine Partei werde die Vorschrift nur noch für eine Übergangszeit von ein bis zwei Jahren akzeptieren. Die Stärkung der Steuerfahndung und die Intensivierung der internationalen Zusammenarbeit beim Kampf gegen Steuerflucht werde sie überflüssig machen. Im Gegensatz dazu forderte der Sprecher des linken Parteiflügels, Ralf Stegner, die sofortige Abschaffung der Vorschrift.
Zum Fall Uli Hoeneß, der die Debatte ausgelöst hatte, sagte Steinbrück, er schätze diesen als Menschen: „Ich kenne ihn, er ist mal Mitglied in einem Beraterkreis bei mir gewesen.“ Er sei aber nur einmal erschienen. Nach Angaben aus Steinbrücks Umfeld handelte es sich um einen gesellschaftspolitischen Kreis, dem etwa ein Dutzend Mitglieder angehört hätten. Steinbrück sagte, vor der unternehmerischen Leistung und dem sozialen Engagement von Hoeneß habe er nach wie vor Respekt.
Brüderle, auch Spitzenkandidat der FDP bei der Bundestagswahl, warf der SPD vor, „zwei Meinungen“ zu haben und nicht genau zu wissen, ob die strafbefreiende Selbstanzeige nun abgeschafft werden soll oder nicht. Zudem verwies er auf die Steueramnestie, die der ehemalige SPD-Finanzminister Hans Eichel in rot-grüner Regierungszeit 2004 erlassen habe und in der Steuerhinterziehern Straffreiheit bei Offenlegung ihrer Steuerschulden und Nachzahlung von 25 Prozent Pauschalsteuer zugestanden wurde. „Wer so eine Amnestie erlassen hat, sollte jetzt mit Vorwürfen vorsichtig sein“, sagte Brüderle in Richtung SPD. Tatsächlich hatte es unter Eichel auch innerhalb der SPD kritische Diskussionen über die Wirkung der Steueramnestie gegeben. Eichel hatte seinerzeit argumentiert, der Staat müsse die Möglichkeiten zur Einnahmeverbesserung nutzen, weil er nur auf diesem Weg an Steuerbeträge aus dem Ausland herankomme. Die Prognosen des Finanzministeriums über die Höhe der Einnahmen aus der Amnestie von gut fünf Milliarden Euro stellten sich später jedoch als weit überhöht heraus.
Brüderle warnte, das Instrument der Strafbefreiung „im Affekt abzuschaffen“. Es gebe dieses Instrument „beinahe hundert Jahre in der deutschen Abgabenordnung“. Ganz und gar ablehnend zeigte er sich gegenüber einer Abschaffung der Straffreiheit bei Selbstanzeige allerdings nicht. Es sei legitim, darüber zu reden, aber nicht nach einem „von der Opposition initiierten Schnellschuss“.
Schäuble lehnt Korrekturen ab. „Vorläufig ist es geltendes Recht. Man sollte es dann auch nicht inkriminieren“, sagte er in einer Aktuellen Stunde des Bundestages. Die SPD sollte auch aufhören, den Menschen einzureden, man könne die Verjährungsfristen rückwirkend ändern. „Das ist nun wirklich rechtswidrig.“ Mit Blick auf die Steueraffäre von Hoeneß sprach Schäuble von einem „beklagenswerten Einzelfall“, der viele Menschen enttäuscht habe. Sein Ministerium verwies darauf, dass die Koalition 2011 die Regeln für die Strafbefreiung bei Selbstanzeigen verschärft habe.
Seit Anfang 2010 hätten sich 47 294 Steuersünder selbst angezeigt, berichtete die „Zeit“ unter Berufung auf die Landesfinanzbehörden. Sie hätten insgesamt 2,05 Milliarden Euro nachgezahlt.
Hans Monath, Antje Sirleschtov
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