Konflikt in der Ukraine: Was sagt der neue Bericht über den Absturz von MH17?
Der Zwischenbericht zum Absturz von MH17 liegt nun vor. Sieben Sekunden vor dem tödlichen Zwischenfall hatte der Pilot noch Funkkontakt. Dann wurde die Maschine regelrecht durchlöchert.
Wrackteile und Gepäckstücke liegen noch immer an der Absturzstelle im Osten der Ukraine. 298 Menschen kamen ums Leben, als Flug MH17, eine Passagiermaschine der Malaysian Airlines, in der Nähe des Dorfes Hrabowe abstürzte. Auf Bitten der ukrainischen Behörden übernahmen die Niederlande die Leitung der Ermittlungen. Acht Wochen später hat die Niederländische Sicherheitsbehörde am Dienstag einen Zwischenbericht zu den Absturzursachen vorgelegt.
Was geschah kurz vor dem Absturz der Maschine?
Am 17. Juli startet die Boeing 777 um 12.31 Uhr Ortszeit am Flughafen Amsterdam-Schiphol. An Bord sind 283 Passagiere und 15 Besatzungsmitglieder. Die Maschine erreicht den Luftraum der ostukrainischen Region Dnipropetrowsk um 15.53 Uhr Ortszeit. Sie fliegt in rund zehn Kilometern Höhe, etwas niedriger als im Flugplan vorgesehen. Wegen der Kämpfe zwischen Separatisten und ukrainischer Armee in der Region dürfen Maschinen in niedrigen Flughöhen nur mit Genehmigung der ukrainischen Streitkräfte fliegen, doch der Luftraum in zehn Kilometern Höhe ist freigegeben. Nach Rücksprache mit dem Kontrollturm bleiben die Piloten auf der bisherigen Flughöhe und weichen wegen des Wetters leicht nach links vom Kurs ab. Den letzten Funkkontakt mit MH17 gibt es um 16.19 Uhr. Die Piloten bestätigen die weitere Route. Nur sieben Sekunden nach dem letzten Funkspruch, um 16.20 Uhr Ortszeit, brechen sowohl die Aufzeichnungen des Flugschreibers als auch der Gespräche aus dem Cockpit – beide haben die Experten ausgewertet – schlagartig ab. Die Piloten hatten keinen Notruf abgesetzt. „Die Kommunikation der Crew gab keine Anzeichen dafür, dass irgendetwas mit dem Flug nicht stimmte“, heißt es in dem Bericht der Experten. Drei weitere Passagierflugzeuge sind zu diesem Zeitpunkt in der Region unterwegs, das nächste ist 30 Kilometer von MH17 entfernt. Um 16.20 Uhr erhält der Kontrollturm in Dnipropetrowsk keine Antwort mehr aus dem Cockpit von MH17. Die ukrainischen Fluglotsen rufen ihre russischen Kollegen in Rostow an. „Ja, es ist verschwunden.“
Zu welchem Ergebnis kommt der Bericht?
Einige Wrackteile von MH17 weisen zahlreiche kleine Löcher sowie Dellen auf, beispielsweise unterhalb des linken Cockpitfensters. Auch das Dach des Cockpits ist von außen durchlöchert. Das Schadensmuster im vorderen Rumpf und im Cockpitbereich deute darauf hin, dass eine große Zahl von Objekten das Flugzeug mit großer Wucht von außen durchdrungen habe, heißt es in dem Bericht aus Den Haag. Außerdem kommen die Ermittler zu dem Schluss, dass die Maschine nicht erst beim Aufprall zerschellte: „Die Verteilung der Wrackteile in einem großen Bereich deutet darauf hin, dass das Flugzeug in der Luft auseinanderbrach.“ Die Wrackteile sind auf einer Fläche von zehn mal fünf Kilometern verstreut. Die niederländischen Experten betonen, dass es keine Hinweise für technisches Versagen oder einen Pilotenfehler gebe. Der malaysische Ministerpräsident Najib Razak sagte, die Erkenntnisse legten den „starken Verdacht“ nahe, dass die Maschine von einer Boden-Luft-Rakete abgeschossen worden sei.
Was ist das Ziel der Untersuchung?
Die niederländische Sicherheitsbehörde klammert die Schuldfrage bewusst aus, sie ist Gegenstand einer separaten strafrechtlichen Ermittlung in den Niederlanden, die aber noch dauern kann. Die jetzige Untersuchung orientiert sich am Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt. Demnach ist es das Ziel solcher Untersuchungen, ähnliche Unglücke in Zukunft zu verhindern. Der am Dienstag vorlegte Bericht ist ein Zwischenergebnis, der vollständige Bericht soll in einem Jahr vorliegen. An der Untersuchung zu den Absturzursachen von MH17 waren auch Deutsche beteiligt. Zwei Experten der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung in Braunschweig fuhren kurz nach dem Absturz für sechs Tage nach Kiew und werteten dort Flugdatenschreiber und Satellitenbilder aus.
Konnten die Ermittler ihre Arbeit ungehindert machen?
Die Absturzstelle liegt in einem Gebiet, das die von Russland unterstützten Separatisten kontrollieren. Das internationale Team von Luftsicherheitsermittlern hatte bisher keinen Zugang zum Absturzort. Ein Besuch ist aber noch geplant. Allerdings waren ukrainische Experten vor Ort und machten Fotos von den Wrackteilen, die nun zusammen mit Satellitenaufnahmen von dem Expertenteam analysiert wurden. Die Wrackteile selbst konnten bisher nicht untersucht werden.
Was ist darüber hinaus über den Abschuss von MH17 bekannt?
Mehrere Indizien deuten darauf hin, dass MH17 mit einer Boden-Luft-Rakete vom Typ Buk abgeschossen wurde. Zwar betonten die Separatisten auch am Dienstag erneut, nicht über solche Waffen zu verfügen. Doch kurz vor dem Abschuss von MH17 veröffentlichten sie ein Bild, auf dem sie die mobilen radargestützten Buk-Systeme zeigten. In den Tagen vor und nach dem 17. Juli schossen Separatisten in der Ostukraine mehrere ukrainische Militärmaschinen ab. Am Tag des Absturzes selbst sahen Journalisten unweit der Absturzstelle in der Ostukraine ein Militärfahrzeug mit Buk-Raketen. Die ukrainische Regierung veröffentlichte ein abgehörtes Telefonat vom 17. Juli, in dem der Separatistenführer Igor Besler einem Offizier des russischen Militärgeheimdienstes berichtet, dass man ein Flugzeug abgeschossen habe. Besler sagte später, dabei sei es um den Abschuss einer Militärmaschine gegangen – und bestätigte damit die Echtheit des Gesprächs. Andere Separatisten brüsteten sich am 17. Juli im Internet mit dem Abschuss einer ukrainischen Militärmaschine. Doch an dem Tag wurde kein anderes Flugzeug in der Ostukraine abgeschossen. Autoren der investigativen Webseite „Bellingcat“ kamen jetzt nach dem Vergleich von Fotos zu dem Schluss, dass die in der Ukraine gesichteten Buk-Raketen aus Russland gekommen seien. Eine Buk-Rakete explodiert kurz vor dem Ziel in der Luft, so dass dieses von zahlreichen Splittern getroffen wird. Das deckt sich offenbar mit dem nun von den Ermittlern beschriebenen Muster.