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Pkw-Maut: Was sagen die Nachbarn?

Die Pkw-Maut ist einer der letzten großen Streitpunkte in den Koalitionsgesprächen. Bayern will sie, NRW fürchtet sie. Die Maut könnte eine Kettenreaktion auslösen.

Das Lieblingsprojekt der CSU, eine Pkw-Maut für Deutschland, die einseitig Ausländer belastet, ist höchst umstritten. Neben allen europarechtlichen Bedenken und organisatorischen Einwänden gibt es eine weitere Befürchtung: Dass angrenzende Staaten, die noch keine Maut haben, sich dann auch dafür entscheiden. Diese Sorge ist vor allem in den Regionen verbreitet, die an Holland, Belgien und Luxemburg grenzen. Die Pkw-Maut gehört zu den letzten massiven Stolpersteinen auf dem Weg zu einer großen Koalition.

Was befürchtet die Politik in Nordrhein-Westfalen?

Hannelore Kraft wusste den Maut-Vorstoß von Horst Seehofer schon im Wahlkampf zu deuten. „In Wahrheit“, gab die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin im Sommer zu Protokoll, „bereitet er für die Kanzlerin die Maut flächendeckend für Deutschland und damit auch für alle Bürgerinnen und Bürger vor.“ Tatsächlich steht Angela Merkel nun nicht mehr zu ihrem Nein zur Maut. Doch politisch profitieren kann Kraft davon zur Zeit nicht, als mögliche groß-koalitionäre Partnerin schweigt sie zu diesem Thema.

Dafür bekommt die Kanzlerin ausgerechnet von ihrem Stellvertreter im Parteiamt, von Armin Laschet, Druck in dieser Frage. „Ich halte die Maut für falsch“, antwortet Laschet bis heute auf alle entsprechenden Fragen, „weil dann die Bürger Nordrhein-Westfalens gleich dreifach zahlen.“ Damit nutzt der Stellvertreter Merkels exakt das Argument der nordrhein-westfälischen SPD, die unentwegt darauf hinweisen, dass im Falle einer Maut für Ausländer die Niederländer, die Belgier und die Luxemburger auf den Gedanken kommen werden, eine Straßenbenutzungs-Gebühr für Ausländer einzuführen. „Das würden dann die deutschen Nordseeurlauber in den Ferien im Portemonnaie merken“, fürchtet Krafts Verkehrsminister Michael Groschek, der für die SPD mit am Berliner Verhandlungstisch zu diesem Thema sitzt.

In der Tat ist das größte Bundesland eng mit den westlichen Nachbarländern verwoben, sind die wirtschaftlichen und persönlichen Beziehungen der Menschen intensiver als es in anderen Teilen der Republik. Groschek hält eine Pkw-Maut nicht nur europapolitisch für problematisch. Sein Hauptargument ist: „Nicht die Personenwagen, sondern die Lastwagen machen die Straßen und Brücken kaputt, deshalb sollten wir die Lkw-Maut ausweiten.“

Wie stehen die Anrainerstaaten zu einer Pkw-Maut?

...Belgien?

Rund um Brüssel stehen viele Bürger Belgiens morgens und abends oft stundenlang im Stau. Die Autobahnen werden nicht nur von Pendlern, sondern auch von den vielen Lastwagen verstopft werden, die auf die England-Fähren in Ostende, Dunkerque oder Calais wollen oder von dort kommen. Belgien ist ein klassisches Transitland, verlangt bisher aber keine Maut von den Straßennutzern. Das ärgert viele – speziell, wenn sie gerade aus dem Urlaub in Frankreich, Österreich, der Schweiz oder Italien kommen und zahlen mussten. „Das ist genau dieselbe Diskussion wie in Deutschland auch“, “, sagt ein belgischer Regierungsvertreter.

Mit dem Unterschied, dass eine Maut schon beschlossene Sache ist – eigentlich. Schon vor vielen Jahren wurde das Projekt angeschoben, geplant war ein Jahresaufkleber nach dem Schweizer Modell. Und es war – eine weitere Parallele zur deutschen Debatte – angedacht, im Gegenzug die in Belgien erhobene Straßensteuer für die einheimische Wohnbevölkerung zu senken. Das Ganze wurde der EU-Kommission zur Prüfung vorgelegt, die keine prinzipiellen Einwände erhob. Vertagt wurde das Projekt wegen des üblichen belgischen Streits zwischen den Landesregierungen Flanderns, Walloniens und der Hauptstadtregion Brüssel. Es ging unter anderem um die Verteilung der Einnahmen. Zwischenzeitlich wollte Wallonien gar im Alleingang die Maut einführen.

2010 verkündeten der damalige Premier Yves Leterme und sein Amtskollege Jan Peter Balkenende aus den Niederlanden, mit denen es wegen des besonders intensiven Grenzverkehrs rund um den Antwerpener Hafen eine enge Absprache gab und gibt, dass beide Länder vorerst keine Maut erheben würden; als mögliches neues Zieldatum galt fortan 2013, inzwischen ist man bei 2016 angelangt. Ob der Termin erneut verschoben wird, dürfte indirekt auch von den Berliner Koalitionsgesprächen abhängen. „Wenn wir dann auch auf deutschen Autobahnen zahlen müssen“, sagt der Vertreter der belgischen Regierung, „wird der Druck der Öffentlichkeit sehr groß sein, die Maut hierzulande nicht noch einmal aufzuschieben. Wir könnten uns nicht mehr leisten, dann neben die Niederlanden die einzigen zu sein, die keine Straßennutzungsgebühr erheben.“

... und die Niederlande?

„Wir geben keinen Kommentar zu laufenden Koalitionsverhandlungen“, sagt ein Sprecher des Ministeriums für Infrastruktur und Umwelt in Den Haag. Es habe in den Niederlanden einmal eine Diskussion über eine Bezahlung per Kilometer gegeben, doch die jetzige Regierung habe auf diese Pläne verzichtet. Grundgedanke war eine Umverteilung der Lasten, man schafft die KfZ-Steuer ab und bezahlt per Kilometer.

Mit großem Befremden hat der Präsident des niederländischen Automobilclubs ANWB die Pläne der CSU aufgenommen, vor allem, dass die Maut Ausländer betreffen sollte. Die Argumentation sei kurzsichtig. Deutschland ist für niederländische Touristen das wichtigste Ferienland in Europa geworden. „Sie müssen tanken, sie wohnen in Hotels, gehen Essen und tun andere schöne Dinge, das bringt viele Steuern und Geld für die Wirtschaft, selbst der Transitreisende muss tanken“, sagt Guido van Woerkom, dessen Verein vier Millionen Mitglieder hat. Wenn man überhaupt von einer Maut spreche, dann müsse es in allen Ländern der EU ein System geben, aber dann sei Brüssel gefragt. „Hoffen wir, dass die Deutschen so etwas nicht tun werden“, sagt der ANWB-Präsident.

...und Luxemburg?

Von Seiten Luxemburgs droht den Deutschen in absehbarer Zukunft wohl keine PKW-Maut. In der Vergangenheit wurde das Thema in Luxemburg nie ernsthaft diskutiert. Der Grund dafür ist simpel: Die Verkehrswege, die Autofahrer zwischen Belgien, Deutschland und Frankreich durch das kleine Herzogtum nutzen, sind sehr kurz. Ein Mautsystem lohnt sich daher nach Experteneinschätzung kaum.

Rolf Brockschmidt, Elisa Simantke, Jürgen Zurheide, Christopher Ziedler

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