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Eins von vielen Formularen, die auf Langzeitarbeitslose warten. Zu vielen - wenn es nach Kai Whittaker geht.
© Peter Endig dpa/lsn

Debatte um Hartz IV: Was Langzeitarbeitslosen wirklich hilft

Für die SPD hat Martin Schulz die Arbeitslosigkeit zum Thema gemacht. Und tatsächlich gibt es dort ein Problem, aber eins, das Schulz nicht nennt: die Langzeitarbeitslosen. Ein Gastbeitrag

Der Arbeitsmarkt brummt, und die Beschäftigungszahlen erreichen immer neue Rekordhöhen. Trotzdem hat die SPD jetzt das Thema Arbeitslosigkeit in den Wahlkampf gezogen. Dabei setzen sie auf eine Politik der staatlichen Alimentierung. Anstatt Arbeitslosen Perspektiven aufzuzeigen, will die SPD die Menschen mit längerer staatlicher Förderung abspeisen. Genau den gleichen Ansatz verfolgen die Sozialdemokraten seit Jahren bei den Langzeitarbeitslosen.

Sie wollen einen sozialen Arbeitsmarkt schaffen und die Menschen dauerhaft „parken“. Die zugrunde liegende These ist, dass bis zu 300.000 Langzeitarbeitslose gar nicht mehr arbeiten könnten. Deshalb solle man die Bemühungen, sie in Arbeit zu vermitteln, aufgeben. Diese politische Diskussion läuft aber an der Wirklichkeit vorbei. Sie ignoriert die Tatsache, dass 700.000 weitere Langzeitarbeitslose sehr wohl noch arbeiten können. Im Gegensatz zu den linken Parteien wollen wir als Union nicht mit einem sozialen Arbeitsmarkt anfangen. Der kann höchstens am Ende unserer Bemühungen stehen, jedoch nicht am Anfang.

Was benötigt wird, ist eine auf den Langzeitarbeitslosen ausgerichtete Betreuung und Qualifizierung. Das hört sich erst einmal harmlos an, hat es aber in sich. Im Moment werden langzeitarbeitslose Menschen vielerorts nur unzureichend betreut. Nach der offiziellen Statistik der BA betreut zurzeit ein Mitarbeiter eines Jobcenters 129 Langzeitarbeitslose, die älter als 25 Jahre sind. Wenn man weiß, dass die offizielle Zahl in der Praxis selten stimmt, erscheint es fast unmöglich, jeden Arbeitslosen mit seinen Stärken und Schwächen zu kennen. Erfahrungen aus ausgewählten Jobcentern zeigen jedoch, dass Langzeitarbeitslose häufiger durch eine bessere Betreuung wieder den Weg in den Arbeitsmarkt finden – und nicht durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen. Vor diesem Hintergrund muss der Betreuungsschlüssel verbessert werden. Hierfür ist eine Verlagerung des Personals aus dem Leistungsbereich in den Bereich der Arbeitsvermittlung notwendig. Zurzeit sind nämlich rund 23.000 Jobcenter-Mitarbeiter damit beschäftigt, die individuellen Leistungen und Ansprüche der Hartz-IV-Empfänger auszurechnen. Dieser Verwaltungsaufwand ist in Zeiten moderner IT-Systeme und Algorithmen nicht nachvollziehbar.

Nicht alles bis ins Kleinste regeln, wir brauchen Bagatellgrenzen

Daraus ergibt sich der zweite Ansatzpunkt, der Abbau bürokratischer Hürden. Wir haben uns in der Vergangenheit leider oft mit Kleinigkeiten aufgehalten und dadurch die Jobcenter von ihrer eigentlichen Arbeit abgehalten. Es werden vor allem mehr Pauschalierungen benötigt, etwa im Bereich der Unterkunft und Heizung sowie beim Bildungs- und Teilhabepaket. Außerdem muss eine Bagatellgrenze von mindestens 25 Euro eingeführt werden. Viele Experten meinen, dass durch mehr Pauschalierungen die Rechte des einzelnen Hartz-IV-Empfängers beschnitten werden. Ich argumentiere dagegen. Zum einen muss der Staat nicht jede rechtliche Kleinigkeit bis ins Detail regeln. Zum anderen führen die derzeitigen komplizierten Regelungen dazu, dass sie sehr klageanfällig sind und damit zusätzliche Mittel binden. Vor diesem Hintergrund fordere ich eine weitere Rechtsvereinfachung.

Neben diesen beiden Schwerpunkten muss das Thema Qualifizierung noch mehr in den Vordergrund gerückt werden. Ein Großteil der langzeitarbeitslosen Menschen hat keine abgeschlossene Berufsausbildung. Das erschwert den Einstieg in den Beruf und erhöht die Chancen, wieder arbeitslos zu werden. Ja, der Qualifizierungsansatz ist mühselig und zeitaufwendig. Letztendlich ist er aber der beste Weg aus der Arbeitslosigkeit. Einzelne Jobcenter haben spannende Ansätze (u.a. Qualifizierungsbegleiter) entwickelt, um die Menschen an einen Abschluss heranzuführen. Vor allem müssen junge Menschen wieder „fit“ für eine Ausbildung gemacht werden. Dabei ist es wichtig, dass Schulabbrecher nicht auf der Strecke bleiben. Jedes Jahr verlassen rund 50.000 Jugendliche die Schule ohne Abschluss.

- Kai Whittaker ist seit 2013 direkt gewählter CDU-Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Rastatt. Er ist Mitglied des Ausschusses für Arbeit und Soziales und Experte für die Themen Hartz IV und Arbeiten 4.0.

Kai Whittaker

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