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Ein Flugzeug von Meridiana wird am Mittwoch in Frankfurt für eine mutmaßliche Sammelabschiebung bereitgestellt.
© dpa

Afghanistan: Was die Abgeschobenen nach der Ankunft in Kabul sagen

34 in Deutschland abgelehnte Asylbewerber sind in Kabul eingetroffen. Wohin es jetzt geht? Viele wissen es nicht. Ein Bericht aus der afghanischen Hauptstadt.

Es ist eine verlorene kleine Truppe, die da im Morgengrauen am Kabuler Flughafen ankommt. Einer der jungen Männer reißt in der Ankunftshalle die Arme hoch zum Siegessalut, aber es wirkt eher zynisch. Ein anderer kniet draußen vor dem Terminal nieder und küsst den kalten Zement. Es verrät ein wenig von dem, was er in Deutschland erlebt hat. Andere unterhalten sich leise, beantworten die Fragen von Journalisten, gehen dann nach und nach mit Taschen oder einem Pappkarton im Arm hinaus. Wohin? Viele wissen es nicht.

Deutschland hat über Nacht zum ersten Mal abgelehnte Asylbewerber in einer Sammelabschiebung nach Afghanistan gebracht. Viele der jungen Männer im Charterflugzeug waren schon aus Afghanistan geflohen, als die Sicherheitslage noch besser war – vor drei, vier, sieben Jahren. Sie kehren zurück in eine Krise, die in der Welt angesichts so vieler neuer Krisen nur noch wenig Aufmerksamkeit erregt, obwohl sie sich stetig verschärft.

„Hier herrscht Krieg“, hat EU-Botschafter Franz Michael Mellbin im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur neulich gesagt. „Hier gibt es einen entschlossenen Feind, der den Staat herausfordert.“ Es passt nicht so recht zu den Szenarien „sicherer Herkunftsorte“, die einige deutsche Politiker ausmalen, um die Proteste über die Abschiebung von Menschen in ein Kriegsgebiet zu dämpfen. „Hinreichend sicher“ für die 34 Abgeschobenen sei die Lage, sagt Innenminister Thomas de Maizière.

"Ich wollte Sicherheit in Europa"

Einige Abgeschobene wissen allerdings gut, was sie erwartet. Ali Hussaini, 22, weint fast. Er stammt aus einer der ärmsten und am schwersten umkämpften Gegenden des Landes, aus der zentralafghanischen Provinz Urusgan. Vor fünf Jahren ist er nach Deutschland geflohen. In seinem Bezirk habe es schon damals Bombenanschläge gegeben, sagt er. Heute ist Urusgan ein Hauptziel der Taliban-Offensiven. In die Hauptstadt Tirin Kot sind sie vor einigen Wochen schon kurz eingedrungen.

„Ich wollte Sicherheit in Europa“, sagt Hussaini. Und bevor Iraker und Syrer kamen, sagt er, hätten Afghanen eine Chance gehabt. Aber danach: „Jahrelang warten und dann abgelehnt werden – es bricht mir das Herz.“ Er habe Geld verdient. Als Kellner, auf dem Bau. Er habe Miete gezahlt. „Dann kommt um vier Uhr morgens die Polizei und sagt, Afghanistan ist jetzt sicher, ich soll zurückgehen. Sie haben mir Handschellen angelegt.“

Der Mann, der den Boden geküsst hat, heißt Matiullah. 22 Jahre alt sei er, sagt er. Sieben Jahre lang war er in Deutschland. Er habe studiert, sagt er. Was, das sagt er nicht. Er liebe Afghanistan, aber viel Hoffnung habe er nicht. Matiullah stammt aus Laghman, das an die umkämpften Provinzen Nangarhar und Kunar grenzt. In Kunar haben US-Drohnen jüngst hochrangige Al-Quaida-Kommandeure getötet. In Nangarhar fliegen die USA wöchentlich Luftangriffe auf Stellungen der Terrormiliz IS. „Ich komme zurück in diese Situation mit nichts“, sagt Matiullah.

Freiwilligen Rückkehrern gibt die Bundesregierung 700 Euro. Die Abgeschobenen haben 50 Euro bekommen. Die afghanische Regierung hat keine Mittel für ihre heimgeschickten Bürger. Nun reihen sie sich vielleicht ein in die neuen Ströme der Heimatlosen. Die Zahl der Kriegsvertriebenen übersteigt 2016 alle Erwartungen. Mehr als 530.000 Menschen sind bisher aus ihren Dörfern geflohen – Anfang des Jahres hatten die UN mit rund 250.000 gerechnet.

Ab Januar will die EU nun jede Woche 400 bis 500 Afghanen zurückschicken. Die afghanische Regierung aber will eine Obergrenze bei zwei Flügen pro Woche und nicht mehr als je 50 Passagieren setzen. Mit mehr sei einfach nicht fertigzuwerden. (dpa)

M. Jawad, C.-F. Röhrs

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