Finanzmarktregulierung: Was Deutschland von Großbritannien und den USA lernen kann
Bei der Regulierung der Banken ist Großbritannien Deutschland weit voraus. Dort hat man die Trennung des normalen Kundengeschäfts vom Investmentbereich schon in Angriff genommen - zumindest auf dem Papier.
Bei der Regulierung der Banken ist Großbritannien Deutschland weit voraus. Die Einführung einer subtilen Form des Trennbankensystems ist hier voll im Gang. Vor einem Jahr legte der Wirtschaftsforscher John Vickers Vorschläge zu einer Bankenreform vor, die Premier David Cameron sofort nach Regierungsantritt in Auftrag gegeben hatte. Eile war geboten wegen der Gefahr, die von den Banken am internationalen Finanzplatz London für das britische Wirtschaftssystem ausgeht. Die Bilanzen der fünf größten britischen Banken liegen beim Vierfachen der jährlichen britischen Wirtschaftsleistung – eine weitere Großbankenrettung könnte sich das Land nicht leisten. Deshalb soll die Bankenreform vor allem den Steuerzahler vor dem Risiko weiterer Bankenzusammenbrüche schützen. Vickers empfiehlt eine „operationelle“ Trennung von Investment oder „Kasinobanking“ und dem Geschäft mit Firmen und Privatkunden. Spareinlagen sollen keine Bankerabenteuer mehr finanzieren. Verschiedene Module werden in einer gemeinsamen Holding gehalten, aber die für den Wirtschaftsablauf essenziellen Bankenfunktionen sind durch „Brandmauern“ gesichert. Weitere Kernforderungen Vickers waren die Vorrangigkeit der Sparanlagen vor nicht gesicherten Bankkrediten und eine höhere „Kernkapitalquote“ des „britischen“ Bankenteils: Hier müssen die Verlustreserven auf 17 bis 20 Prozent steigen – weit höher, als nach kontinentaleuropäischen Vorstellungen. Die Regierung will die Reform „1 zu 1“ umsetzen, bis 2015 sollen alle Gesetze stehen. Dann haben die Banken bis 2019 Zeit, die Reform umzusetzen.
Auch von den USA kann sich Deutschland einiges abschauen. Im Juli 2010 verabschiedete der Kongress die von Präsident
Barack Obama versprochene Reform der Aufsicht über die Finanzmärkte. Ihr Kern ist ebenfalls eine schärfere Trennung zwischen dem Investmentgeschäft und dem Kundengeschäft. Die sogenannte „Volcker-Regel“, ein Vorschlag des früheren Notenbankchefs Paul Volcker, schränkt den spekulativen Eigenhandel der Banken mit riskanten Papieren ohne Kundenauftrag ein. Das 2300 Seiten starke Gesetzespaket erlaubt es der Regierung auch, kriselnde Banken, deren Untergang wegen ihrer Größe das Wirtschaftssystem gefährden kann, unter staatliche Aufsicht zu stellen oder aufzuspalten. Zudem wurden die Insolvenzverfahren für Banken enger geregelt; sie müssen „Sterbepläne“ für die Abwicklung im Fall einer Pleite aufstellen. Das Gesetz sieht auch eine neue Behörde zum Schutz von Bankkunden vor. Es besteht jedoch eine doppelte Kluft zwischen Absicht und Realität. Erstens geht das US-Gesetz von 2010 nicht so weit, wie Obama versprochen hatte. Anderthalb Jahre nach dem Höhepunkt der Krise herrschte in den USA bereits wieder das Gefühl, man habe das Schlimmste überstanden. Lobbyverbände der Finanzindustrie kämpften mithilfe der Republikaner gegen schärfere Auflagen im Gesetzgebungsverfahren. Die verabschiedete Reform bleibt weit hinter den Wünschen Deutschlands an die USA zurück. So führt sie keine Transaktionssteuer ein und bricht die großen Finanzkonzerne nicht auf, sondern verschärft lediglich die Aufsicht. Zweitens gibt das Gesetz nur den groben Rahmen vor. Der Kampf zwischen Regulierern und Bankern hat sich auf die Gestaltung der Ausführungsbestimmungen verlagert. mth/cvm