Schutzzonen für Flüchtlinge: Was bedeuten Trumps Syrien-Pläne?
US-Präsident Trump will militärisch bewachte Flüchtlingscamps auf syrischem Territorium einrichten. Ein Überblick über die Interessenlage der beteiligten Staaten.
Donald Trump trifft Vorbereitungen, stärker in den Konflikt in Syrien einzugreifen. In einem Fernsehinterview sprach er sich für die Einrichtung von Schutzzonen in dem Bürgerkriegsland aus, auch über den Einsatz von US-Bodentruppen im Kampf gegen den in Syrien kämpfenden sogenannten „Islamischen Staat“ (IS) denkt der neue US-Präsident offenbar nach – obwohl er angekündigt hatte, das internationale Engagement seines Landes zurückfahren zu wollen. Die nun bekannt gewordenen Überlegungen dürften auf den Konflikt in Syrien und die festgefahrenen Friedensbemühungen erhebliche Auswirkungen haben.
Wie sehen Trumps Pläne für den Syrien-Konflikt aus?
Der neue US-Präsident hat eine deutliche Ausweitung des amerikanischen Engagements in Syrien angedeutet. Dem Fernsehsender ABC sagte er, er wolle „absolut“ Schutzzonen für Flüchtlinge in Syrien schaffen. Wie das geschehen soll und wer diese Zonen absichern könnte, sagte er nicht. Nach Medienberichten will Trump das Außen- und das Verteidigungsministerium auffordern, innerhalb von drei Monaten einen Bericht zu dem Thema auszuarbeiten.
Unter Trumps Vorgänger Barack Obama hatten sich die USA darauf in Syrien weitgehend beschränkt, gemeinsam mit Verbündeten Luftangriffe auf Stellungen der IS-Terrormiliz zu fliegen. Trump will nun auch den Kampf gegen den IS in Syrien und im Irak verstärken.
Nach einem Bericht der „New York Times“ bereitet das Weiße Haus ein Dekret vor, mit dem Verteidigungsminister James Mattis aufgefordert wird, innerhalb von 30 Tagen einen Plan für ein aggressiveres Vorgehen gegen den IS vorzulegen. Dabei sei die Stationierung amerikanischer Artillerie in Syrien sowie der Einsatz von US-Kampfhubschraubern möglich, meldete das Blatt unter Berufung auf Regierungskreise. Amerikanische Spezialeinheiten könnten direkt an einem Großangriff auf die IS-Hochburg Rakka teilnehmen.
Ist Donald Trumps Vorstoß eine Provokation Russlands?
Russlands Präsident Wladimir Putin wurde von Trumps Plänen kalt erwischt. Der neue US-Präsident will zwar ausdrücklich gute Beziehungen zu Russland aufbauen, informiert hat er die russische Regierung über seine Überlegungen aber nicht. Dabei berühren die direkt russische Interessen, denn russische Truppen kämpfen in Syrien an der Seite von Staatschef Baschar al Assad. Russland ist also Konfliktpartei in dem Bürgerkriegsland, das es als seine Einflusssphäre betrachtet.
In einer ersten Reaktion hielt sich Moskau zunächst bedeckt. Ein Regierungssprecher sagte lediglich, es sei wichtig, alle Folgen abzuwägen. Die Lage der Flüchtlinge dürfe nicht verschlimmert werden. Am Sonnabend wollen Trump und Putin erstmals direkt miteinander sprechen. In dem Telefongespräch soll der Syrien-Konflikt eine wichtige Rolle spielen. Ein gemeinsamer Nenner könnte in jedem Fall die Bekämpfung des IS sein.
Auch die Türkei verfolgt eigene Interessen. Wie passen Trumps Pläne dazu?
Der türkische Präsident Recep Erdogan fordert seit Langem die Einrichtung von Schutzzonen in Syrien, um den Zustrom von Flüchtlingen in sein Land zu stoppen. Die frühere US-Regierung ging darauf aber nicht ein. Erdogan handelte daher auf eigene Faust. Auf der syrischen Seite der Grenze gegenüber der türkischen Grenzprovinz Kilis leben nach türkischen Angaben rund 35.000 Menschen, die von türkischen Organisationen versorgt werden. Die Türkei hatte ihnen die Einreise verweigert und Flüchtlingslager auf syrischem Territorium für sie eingerichtet. Türkische Sicherheitskräfte sind dort aber bisher nicht stationiert.
Nun geht Erdogan erstmals noch weiter: Vor einigen Tagen schickte Ankara eine Truppe aus 440 ehemaligen syrischen Rebellenkämpfern nach einer Ausbildung in der Türkei als neue Polizeieinheit in die syrische Grenzstadt Jarablus. In Jarablus und Umgebung entsteht eine De-facto-Schutzzone unter türkischer Aufsicht. Rund 24.000 syrische Flüchtlinge sind nach türkischen Regierungsangaben in den vergangenen Monaten in die Stadt zurückgekehrt.
Auf Trumps Überlegungen reagierte Ankara trotzdem zurückhaltend. Erdogan fürchtet, zur Strategie des neuen US-Präsidenten könnte auch gehören, die syrische Kurdenmiliz YPG zu fördern, die Ankara als syrischen Ableger der kurdischen Terrorgruppe PKK sieht. Erdogan sagte deshalb vor einigen Tagen, er wolle so schnell wie möglich direkten Kontakt mit dem US-Präsidenten aufnehmen.
Was bedeutet der Kurswechsel Trumps für die EU und Deutschland?
Der Historiker Michael Wolffsohn ist überzeugt: „Schutzzonen für Syrien kann niemand ablehnen.“ Er bewertet den Vorstoß des neuen US-Präsidenten überaus positiv. „Das ist eine vernünftige und durchdachte Strategie, um eine Region zu stabilisieren“, sagt Wolffsohn, der sich selbst schon vor Jahren für die Einrichtung von Schutzzonen ausgesprochen hatte. Deutschland sei in der Pflicht, sich an der Umsetzung aktiv zu beteiligen – auch durch die Entsendung von Soldaten. „Schließlich würde kaum ein Land mehr profitieren, wenn Vertriebene aus dem syrischen Bürgerkrieg in ihrer Heimat bleiben könnten“, erläutert der Historiker. „Präsident Trump handelt hier also letztlich im deutschen Interesse“, ergänzt er.
Eine offizielle Stellungnahme der Bundesregierung blieb indes zunächst aus. Noch sind Trumps Pläne schließlich vage. Voraussetzung für eine deutsche Beteiligung an der Einrichtung von Schutzzonen wäre zudem ein UN-Mandat. Ob das zustandekommt, hängt vor allem davon ab, wie sich Russland positioniert. Wolffsohn hält es aber durchaus für möglich, dass Russland der Einrichtung für Schutzzonen zustimmen könnte. „Wenn das gut koordiniert wird, hat Russland keinen Grund, das abzulehnen.“ Der Krieg selbst sei dadurch schließlich nicht beendet.