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Kann dieser Zaun bald weg? Seit mehr als 40 Jahren ist Zypern geteilt.
© dpa

Gespräche über Einheit gehen weiter: Warum Zypern eine Föderation werden muss

Es wird wieder über eine Einheit Zyperns verhandelt. Davon hätten alle Vorteile, meint unser Autor.

Die Nachricht, dass es wieder Gespräche über die Einheit Zyperns und die Lösung des griechisch-türkischen Gegeneinanders auf der Mittelmeerinsel geben wird, klingt wie die Reproduktion einer Meldung aus dem Redaktionsarchiv. Zypern – das war doch einer dieser frozen conflicts, dieser auf dem Status quo tiefgefrorenen Beinahe-Kriege, an deren Befriedung sich niemand herantraute, weil sich hier sogenannte Erbfeinde gegenüberstanden – eben Griechen und Türken. Aber nun hat es doch wieder jemand gewagt. Von diesem Mittwoch an an soll in Genf in Arbeitsgruppen erfolgreicher fortgesetzt werden, was vor einigen Tagen im ersten Anlauf auf politischer Ebene mit der Beschwörung angeblich unverrückbarer Positionen in einer Sackgasse geendet hatte.

An diesen – durch UN-Vermittlung angebahnten – ersten Gesprächen waren Diplomaten der griechischen und der türkischen Zyprioten beteiligt sowie die Außenminister Griechenlands, der Türkei und Großbritanniens als Vertreter der sogenannten Garantiemächte: Großbritannien als ehemalige Kolonialmacht bis zur Unabhängigkeit der Insel am 16. August 1960, Griechenland und die Türkei als Interessenwahrer des jeweils mit ihnen ethnisch verbundenen Bevölkerungsteils.

Für die Stationierung von Soldaten gibt es gute historische Gründe

Formal ist der Punkt, über den es angeblich keine Einigung geben kann, die Anwesenheit von 30 000 oder 35 000 türkischen Soldaten auf der nördlichen, von türkischstämmigen Zyprioten besiedelten Inselhälfte. Der griechische Außenminister Kotzias verlangte, die „Besatzung und Anwesenheit von Besatzungstruppen“ zu beenden. Der türkische Staatspräsident Erdogan konterte mit der Bemerkung, ein vollständiger Rückzug der türkischen Soldaten „kommt nicht infrage“.

Tatsächlich gibt es auf Zypern nicht nur türkische, sondern auch 1200 griechische und im Rahmen einer Friedenstruppe der UN 7000 britische Soldaten. Für die Anwesenheit der türkischen Armee, wenn auch nicht in dieser Stärke, gibt es aber nachvollziehbare historische Gründe. Das unabhängig gewordene Zypern war von Anbeginn an von Erzbischof Makarios auch politisch geführt worden. Nachdem 1967 in Athen die Obristen die griechische Regierung absetzten, versuchten sie 1974, auf Zypern Makarios zu stürzen und die Insel an Griechenland anzugliedern. Um das zu verhindern und die türkische Inselbevölkerung zu schützen, intervenierte die türkische Armee im Norden der Insel. Seitdem ist die Insel getrennt, die Einhaltung eines Waffenstillstands wird von den Vereinten Nationen überwacht. Die 1983 gegründete türkische Republik Nordzypern wird nur von der Türkei anerkannt.

Die Türkei könnte über Zypern Kontakt zur EU halten

So viel Geschichte muss sein, um die immer wieder neuen Versuche der Vereinten Nationen zu begreifen, die Einheit der Insel wiederherzustellen. Heute ist es UN-Generalsekretär Antonio Guterres, der „keine schnelle, sondern eine solide und dauerhafte Lösung“ anstrebt. Ab 1999 unternahm sein Vor-Vorgänger Kofi Annan immer neue Versuche, die eingestellten Kontakte zwischen allen Beteiligten neu zu beleben. Bis in das Jahr 2004 hinein dauerten seine Bemühungen, das Einverständnis der Türkei, Griechenlands, Großbritanniens und der beiden zypriotischen Volksgruppen zu einer Föderation beider Inselteile zu erreichen. In zwei separaten Volksabstimmungen sollte der Boden dafür bereitet werden, am Ende sollte die EU-Mitgliedschaft der Insel stehen.

Vermutlich war es auch die Gewissheit, die EU-Aufnahme sei ohnedies sicher, die zu einer massiven Ablehnung des Annan-Plans im griechischen Inselteil führte. Der türkische Norden sprach sich hingegen dafür aus. Immer wieder gab es seitdem auch Versuche beider Volksgruppen, die Grenze durchlässiger zu machen. Die massive Türkisierung des Nordteils der Insel hat solche Bestrebungen allerdings nicht erleichtert. Die Hoffnung richtet sich jetzt darauf, dass sich Details eines Gebietstausches und Entschädigungen für Vertriebene regeln lassen. Immerhin sind alle beteiligten Nationen Nato-Mitglieder, die Türkei könnte über eine Zypern-Föderation den EU-Kontakt halten.

Helmut Schmidt wollte einmal Menschen mit Visionen zum Arzt schicken. Tatsächlich sollten sie besser in die Diplomatie und in die Außenpolitik wechseln, denn da kommt man nur mit Visionen weiter. Auf Zypern könnten sie Realität werden, weil alle Beteiligten davon massive Vorteile hätten: Investitionen aus dem ganzen EU-Raum, intensiveren Handel, wachsenden Tourismus – und keine Grenze mehr.

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