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Yanis Varoufakis.
© dpa

Griechischer Finanzminister: Warum Yanis Varoufakis von Linken attackiert wird

Yanis Varoufakis wurde in einem Lokal im Zentrum Athens offenbar von vermummten Anarchisten attackiert. Der Vorfall gibt einen Einblick in das ambivalente Verhältnis der Syriza-Regierung zur autonomen Szene.

In Deutschland ist die Sicht auf die Dinge klar: Yanis Varoufakis, der umstrittene griechische Finanzminister, ist ein Linker. Ein Ultra-Linker, ein Linkspopulist, ein Marxist gar, ein Vertreter einer extremen linken Regierung. Da passt die folgende Meldung gar nicht ins Bild: Yanis Varoufakis ist nach eigenen Angaben in einer Athener Taverne von vermummten Anarchisten beschimpft und angegriffen worden. Gemeinsam mit seiner Frau und Freunden habe er im Innenhof eines Restaurants gegessen, so steht es in einer Mitteilung des Finanzministeriums, als die Gruppe auf sie zugestürmt sei und sie aufgefordert habe, “ihre Gegend“ zu verlassen. Die Angreifer wollten ihn mit Gläsern bewerfen und hätten versucht, an den Minister heranzukommen. Dies habe seine Frau verhindert, „indem sie mich beschützend umarmte“, schreibt Varoufakis, daraufhin seien die Angreifer drohend und schimpfend weiter gezogen. Die Deutung des Vorfalls liefert Varoufakis gleich mit: Es sei den Angreifern wohl eher darum gegangen, ihn einzuschüchtern als ihn wirklich zu verletzen.

Die Mitteilung ist auf mehreren Ebenen interessant: Einerseits ist sie typisch für Varoufakis, der auch Privates öffentlich teilt, beispielsweise über Einträge in seinem Blog oder die umstrittene Homestory mit Fotos am Klavier in der Zeitschrift Paris Match. Andererseits gibt sie aber auch einen Einblick zum Verhältnis von Syriza zur linksautonomen Szene. Das Restaurant, in dem Varoufakis attackiert wurde, liegt im Stadtteil Exarchia. Das Viertel ist bekannt für seine vielen Kneipen und Restaurants und als Szeneviertel extrem beliebt: nicht obwohl, sondern gerade weil es eine Hochburg der Autonomen Bewegung ist.

Hier starb 2008 der 15 Jahre alte Alexander Grigoropoulos durch eine Polizeikugel, tagelang lieferten sich danach Demonstranten und die Militärpolizei Straßenschlachten. Bis heute erinnert eine Gedenktafel an den Jugendlichen, das Graffiti "All cops are bastards" darf daneben nicht fehlen. Athen erlebte daraufhin die schwersten Ausschreitungen seit Jahrzehnten, danach patrouillierten jeden Abend eine schwer bewaffnete "Terror"-Polizei im Viertel. Doch die verschiedenen Realitäten existieren nebeneinander: Schicke Restaurants haben eröffnet, Künstlerateliers, Bars - das Viertel ist ein linkes und intellektuelles Zentrum der Stadt, hier leben und arbeiten Leute mit einem Gefühl für Trends, in Berlin würde man sie wohl "Hipster" nennen, und laufen nach einem Abend mit guten Wein an Autonomen vorbei, die sich an brennenden Mülltonnen die Hände wärmen. Denen gefällt das nicht immer.

Premierminister Alexis Tsipras, der eine Vergangenheit in der kommunistischen Jugend hat, ist in diesem Viertel quasi erwachsen geworden, hat hier seine Freunde getroffen. Die Cafés weisen wohl die höchste Dichte an Syriza-Abgeordneten in der ganzen Stadt auf. Kaum im Amt hat die Partei verfügt, dass die bis dahin schwer bewaffnete Terror-Polizei aus dem Viertel abgezogen wird. Gerade verursachte ein Gesetzesvorstoß für Aufregung, mit dem Syriza die Haftbedingungen in griechischen Gefängnissen verändern will - in internationalen Medien wurde berichtet, sie ließe "Terroristen" frei.

Als relative junge und linke Bewegung hat Syriza ihre Wurzeln auch in der linksautonomen Szene. Aber ein echter Anarchist identifiziert sich eben mit keiner Regierung. Erst recht nicht mit einer, die mit EU-Geldgebern verhandelt - und Zugeständnisse macht, die weitere soziale Härten bedeuten können. Yanis Varoufakis, der in einem Penthouse mit Blick auf die Akropolis wohnt, der erst kurz vor Amtsübernahme ein Abgeordneter der Partei wurde, der nach Exarchia vor allem zum Essen kommt, der hat hier auch nicht nur Fans.

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