Erhöhtes Corona-Risiko für Afroamerikaner: Warum Schwarze in den USA so stark gefährdet sind
Afroamerikaner haben offenbar ein erhöhtes Risiko, an Covid-19 zu erkranken. Welche Teile der USA besonders stark betroffen sind und woran das liegt.
Die Zahlen einzelner Städte und Bundesstaaten legen es nahe: Das Coronavirus trifft in den USA offenbar Afroamerikaner besonders schwer. Noch fehlen landesweite Statistiken, aber auch in Washington schaut man besorgt auf die erschreckenden Zahlen an bestimmten Brennpunkten. So bestätigte der Leiter der obersten US-Gesundheitsbehörde Jerome Adams am Dienstag, dass es ein erhöhtes Risiko für Schwarze gibt, an dem Virus zu erkranken, ins Krankenhaus eingeliefert zu werden und daran zu sterben.
Auch US-Präsident Donald Trump erklärte: "Wir sehen starke Anhaltspunkte dafür, dass Afroamerikaner in weitaus größerem Umfang betroffen sind als andere Bürger unseres Landes."
Nach Berechnungen der "Washington Post" meldeten Gegenden, in denen mehrheitlich Afroamerikaner leben, im Vergleich zu mehrheitlich "weißen" Regionen eine drei Mal so hohe Infektionsrate und fast sechs Mal so viele Todesfälle.
Allerdings geht aus den Auflistungen bisher nicht immer die ethnische Zugehörigkeit der Infizierten hervor. Das will die Regierung schnellstmöglich ändern: Trump kündigte am Dienstag an, dass "in den nächsten zwei, drei Tagen" wahrscheinlich entsprechende Statistiken veröffentlicht werden.
Besonders auffällig ist die Lage in Städten wie Chicago und Detroit
Aber schon aus den vorliegenden Daten zeigt sich ein trauriges Bild. So machen Schwarze im Südstaat Louisiana 32 Prozent der Bevölkerung aus. Doch von den Menschen, die an den Folgen des Virus starben, sind 70 Prozent Afroamerikaner. In der Hauptstadt Washington sind 46 Prozent der Einwohner Afroamerikaner, aber 58 Prozent der Toten.
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In Illinois, wo der Bevölkerungsanteil von Afroamerikanern 14 Prozent beträgt, sind 42 Prozent der Toten Schwarze. Besonders erschreckend ist hier die Lage in Chicago: Rund 70 Prozent der Coronavirus-Toten in dieser Großstadt sind Afroamerikaner, bei einem Bevölkerungsanteil von 30 Prozent.
"Bei diesen Zahlen verschlägt es einem den Atem", sagte Bürgermeisterin Lori Lightfoot vor wenigen Tagen. "Das ist ein Aufruf an uns alle zu handeln."
In Michigan, das mit New York und New Jersey derzeit zu den Hotspots der Krise zählte, machen Afroamerikaner 33 Prozent der Fälle und rund 40 der Todesopfer aus, stellen aber nur 14 Prozent der Bevölkerung.
Allerdings wirkt sich hier besonders Detroit aus: In dieser Stadt sind knapp vier Fünftel der Einwohner Afroamerikaner, mehr als ein Drittel von ihnen lebt in Armut.
Die Gründe: Armut, schlechte Gesundheitsversorgung, soziale Benachteiligung
Armut ist offenbar auch einer der Hauptgründe für diese Verteilung. Zusammen mit sozialer Benachteiligung und einer mangelhaften Gesundheitsversorgung. Fest steht, dass Afroamerikaner armutsbedingt häufiger an chronischen Krankheiten leiden, die wiederum eine Infektion mit dem Coronavirus viel gefährlicher machen.
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"Wir wissen, dass Schwarze ein höheres Risiko für Diabetes, Herzerkrankungen und Lungenerkrankungen haben", sagte der oberste US-Mediziner Adams, der selbst Afroamerikaner ist, am Dienstag beim täglichen Corona-Briefing im Weißen Haus. Auch er habe Bluthochdruck, Asthma und ein Herzproblem, sagte Adams. "Ich symbolisiere, was es bedeutet, in Amerika arm und schwarz aufzuwachsen."
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Der Direktor des Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten, Anthony Fauci, erklärte ebenfalls, Erkrankungen wie Herzkrankheiten und Diabetes seien bei den Afroamerikanern häufiger zu verzeichnen als bei anderen Gruppen. Solche Vorerkrankungen machten eine Verlegung auf die Intensivstation wahrscheinlicher. Eine mögliche Folge einer Corona-Infektion ist die Atemwegserkrankung Covid-19.
Die Krise zeige, wie inakzeptabel diese Unterschiede seien, sagte Fauci. "In dieser Situation können wir daran nichts ändern", außer dass man Afroamerikanern jetzt die bestmögliche Versorgung zukommen lassen müsse, um Komplikation zu vermeiden.
Die Krise verstärkt die Ungerechtigkeit
Obwohl das Problem bekannt ist, sind die ethnischen Unterschiede in vielen Teilen Amerikas immer noch groß. So haben ärmere Stadtteile mit einem hohen Anteil an Schwarzen weniger Ärzte und weniger gut ausgestattete Krankenhäuser.
Die Krankenversicherungen für Angestellte in Dienstleistungsberufen mit Niedriglöhnen sind schlechter als für andere Beschäftigte. Millionen US-Bürger haben keine Krankenversicherung oder sind unterversichert. Sie werden auch deutlich seltener getestet.
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Ärmere Menschen nutzen häufiger öffentliche Nahverkehrsmittel, wo die Ansteckungsgefahr höher ist als im eigenen Fahrzeug. Auch ansonsten ist das "Social Distancing", mit dem die Ausbreitung des Virus verlangsamt werden soll, für sie viel schwieriger einzuhalten. Ihre Jobs sind häufig prekärer, Arbeiten von Zuhause geht da in der Regel nicht.
Da aufgrund der Krise viele zudem ihren Job verlieren werden oder schon verloren haben, wird das Problem in nächster Zeit noch drängender. Am Donnerstag erklärte das Arbeitsministerium, dass sich in der vergangenen Woche erneut 6,6 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet haben. Damit haben innerhalb von drei Wochen landesweit mehr als 16 Millionen Menschen ihre Arbeit verloren. Die sozialen Folgen werden enorm sein.
Bis Donnerstagmorgen (Ortszeit) gab es in den USA nach Angaben von Forschern der amerikanischen Johns Hopkins Universität mehr als 430.000 bestätigte Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus. Rund 15.000 Menschen sind landesweit infolge der Pandemie bereits gestorben.
Juliane Schäuble