Politik: Warum nicht mehrere Pässe? Kritik am Optionsmodell für junge Migranten
Berlin - Das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht ist nach Expertenmeinung noch nicht auf der Höhe der Zeit. Bei einer Anhörung im Bundestag in dieser Woche zeigten sich fast alle Sachverständigen besonders mit der Staatsbürgerschaft auf Probe, dem Optionsmodell, unzufrieden: Seit der Reform von 2000 bekommen junge Migranten ab Jahrgang 1990 die deutsche Staatsbürgerschaft, wenn ihre Eltern seit mindestens acht Jahren Aufenthaltsrecht in Deutschland haben.
Berlin - Das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht ist nach Expertenmeinung noch nicht auf der Höhe der Zeit. Bei einer Anhörung im Bundestag in dieser Woche zeigten sich fast alle Sachverständigen besonders mit der Staatsbürgerschaft auf Probe, dem Optionsmodell, unzufrieden: Seit der Reform von 2000 bekommen junge Migranten ab Jahrgang 1990 die deutsche Staatsbürgerschaft, wenn ihre Eltern seit mindestens acht Jahren Aufenthaltsrecht in Deutschland haben. Sie müssen sich aber als Erwachsene zwischen dem deutschen Pass und dem ihrer Eltern entscheiden. Dies steht im Januar zum ersten Mal an, wenn die ältesten dieser Kinder volljährig werden.
Die vom Innenausschuss eingeladenen Juristen und Verwaltungsfachleute stellten vor allem das Ziel des Optionsmodells infrage, nämlich Mehrstaatigkeit zu vermeiden. Die Probleme damit würden „oft übertrieben“, sagte der von der Unionsfraktion geladene Konstanzer Professor und Ausländerrechtsexperte Kay Hailbronner. Sie sei schon deswegen „nicht mehr das ganz große Problem“, weil man längst mit ihr lebe. Uwe Berlit, Richter am Leipziger Bundesverwaltungsgericht, sprach von einem „Massenphänomen“, der Frankfurter Juraprofessor Rainer Hofmann von einem weltweiten „Trend, Mehrstaatigkeit hinzunehmen“. Schon jetzt akzeptiert Deutschland, dass EU-Bürger mehr als einen Pass haben. Für die Kinder von Eltern unterschiedlicher Nationalität gilt dies ohnehin.
Durch die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts hat sich ohnehin wenig bis nichts an der Zahl neuer Deutscher geändert. Martin Jungnickel vom hessischen Innenministerium rechnete vor, dass beim aktuellen Tempo der Einbürgerung fünfzig Jahre vergehen würden, bis in Deutschland Einwohner- und Staatsbürgerzahl einigermaßen in Übereinstimmung gebracht seien. Dass zwischen beiden eine wachsende Lücke klafft, sahen ebenfalls alle Sachverständigen als Problem, bedeutet es doch, dass ein wachsender Teil von Menschen, die hier geboren wurden und ihre Zukunft in Deutschland sehen, Bürger zweiter Klasse sind. Allein dass sie nicht wählen und gewählt werden können, beschränkt massiv ihre Möglichkeit, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Das sei „ein Missstand, der den Gesetzgeber beunruhigen müsste“, sagte der Frankfurter Anwalt Reinhard Marx.
Um Abhilfe zu schaffen, schlagen die Sachverständigen zunächst vor, das Gesetz überall in Deutschland gleich anzuwenden. „In einer so zentralen Frage wie dem Staatsangehörigkeitsrecht sollten wir eine einheitliche Praxis haben“, sagte Astrid Wallrabenstein, Expertin für Staatsangehörigkeitsrecht an der Universität Gießen. Berlit nannte es „rechtspolitisch unhaltbar“, wenn die Ämter „je nach Gusto“ entschieden, welche in Deutschland verbrachte Zeit sie einem Neubürgerkandidaten anrechneten. Kilics Kritik, es gebe hierzulande „zu wenige Einbürgerungsbehörden und zu viele Einbürgerungsverhinderungsbehörden“, schloss sich Wallrabenstein im Kern an: „Wenn man Vertrauen zur Verwaltungspraxis haben soll, dann sollte die auch staatsbürgerfreundlich sein.“
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