Europäische Zentralbank: Warum Jens Weidmann nicht EZB-Chef wird
Merkels Einfluss in Europa ist für so eine wichtige Personalie längst zu gering. Frankreich wird den EZB-Chefposten für sich reklamieren – und zwar völlig zu Recht. Ein Gastbeitrag.
Frankreich hat gerade einen guten Lauf. Jüngst hat es die Fußball-Weltmeisterschaft gewonnen, und jetzt scheint Präsident Emmanuel Macron in einer guten Position zu sein, um nach dem Ende der Amtszeit von Mario Draghi 2019 auch die Präsidentschaft der Europäischen Zentralbank für Frankreich zu gewinnen.
Warum Frankreich und nicht Deutschland, das auch endlich mal einen EZB-Präsidenten haben müsste? Die Antwort ist, dass Macron politische Hebel bewegen kann, während der Einfluss von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Europa schwindet. Den bräuchte sie aber, um einen deutschen Kandidaten durchzusetzen. Merkels wackelige Koalition aus Union und SPD könnte es nicht einmal bis über die Oktoberwahlen in Bayern hinaus schaffen, falls die Populisten von der AfD dort einen großen Sieg erringen.
Die Kanzlerin hat mit ihrer Politik der offenen Tür ein riesiges Migranten-Populisten-Problem für Deutschland und seine Partner geschaffen, ein Problem, das sie ohne die Hilfe des französischen Präsidenten nicht lösen kann. Macron hat bereits zugestimmt, einige ursprünglich in Frankreich registrierte Migranten aus Deutschland zurückzunehmen und mit Merkel zusammen eine EU-weite Migrationspolitik zu entwickeln. Am Ende kann er auch einen Handel mit Rom vermitteln, in dem Frankreich Migranten aus Italien aufnimmt, wenn Italien in der Flüchtlingspolitik mit Deutschland zusammenarbeitet.
Natürlich wird sich der französische Präsident dafür bezahlen lassen wollen. Und nach dem WM-Titel auch noch die EZB-Präsidentschaft nach Frankreich zu holen, wäre ein deutliches „Frankreich ist zurück“-Zeichen – und damit eines, das Macron sicher sehr gerne setzen würde.
Francois Villeroy de Galhau, der Chef der französischen Zentralbank, wäre derzeit der nächstliegende Kandidat. Gegen ihn spricht, dass er nicht sonderlich clever ist, den französischen Banken zu nah steht und wahrscheinlich nicht die notwendigen politischen Fähigkeiten für den Job hat. Denn wenn EZB-Präsident Mario Draghi während seiner Amtszeit eins klargestellt hat, dann das: Ohne politische Fähigkeiten erreicht man in diesem Job nichts.
Christine Lagarde wäre eine gute Wahl: politisch erfahren - und keine Zentralbankerin
Eine deutlich besser geeignete Personalie wäre jemand vom Kaliber einer Christine Lagarde. Die Geschäftsführerin des Internationalen Währungsfonds hat in ihrem Job bereits bewiesen, dass sie über die notwendigen politischen Fähigkeiten verfügt; sie ist eine Globalistin, geeignet als Gegenmittel gegen populistischen Nationalismus, und eine Frau, was der EZB, der ein Geschlechtergleichgewicht wahrlich fehlt, guttun könnte (und Gerüchten zufolge mag Angela Merkel sie). Dass sie kein Zentralbanker ist, ist insofern ein Vorteil, als sie das von ihren Mitarbeitern abhängig machen würde – und die EZB-Mitarbeiter sind dank einiger sehr professioneller Ernennungen von Draghi äußerst gut und gewieft.
Frank Smets, der derzeitige Generaldirektor der EZB und frühere Berater von Draghi, ist einer der führenden Makro-Ökonomen der Branche, während der neue Chefökonom der EZB , der den Amtsinhaber Peter Praet nächsten Mai ersetzt, Philip Lane sein wird – der klügste Ökonom, der derzeit im EZB-Rat sitzt. Lane leitet zurzeit die irische Zentralbank und hat einen Doktortitel in Wirtschaftswissenschaften von der Harvard University (Smets hat einen aus Yale).
Gegen Lagarde spräche allenfalls, dass sie 2016 wegen fahrlässigen Umgangs mit Steuergeldern von einem französischen Gericht verurteilt wurde – aber der IWF behielt sie, also dürfte das auch für die EZB kein Problem sein. Bundesbankpräsident Jens Weidmann, der seine Kandidatur für den EZB-Chefposten angekündigt hat, hat zwar, so weit bekannt, ein lupenreines polizeiliches Führungszeugnis, ist aber im EZB-Rat nicht besonders beliebt – und er ist ein geldpolitischer Ideologe. Trump in Washington und Weidmann als EZB-Chef in Frankfurt wäre ein zu gefährlicher Cocktail für Europa.
- Der Autor ist emeritierter Wirtschaftsprofessor der New York University und Senior Fellow der Hoover Institution
Melvyn Krauss