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Szenen vom 1. Mai 2014 in Berlin. Dieses Jahr hoffen die Veranstalter auf bis zu 30.000 Menschen.
© dpa

Kommentar zum 1. Mai: Warum Gewerkschaften die Arbeitswelt mitgestalten müssen

Wachstum und Wohlstand fallen nicht vom Himmel, sondern werden erarbeitet. Von Menschen. Von findigen und risikobereiten Arbeitgebern und qualifizierten und engagierten Arbeitnehmern. Das wird in den nächsten Jahren immer deutlicher werden, weil wegen der Demografie Fachkräfte fehlen und dieser Mangel das Wachstum bremst. Ein Kommentar zum 1. Mai.

Es klingt wie das Pfeifen im Walde: „Die Arbeit der Zukunft gestalten wir!“ Natürlich mit Ausrufezeichen. Das Motto zum 1. Mai soll Gestaltungskraft suggerieren. Aber die Kraft ist vor allem autosuggestiv. Der DGB macht sich Mut. Denn wenn den Gewerkschaften in den vergangenen zehn Jahren etwas nicht gelungen ist, dann war das die Gestaltung der Arbeit. Minijobs und befristete Verträge, Leiharbeit und Werkverträge gibt es inzwischen in allen Wirtschaftsbereichen, und zwar gegen den Widerstand der Gewerkschaften. Das ist eine Seite des Arbeitsmarkts. Auf der anderen Seite gibt es so viele Beschäftigte wie noch nie. Der Preis für die geringe Arbeitslosigkeit ist prekäre Arbeit.

Frankreich ächzt unter einer Rekordarbeitslosigkeit. Italien braucht noch einige Jahre ordentliches Wachstum, bis überhaupt wieder die Wirtschaftleistung des Vorkrisenjahres 2007 erreicht ist. Spanien kommt langsam aus der berühmten Talsohle, und in Athen übt die Regierung Regieren. Deutschland geht es gut, richtig gut. Das hat auch etwas mit der Regierung zu tun. Zum Beispiel der vorletzten, von Gerhard Schröder geführten. Denn die damals durchgesetzten Arbeitsmarktreformen wirken. Es klingt zynisch, aber die Angst vor Hartz IV hat vielen Beine gemacht und in Arbeit getrieben.

Häufig schlecht bezahlte Arbeit allerdings, weshalb der gesetzliche Mindeslohn auch notwendig ist. Das Gejammer in der Wirtschaft und in Teilen der Union ist peinlich. Weder hat der Stundenlohn von 8,50 Euro hunderttausende Arbeitsplätze vernichtet, noch erschweren Dokumentation und Kontrolle von Arbeitszeit und Lohn das Geschäft der Firmen. Das sind fadenscheinige Argumente mit dem Ziel, den Mindestlohn zu entwerten und die Ausbeutung der Arbeitskräfte fortsetzen zu können.

Die Veränderungsgeschwindigkeit erhöht sich

Arbeitsmarktpolitik allein macht noch keine dynamische Wirtschaft. Innovationen und Investitionen sind wichtig, Qualität der Produkte und Vertrauen in die Zukunft. Nichts ist erfolgreicher als der Erfolg – diese Binsenweisheit gilt auch für die Konjunktur. Wenn es rundläuft, dann geben Verbraucher und Firmen auch gerne Geld aus. Und wenn die Regierung auf die Belange der Wirtschaft Rücksicht nimmt, dann kommt das Kapital. Der Standort Deutschland ist attraktiv wie lange nicht. Das muss aber nicht so bleiben. Zum Beispiel Kosten: Die deutsche Energiewende wird das Weltklima nicht retten. Aber wenn die Strompreise wegen der Politik weiter steigen, dann geht die Industrie und damit die Grundlage unserer Wirtschaft kaputt.

Wachstum und Wohlstand fallen nicht vom Himmel, sondern werden erarbeitet. Von Menschen. Von findigen und risikobereiten Arbeitgebern und qualifizierten und engagierten Arbeitnehmern. Das wird in den nächsten Jahren immer deutlicher werden, weil wegen der Demografie Fachkräfte fehlen und dieser Mangel das Wachstum bremst. Die Gegenmaßnahmen sind alle bekannt: mehr Kinder, mehr Zuwanderung, mehr ausbildungsfähige Schulabgänger, mehr erwerbstätige Frauen. Also bessere Kinderbetreuung, bessere Schulen, mehr Migration.

Es kommt viel auf uns zu, allein schon durch die Digitalisierung vieler Lebensbereiche. Die Veränderungsgeschwindigkeit erhöht sich, die Anforderungen an die Arbeitnehmer steigen. Damit so viele wie möglich mitkommen, ist Regulierung erforderlich. Und Gestaltung. Auch durch starke Gewerkschaften.

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