Flucht in die Diktatur: Warum ein Südkoreaner nach Nordkorea zieht
Choe In Guk, der Sohn des ehemaligen Außenministers von Südkorea, ist nach Nordkorea übergelaufen. Er folgt einer Familientradition.
Es ist eine Meldung, die nicht so richtig in das Narrativ der vermeintlichen Annäherung und Aussöhnung auf der Koreanischen Halbinsel in diesen Tagen passen will. Gerade noch bekommt die Weltöffentlichkeit die Bilder der historischen ersten Schritte des US-Präsidenten Donald Trump auf nordkoreanischem Territorium präsentiert. Nun teilt eine Sprecherin des Vereinigungsministeriums in Seoul mit, dass Choe In Guk, Sohn des früheren südkoreanischen Außenministers Choe Dok Shin, nach Nordkorea gereist sei, ohne dabei im Besitz der erforderlichen Reisegenehmigung gewesen zu sein. In Südkorea stellt das eine Straftat dar.
Der Schritt des 72-Jährigen ist mehr als außergewöhnlich: Seit dem Ende des Koreakriegs 1953 sind zwar 30 000 Menschen in den Süden geflüchtet. Aber seit 2013 haben gerade einmal 15 Südkoreaner den umgekehrten Weg angetreten. Zudem wurden die meisten von ihnen von Pjöngjang wieder ausgewiesen.
Bei Choe In Guk ist der Grenzübertritt indes eine Art Familientradition. Vor über 30 Jahren waren bereits seine Eltern nach Nordkorea ausgewandert. So sei es auch stets deren Wunsch gewesen, dass er es ihnen gleichtäte, um sich so für die Wiedervereinigung der seit 1945 geteilten Halbinsel einzusetzen, erklärt Choe nun. Mutter und Vater selbst leben seit Jahren nicht mehr.
Nordkorea inszeniert die Übersiedlung medial
Bereits in der Vergangenheit war Choe In Guk mehrfach mit Genehmigungen nach Nordkorea gereist, entweder um an offiziellen innerkoreanischen Veranstaltungen teilzunehmen oder aus persönlichen Gründen. Jetzt aber ist er in Pjöngjang gelandet, um sich permanent in Nordkorea niederzulassen. In einem Statement, das auf der offiziellen nordkoreanischen Propaganda-Website „Uriminzokkiri“ veröffentlicht wurde, ließ er verlauten, dass Nordkorea sein „wahres Vaterland“ sei.
In einem am Flughafen aufgenommenen Video sagte Choe: „Mir fehlen die Worte, um meine Dankbarkeit für die Republik zu beschreiben, die mich mit offenen Armen aufgenommen hat.“ Südkoreanische Medien berichten, dass Choe beim Umzug nach Nordkorea seine Frau und zwei erwachsene Kinder zurückgelassen habe.
Seine Übersiedlung wird nun medial inszeniert, Kim Jong-un nutzt sie als Propaganda-Coup für das abgeschottete Nordkorea. Das zeigt: Die alten Muster aus gegenseitigen Demütigungen und Misstrauen sind noch lange nicht überwunden.