Anzeige wegen Assads Kriegsverbrechen: Warum die Bundesanwaltschaft sich mit Giftgasangriffen in Syrien befasst
Menschenrechtler haben in Deutschland Anzeige wegen Kriegsverbrechen in Syrien erstattet. Worum es geht und was die deutsche Justiz damit zu tun hat.
Es gilt als eines der schlimmsten Kriegsverbrechen in Syrien. Am 21. August 2013 wurden von Gegnern des Assad-Regimes gehaltene Gebiete östlich von Damaskus wieder einmal Ziel eines Angriffs. Doch in dieser Nacht waren es nicht nur normale Raketen, die in Ost-Ghuta einschlugen.
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen berichtete später, dass innerhalb von drei Stunden 3600 Menschen in Krankenhäuser gebracht wurden. Sie litten unter Atemnot und Krämpfen, ihre Pupillen waren verengt, Speichel lief ihnen aus dem Mund.
Von „neurotoxischen Symptomen“ sprachen die Ärzte. In den Krankenhäusern reichte der Wirkstoff Atropin, der bei Vergiftungen gegeben wird, kaum für die vielen Opfer. Mehr als 1000 Menschen wurden bei dem Angriff getötet, unter ihnen waren viele Kinder. UN-Experten wiesen später den chemischen Kampfstoff Sarin nach.
Das Regime des syrischen Staatschefs Baschar al Assad hatte offenbar etwas getan, was US-Präsident Barack Obama zuvor als „rote Linie“ bezeichnet hatte – es setzte Chemiewaffen gegen die eigene Bevölkerung ein. Doch der Westen griff damals nicht ein, der Angriff blieb für Assad folgenlos. Knapp vier Jahre später kam in Syrien ein weiteres Mal die international geächtete Chemiewaffe Sarin zum Einsatz, dieses Mal in Chan Scheichun.
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Diese Kriegsverbrechen beschäftigen nun die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Mehrere internationale Organisationen, darunter die Open Society Justice Initiative sowie das Syrian Archive, erstatteten im Oktober beim Generalbundesanwalt Anzeige wegen der beiden Chemiewaffenangriffe in Syrien. In jahrelanger, mühsamer Kleinarbeit hatten sie zuvor Zeugenaussagen und anderes Beweismaterial zusammengetragen. Ihr Ziel ist es, die Täter eines Tages zur Rechenschaft zu ziehen.
Die Menschenrechtler machen zehn Männer aus dem syrischen Machtapparat für den Giftgasangriff verantwortlich, wie der „Spiegel“ und die „Deutsche Welle“ berichteten. Ein Zeuge sagte demnach aus, Assads Bruder Maher habe den Befehl für den Einsatz von Chemiewaffen gegeben.
Wegweisender Prozess in Koblenz
Die Bundesanwaltschaft bestätigte jetzt den Eingang der Anzeige. Bereits seit Jahren beschäftigen sich die Bundesanwälte mit Kriegsverbrechen in Syrien. Im April begann in Deutschland der weltweit erste Prozess wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in dem Bürgerkriegsland. Zwei ehemalige syrische Geheimdienstler stehen in Koblenz vor Gericht, der eine von ihnen soll für die systematische Folter in einem Untersuchungsgefängnis verantwortlich sein, dem anderen wirft die Bundesanwaltschaft Beihilfe vor.
Jahrzehntelang blieben Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in vielen Ländern straflos. Erst der Internationale Strafgerichtshof sollte das ändern, er nahm 2002 in Den Haag seine Arbeit auf. Mehr als 120 Staaten traten dem „Römischen Statut“ bei, das die Grundlage für den Strafgerichtshof bildet, und bekräftigten damit, dass sich Kriegsverbrecher nirgendwo auf der Welt sicher fühlen sollten. Parallel dazu passte Deutschland seine Gesetzgebung an. Nach dem seit 2002 geltenden Völkerstrafgesetzbuch kann die Bundesanwaltschaft in anderen Ländern begangene Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verfolgen.
Bundesanwaltschaft befasst sich seit 2011 mit Verbrechen in Syrien
Bereits seit 2011 führt die Bundesanwaltschaft ein so genanntes Strukturverfahren zum syrischen Bürgerkrieg, in dem Informationen über Verbrechen sowohl der syrischen Regierung als auch des „Islamischen Staates“ (IS) gesammelt werden.
Dabei geht es um die Sicherung von Beweisen und in die Identifikation möglicher Täter, um diese später in Deutschland oder einem anderen Staat vor Gericht stellen zu können. Auch mit dem Einsatz von Chemiewaffen haben sich die deutschen Juristen bereits befasst.
In diese Ermittlungen werden auch die Informationen aus der neuen Anzeige einfließen. Experten weisen allerdings darauf hin, dass es in solchen Fällen oft Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauert, bis die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden können.
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